Der Bundesverband Taxi und Mietwagen wünscht sich einen Tarifkorridor wie in München auch für die anderen Städte und Landkreise, dazu Mindestpreise für Mietwagen. Zeitungen berichten über die Münchner Neuerung.
Städte und Landkreise sollten das Vorbild aus Bayerns Landeshauptstadt aufgreifen – so die Kernaussage einer Stellungnahme des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) zu dem am kommenden Freitag, dem 1. September, in München in Kraft tretenden Taxi-Tarifkorridor. Dieser könne nach Ansicht des BVTM ein Modell für ganz Deutschland sein. „Wir würden damit drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Erstens wissen Verbraucher vor Fahrtantritt, was sie am Ziel zahlen müssen. Zweitens kann der Konkurrenzdruck gegenüber taxiähnlicher Mobilität wie Uber gemindert werden. Und drittens bleiben Fahrgästen höhere Preise durch Staus erspart“, sagte Michael Oppermann, Geschäftsführer des Verbandes.
München macht ab 1. September als erste Stadt Deutschlands Gebrauch von den neuen Möglichkeiten des Personenbeförderungsgesetzes. In Münchner Taxis kann bei der Vorbestellung über eine Taxi-App oder eine der Taxizentralen der Festpreis vereinbart werden. Die Fahrpreisermittlung durch Taxameter ist parallel weiter möglich. Die regelkonforme Einhaltung der Festpreisoption (z. B. ob die Preise innerhalb eines sogenannten Tarifkorridors eingehalten werden) wird behördlich überwacht.
Die erstmalig möglichen Festpreise für jede bestellte Fahrt stoßen auch auf Kundenseite auf großes Interesse, ebenso bei den Medien. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat einen Überblick gegeben, welche Städte das Modell der Festpreise innerhalb eines Tarifkorridors eventuell übernehmen wollen. Mehrere ihr angeschlossene Medien haben die Information weitgehend übernommen, haben aber unterschiedliche Überschriften gewählt und kommentieren die neue Regelung zum Teil.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat die dpa-Meldung mit „München führt als erste deutsche Stadt Taxi-Festpreise ein“ überschrieben und ihr eine Einleitung vorangestellt, die so klingt, als legten nicht die Behörden, sondern das Gewerbe selbst die Taxitarife fest. In der Süddeutschen Zeitung (SZ) lautet die Überschrift „Taxi-Festpreise sollen die Branche konkurrenzfähig halten“.
Die unter anderem von FAZ und SZ übernommene dpa-Meldung bezeichnet Uber & Co. als „Konkurrenz-Anbieter“, die mit der Festpreis-Idee schneller zu sein schienen. Zitiert wird Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Für ihn war die Festpreis-Regelung „dringend notwendig, damit die Taxibranche konkurrenzfähig bleiben kann“. Er hoffe auf rege Nutzung bereits zur demnächst startenden Mobilitätsmesse IAA und zum Oktoberfest ab 16. September.
Die der dpa angeschlossenen Nachrichtenportale fahren fort: „Vor allem junge Leute rufen am liebsten ein Uber oder ähnliche Anbieter. Ein paar Klicks auf der App und schon ist der Mietwagen samt Fahrer für die Wunschroute gebucht. Und auch der Preis steht gleich fest und ist obendrein meist deutlich günstiger. Reguläre Taxis, die sich an die von den Kommunen festgelegten Tarife halten müssen, nutzen die Jüngeren oft gar nicht mehr.“ Diese Passage, die sich wie ein von Uber bezahlter Werbetext liest, beschreibt ein ins Positive verzerrtes öffentliches Bild von Uber & Co., das das Resultat langer, fortgesetzter Behördenuntätigkeit in vielen deutschen Städten ist und zudem von Halbwissen bei den Medien zeugt, da Taxis nahezu europaweit nicht nur mit ebenso wenigen Klicks per App bestellbar und in viel mehr Städten auf diese Weise verfügbar sind, sondern dazu noch auf so einige weitere Arten, die Uber-Kunden nicht zur Verfügung stehen. Dennoch bringen die Medien so die Festpreisthematik in das Bewusstsein der Konsumenten – und hoffentlich auch der Behörden.
Dann wird wiederum BVTM-Präsident Herwig Kollar zitiert, der die Mietwagenfahrer als „teils illegal oder konzessionslos und zu unmenschlichen Konditionen“ arbeitend bezeichnet und von einem „Wegschauen der Ordnungsbehörden“ spricht, die „schlichtweg Angst vor juristischen Übergriffen der amerikanischen Plattformbetreiber haben“. Seine Forderung: Mindestpreise für den App-vermittelten Mietwagenverkehr, die sich am Taxitarif orientieren. „Nur so lassen sich Lohndumping und Steuerhinterziehung vermeiden.“
Die SZ zitiert daraufhin – anders als die FAZ – Uber-Sprecher Oliver Mattutat, der die „Anschuldigungen“ nicht auf sich sitzen lassen will. Die niedrigeren Preise bei Mietwagen hingen mit der besseren Auslastung der Fahrzeuge zusammen, stellte er klar. Eine plumpe Lüge als „Klarstellung“ zu bezeichnen, entspricht nicht gerade hohen journalistischen Standards. Mattutat begründet die oft billigeren Uber-Fahrpreise, die nachgewiesenermaßen nicht mit legalen Geschäftsmodellen angeboten werden können, mit der Behauptung, „Taxis stünden dreiviertel der Zeit rum und verdienten kein Geld, Mietwagen dagegen seien mehr als die Hälfte der Zeit im Einsatz.“ Auch Uber werde in München über die eigene App ab September bei Taxis die Festpreise ausweisen.“
Als weitere Städte, bei denen Tarifkorridore demnächst umgesetzt werden könnten, nennt die dpa Hamburg, Berlin und Leipzig. In Hamburg sei die Verwaltung dazu bereits im Gespräch mit dem Taxigewerbe, Berlin sei „für entsprechende Vorschläge aus der Branche offen“, wobei laut einer Sprecherin jedoch eine manipulationssichere und eichrechtlich zulässige Umsetzung gefunden werden müsse (Anm. der Redaktion: Einfach mal in München nachfragen, dort wird es sowohl eichrechtskonform wie auch manipulationssicher umsetzt). In Köln und Nürnberg gebe es dagegen noch keine amtlichen Überlegungen in Richtung Tarifkorridor.
