Mitte März, als in Österreich ein striktes Kontaktverbot galt, hatte die Wiener Regierung ein Herz für Senioren gezeigt und Taxi-Gutscheine mit einem Budget von 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Doch eine aktuelle Bilanz zeigt, dass nur ein Bruchteil davon abgerufen wurde.
Wie hoch die Summe der eingelösten fahrten genau ist, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Die Partei Neos spricht von 870.00 Euro und beruft sich dabei auf Aussagen eines Ausschusses. Das wären nicht einmal sechs Prozent der budgetierten Summe von 15 Millionen Euro. Die Stadt Wien hatte gegenüber dem ORF von 1,5 Millionen gesprochen. Jede Wiener Bürgerin oder Bürger über 65 Jahre hatte einen Taxigutschein im Wert von 50 Euro beantragen können, um in Corona-Zeiten bei den unvermeidlichen Arztbesuchen oder Einkaufsbesorgungen das Infektionsrisiko durch mögliche Kontakte in den Bussen und Bahnen zu minimieren.
Außerdem wollte man jenen Senioren, die in dicht besiedelten Gebieten wohnen, die Chance geben, an den Stadtrand ins Grüne zu fahren, um dort eine sauerstoffreiche Abwechslung vom Eingesperrt-Sein zu erleben. Laut ORF hatten 108.500 Wienerinnen und Wiener über 65 Jahre Gutscheine im Wert von rund 5,5 Millionen Euro beantragt.
Ausgestellt und abrechnet wurden die Gutscheine von den beiden Wiener Taxizentralen 40100 und 31300, beantragt werden mussten sie jedoch bei der Stadt, was bei vielen Seniorinnen nicht so ganz klappte, wie den zahlreichen Leserkommentaren im Anschluss an die damalige Taxi-Times-Meldung zu dieser Aktion zu entnehmen ist.
So monierten einige, dass eine Internet-Bestellung der Gutscheine nicht möglich gewesen sei: „Beim Telefon hebt niemand ab. und die E-Mail Adresse stimmt nicht“, schreibt beispielsweise Carola Dworak. Maria Stübegger widersprach dieser Darstellung: „Habe per E-Mail meine Taxi Gutscheine beantragt und heute bekommen. Also die E-Mail Adresse stimmt.“
Die Stadt hatte die berechtigten Senioren / Innen per Brief benachrichtigt, um die Gutscheine kümmern mussten sich dann die Senioren selber. „Besser wäre gewesen, jedem gleich Gutscheine zu senden“, schreibt dazu Hedwig Schneider. „Viele Gutscheine werden nicht beantragt, da viele alte Leute sich nicht auskennen. Schade, die Idee wäre sehr gut.“
Die Idee war gut, doch aus der Sicht der Partei „Neos“ war die Aktion ein „Flop“ und ein „,Wahlkampfschmäh“. „Wir sehen, dass die Gutscheinpolitik völlig verfehlt ist“, polemisiert Christoph Wiederkehr, Chef der Wiener Neos, gegenüber österreichischen Medien.
Noch ist die Gutschein-Aktion nicht beendet, sie können bis Oktober eingelöst werden. Vielleicht greifen dann Seniorinnen wie Christa Athanasiadis noch darauf zurück. Sie hatte bei Taxi Times geschrieben, dass sie sich die Gutscheine aufheben werde – für die Zeit, wenn Pensionisten wieder aus dem Haus gehen dürfen.
Frau Athanasiadis spielt damit auf diejenigen an, die zwar gutscheinberechtigt waren, aber als Bewohner von Alten- und Pflegeheimen ein Ausgehverbot hatten. „Die Bewohner von Pensionisten Wohnhäuser, erhalten auch dieses Angebot“, berichtet Helga Vajay. „Jedoch ist diesen Personen der Ausgang versperrt und sie dürfen die Häuser nicht verlassen. Ist doch sicher ein Spott für diese armen Menschen, wenn sie lesen müssen, dass sie mit Taxi Gutscheine ins Grüne fahren könnten.“ jh
Anmerkung der Redaktion: Die jetzt veröffentlichten Zahlen gehen unter anderem auf eine Initiative der Neos-Partei zurück. Es ist sicherlich schade, dass sie bisher nur von einem geringen Teil der berechtigten Seniorinnen und Senioren eingelöst wurden.
Doch deshalb von einer verfehlten Gutscheinpolitik zu sprechen, ist bei eingelösten Gutscheinen im Wert von 1,5 Millionen Euro völlig daneben. Die Neos sind ähnlich wie die FDP in Deutschland glühende Verfechter der Shared Economy und lassen nichts unversucht, um den neuen ausschließlich appbasierten Fahrtenvermittlern den gesetzlichen Rahmen zur Legalisierung ihrer Geschäftsmodelle zu bereiten.
Wiederkehr spricht deshalb auch libeer von 870.000 € und nicht von den 1,5 Millionen Euro, welche von der Stadt gegenüber dem ORF angegeben wurden. Damit lassen sich die Parteien besser angreifen, welche die Gutschein-Aktion bewilligten und die auf Bundesebene letztes Jahr eine Taxireform verabschiedet haben, die den Taxiverkehr mit dem Mietwagen gleichstellt. Das gefällt Uber nicht und gefällt den Neos nicht und dürfte daher die wahre Absicht sein, die hinter Wiederkehrs Kritik steht. Wer allerdings so plump Wahlkampf betreibt, darf andere nicht des „Wahlkampfschmähs“ bezichtigen.
Leider hab ich keinen Gutschein bekommen