Arbeitgeber der Taxi- und Mietwagenbranche und anderer Niedriglohnbranchen sollten gerade jetzt, nach der deftigen Mindestlohnanpassung, alte Lohnpfändungen noch einmal genau prüfen, da es ansonsten sehr teuer werden kann.
Ergibt sich durch das erhöhte Einkommen nunmehr ein pfändbarer Lohnbetrag, kann es im Zweifel sehr teuer für Arbeitgeber werden, die hier nicht zeitnah aktiv werden. Denn kommt der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen zur Einbehaltung pfändbarer Lohnanteile nicht nach, addieren sich im Zweifel die Forderungen zu seinen Lasten auf.
Es kommt heutzutage leider regelmäßig vor, dass Arbeitgeber für einzelne Beschäftigte Lohnpfändungen erhalten. Hier gilt es zunächst, zum Zeitpunkt des Eingangs des sogenannten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) zu prüfen, ob sich pfändbare Lohnanteile ergeben. Diese sind dann ggf. einzubehalten und dem Gläubiger zukommen zu lassen. Im Ergebnis liegt gerade im Niedriglohnsektor häufig eine zwar berechtigte Forderung eines Gläubigers vor, welche aber mangels ausreichendem Einkommen nicht befriedigt werden kann und muss. So landen solche Pfändungstitel häufig zunächst im Personalordner. Hier können sie aber zu einer tickenden Zeitbombe werden, die dem Arbeitgeber im Zweifel sehr weh tun kann.
Die besondere Tücke liegt darin, dass solch ein Beschluss zwar ruht, damit aber keinesfalls seine Rechtskraft verliert. Ergibt sich in der Folgezeit nach Eingang des Beschlusses doch noch mal ein pfändbares Einkommen, welches der Arbeitgeber einzubehalten hat, beispielsweise durch eine Lohnerhöhung, muss er nämlich unaufgefordert aktiv werden. Merkt das keiner und der Gläubiger verlangt erst zu einem weit späteren Zeitpunkt eine rückwirkende Überprüfung der Einkommensverhältnisse, kann dieser ggf. auch rückwirkend die gesamten pfändbaren Beträge einfordern, die sich in der Zwischenzeit ergeben hätten. Das pfändbare Einkommen des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber dafür allerdings unangetastet lassen, denn dieser muss ja noch sein Leben finanzieren können. Folglich muss er diese Summe im Zweifel aus eigenen Mitteln vorstrecken.
Auf diese Weise kann es also geschehen, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Gläubiger für die gesamte Forderung oder eine größere Teilsumme in Vorleistung treten muss, die er sich selbst nur in klitzekleinen Schritten von seinem Arbeitnehmer wieder zurückholen kann. Kündigt der Arbeitnehmer in dieser Zeit oder reduziert auch nur seine Arbeitsleistung, so dass er wieder unter dem Pfändungsfreibetrag liegt, geht der Arbeitgeber im Zweifel sogar ganz leer aus. Er kann nun zwar selber einen sogenannten Titel erwirken, aber wenn überhaupt, kann es dann im Zweifel sehr lange dauern, bis dieser tatsächlich durch den Arbeitnehmer wieder ausgelöst wird.
Mit der Anfang Oktober umgesetzten Mindestlohnerhöhung steigt das Vollzeitmindestlohneinkommen für Singles in nur einem Jahr von ca. 1.245 Euro zum Zeitpunkt Oktober 2021 auf ca. 1.461 Euro zum Zeitpunkt Oktober 2022. Das Einkommen lag zuvor also unter der Pfändungsuntergrenze von 1.291 Euro für Singles ohne Unterhaltsverpflichtungen, beinhaltet jetzt aber einen pfändbaren Lohnanteil von 170 Euro. Fragt der Gläubiger dann im nächsten Oktober nach, welches Einkommen erzielt wurde, stehen ihm schon 1.700 Euro als Einmalzahlung zu Lasten des Arbeitgebers zu. Und dies gilt, ohne dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, sich diese Summe vom Arbeitnehmer zurückzuholen, bevor die gesamte Forderung abgewickelt ist, denn zusätzlich müssen die 170 Euro in den Folgemonaten regelmäßig an den Gläubiger abgeführt werden.