Vom Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagen hat die dpa aber von „vielen Anfragen aus ganz Deutschland“ erfahren. Der LV-Vorsitzende Thomas Kroker hoffe, dass weitere Städte dem Münchner Vorbild folgen, und dass „der Markt der Mietwagen-Anbieter ebenfalls reguliert wird“.
Eine ebenfalls in weiten Teilen von der dpa übernommene Meldung hat das „Verbraucherportal“ mit der Online-Bezeichnung „Chip365“, ursprünglich als Computer-Zeitschrift „Chip“, veröffentlicht. Hier lautet die Überschrift „Uber macht Druck: Stadt München will Taxis retten und erlaubt Rabatt-Preise“. Das kann den Eindruck erwecken, die Taxibranche wolle im Wettbewerb mit Uber billiger sein. Die Stadt München hat die Untergrenze (fünf Prozent unter dem üblichen Taxitarif) aber bewusst gesetzt, weil sie keinen Dumping-Wettkampf will. Das unterstreicht der Schlusssatz von Thomas Kroker, den die dpa zitiert: „Phasenweise sind auf Münchens Straßen mehr sogenannte Mietwagen als echte Taxis im Einsatz, größtenteils von auswärtigen Betrieben, die in München keine Gewerbesteuer bezahlen“. Krokers Wunsch: „Kein Wildwuchs, sondern ein geordnetes Gewerbe“.
Auf eine Einführung von Festpreisen und Tarifkorridoren auch in anderen Städten, vor allem in Berlin, drängt konkret der Bundesverband BVTM: „Die Mehrheit der Fahrgäste wünscht sich Festpreise schon lange. Leistungen, die auf modernen Wegen wie Apps bestellt werden, müssen auch mit der Zeit gehen – und einen Festpreis haben. Wer den Fahrpreis vorher weiß, muss keine bösen Überraschungen befürchten, wenn Umleitungen oder Staus die Fahrt verzögern“, sagte Hermann Waldner, BVTM-Vizepräsident und Geschäftsführer der größten deutschen Funkvermittlung Taxi Berlin. Für einen fairen Wettbewerb müssten auch Mindestpreise für Mietwagen festgelegt werden, die sich am Taxitarif orientieren. Nur so könne es einen fairen Wettbewerb geben, betonte Waldner und fügte hinzu: „Wer auf dem Verkehrsmarkt der Zukunft bestehen will, muss sogenannte Reiseketten anbieten. So können Kunden den kompletten Weg von A nach B mit mehreren Verkehrsmitteln wie Flugzeug, Zug oder Taxi buchen – und für die ganze Reise wird ein Gesamtpreis berechnet.“
In Deutschland gibt es über 800 verschiedene Tarifgebiete, die von kommunalen Gremien festgelegt werden. Die Ordnungsbehörden können seit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), die am 1.8.2021 in Kraft trat, auch Festpreise bestimmen. Für die Bundeshauptstadt drängt Waldner darauf bereits seit Jahren: „Das Taxi ist Teil des ÖPNV. Das heißt, wir machen die Preise nicht selber, die Stadt Berlin gibt die Tarife vor – wir fordern schon seit längerem, dass auch Festpreise möglich sein müssen“, so Waldner. München hat eine solche Forderung als erstes Tarifgebiet Deutschlands zum 1.9.2023 umgesetzt.
Eine weitere Forderung des Verbandes ist die umgehende Einführung von Mindesttarifen für Mietwagen. „Nur so kann ein fairer Wettbewerb und ein ausgeglichener Markt gesichert werden, damit Uber und Co nicht mit Billigtarifen unterwegs sein können“, sagte Vorstandsmitglied Gregor Beiner, zugleich Geschäftsführer des Münchner Taxi-Zentrums. Auch Beiner sieht in den Münchner Festpreisen ein Modell für ganz Deutschland. „Die Verbraucher wissen vor Fahrtantritt, was sie am Ziel zahlen müssen. Das ist wichtig, denn bei jedem Zugticket oder bei jeder Bahnfahrkarte weiß ich vor Fahrtantritt, was mich die Reise kostet. Das Taxi war bisher eine Ausnahme.“ In allen anderen Tarifgebieten ist das Taxi noch immer die Ausnahme – höchste Zeit, dass die Behörden in allen deutschen Bundesländern sich ein Beispiel an München nehmen. ar
Beitragsbild: Symbolfoto Axel Rühle