Ist die Forderung nach höheren Mindestlöhnen, mit der sich aktuell einige Politiker zu profilieren versuchen, wirklich so sozial, wie sie klingt? Oder befeuert sie nur die Inflation, wie die Arbeitgeberseite argumentiert?
Eine Analyse aus dem Blickwinkel eines Taxlers
Ich gebe ja zu, ich habe keine Ahnung. Ich habe keine Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft oder Sozialwissenschaften studiert, und auch sonst steht mir nur mein beschränktes Halbwissen aus 60 Jahren Lebenserfahrung, davon ca. 25 Jahre als Geschäftsführer eines Mietwagen- und Taxiunternehmens, zur Verfügung. Aber ich beherrsche die Grundrechenarten. Und auf dieser Basis bezweifele ich beim Studium aktueller Statements zu den Empfehlungen der Mindestlohnkommission, ob dies gleichermaßen auch für einige laut ertönende Stimmen vor allem aus dem eher links der Mitte angesiedelten Spektrum gilt.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil warf nach der Kommissionsempfehlung von 12,41 Euro mal locker 13,50 bis 14 Euro in den Raum, und die DGB-Chefin Yasmin Fahimi argumentierte gar mit 14,12 Euro als notwendigem Mindestlohn, basierend auf 60 Prozent des Medianeinkommens, also 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens aller Beschäftigten im Lande. Und auch Ex-Verdi-Chef Frank Bsirske von den Grünen schloss sich Fahimis Forderung an, die ihre Grundlage in einer EU-Richtlinie findet, welche dies als Orientierungswert für die landesunterschiedlichen Mindestlöhne innerhalb der EU formuliert. Außerdem müsse zukünftig die Festlegung des Mindestlohns nach politischen Gesichtspunkten möglich sein, die Mindestlohnkommission sei als Institution ungeeignet.
Der Mindestlohn ist in Deutschland Basis einer Vielzahl von Entlohnungen, direkt oder auch indirekt, indem seine Anpassungen Arbeitgeber zwingen, entsprechend auch andere Lohnvereinbarungen anzupassen, die etwas oberhalb vom Mindestlohn angesiedelt sind und sich auch zukünftig zumindest etwas vom diesem Grundwert absetzen sollen. Ohne dass es hier wirkliche belastbare Zahlen geben wird, ist wohl davon auszugehen, dass die Entscheidungen der Mindestlohnkommission für vielleicht sogar bis zu 20 Prozent der bundesdeutschen Arbeitsverhältnisse eine gewisse Relevanz haben werden.
Und ja, es gibt auch Tarifvereinbarungen, die branchenspezifische Mindestlöhne festlegen. Fakt ist aber, dass gerade im Niedriglohnsegment eben auch viele Arbeitsverhältnisse ganz ohne gewerkschaftliche Unterstützung zu ihren Lohnvereinbarungen kommen müssen, insbesondere in der Dienstleistung und bei kleineren Betrieben des Mittelstandes, seien dies nun Gastronomie, Taxi, Handwerk oder der Einzelhandel. Insofern sind für all diese Arbeitsverhältnisse die Entscheidungen des Gesetzgebers zum Mindestlohn direkt umzusetzen, ohne jede Zeitverzögerung oder Vorlauf. Letztmalig geschah dies zum vergangenen Jahresbeginn, als der Mindestlohn innerhalb von 48 Monaten von 9,50 Euro auf 12 Euro anstieg.
Vor allem in der Dienstleistung haben Löhne aber einen großen Anteil an den betrieblichen Gesamtkosten, direkte oder indirekte Lohnkosten machen hier schnell einen Anteil von zwei Dritteln oder sogar drei Vierteln aus. Entsprechend können solche Betriebe auf jede Anhebung des Mindestlohns gar nicht anders reagieren, als die Erhöhungen 1:1 an ihre Kunden weiterzugeben. Damit sind überhöhte Empfehlungen der Mindestlohnkommission also gegebenenfalls ein gravierender Treiber der Inflation, denn der Warenkorb zur Ermittlung des Verbraucherpreisindex enthält natürlich nicht nur Industrieprodukte, sondern auch Dienstleistungen.
Der Verdacht, dass die erwünschte Wirkung jeder Mindestlohnerhöhung… rw
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Der Autor Remmer Witte vertritt in seiner Analyse die These, dass es nicht ausreicht, wenn lediglich staatlich verordnete Lohnanpassungen das Mittel zur Armutsbekämpfung sein sollen. Hier stellt sich eher die Frage, welche Instrumente gesellschaftlich alternativ zur Verfügung stehen könnten, um wirklich eine größere Lohngerechtigkeit zu erreichen. remmer Witte zählt einige Alternaiven auf, unter anderem auch ein Lohn-Gap, der Unternehmen verpflichtet, dass die Chefetage nur maximal das Fünffache dessen verdienen darf, was der Hilfsarbeiter bekommt.
Beitragsbild: Remmer Witte