Wer jetzt also einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) bekommt, muss reagieren und die Drittschuldnererklärung abgeben. Kommt man der Erklärungspflicht nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, macht man sich gegenüber dem Gläubiger evtl. schadenersatzpflichtig. Hier wird dann erklärt, ob und inwieweit die Forderung als begründet anerkannt wird, ob Zahlungsbereitschaft besteht, ob andere Personen Ansprüche machen oder ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet ist.
Liegen mehrere Pfändungen vor, müssen Arbeitgeber zuerst diejenigen befriedigen, deren Pfändung sie zuerst erhalten haben. Erst wenn diese Forderung vollständig beglichen ist, darf an den nächsten Gläubiger gezahlt werden. Verstößt der Arbeitgeber gegen dieses Prioritätsprinzip, wird er gegenüber dem vorrangigen Gläubiger nicht von der Zahlungspflicht befreit und muss ggf. doppelt zahlen. Arbeitgeber müssen zur Zeit also zum einen verstärkt mit neuen Pfändungsschreiben rechnen und dabei zum anderen höllisch aufpassen, dass sie keine alte schon vorliegende Pfändung im Lohnordner vergessen, die so Doppelzahlungsverpflichtungen zur Folge haben könnten. Ist man unsicher, welcher Gläubiger der vorrangige ist, kann man den pfändbaren Betrag übrigens zunächst beim zuständigen Gericht hinterlegen, um Doppelzahlungen zu vermeiden.
Um die möglicherweise pfändbaren Gehaltsanteile zu ermitteln, muss zunächst bekannt sein, ob – und wenn ja, für wie viele Menschen – der Schuldner unterhaltspflichtig ist. Aus der Pfändungstabelle lässt sich dann der Wert entnehmen, der für diesen Schuldner als nicht pfändbares Einkommen gilt. Im Rahmen von Unterhaltsforderungen sind einige Gerichte inzwischen jedoch dazu übergegangen, den Pfändungsfreibetrag für diese Forderung herabzusetzen. Immer dort, wo es um Kindesunterhalt geht, sollte man sich daher den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ganz besonders genau anschauen, denn solche – ja sehr relevanten – Hinweise werden leider häufig relativ versteckt und kaum leserlich auf den PfÜB geschmiert.
Danach gilt es, die überhaupt pfändbaren Lohnanteile aufzuaddieren. Nicht pfändbar sind z. B. die Hälfte des für Mehrarbeitsstunden gezahlten Teils des Arbeitseinkommens oder auch steuerfreie Bezüge für Nacht-, Sonn und Feiertagsarbeit. Auch Corona-Prämien sind nicht pfändbar, wie wohl auch die Energiepreispauschale. Eine Pfändung betrifft immer nur den Teil des pfändbaren Nettoeinkommens, welcher die Freigrenzen überschreitet. Zu guter Letzt kann man Kontakt zu dem Gläubiger aufnehmen und versuchen, eine vereinfachte Monatszahlung eines immer gleichen Pauschalbetrages zu vereinbaren, um das Chaos monatlich wechselnder Beträge zu vermeiden. Hier wird man bei den Gläubigern meist auf Verständnis und Kooperationsbereitschaft stoßen.
Bei den Gläubigern dürfte dabei derzeit Goldgräberstimmung herrschen, denn die Inkassounternehmen werden ihre Chance, für bis Dato mangels Masse ruhende Forderungen nach der Mindestlohnanpassung nunmehr pfändbare Beträge einzufordern, sicherlich längst erkannt haben. Sie können diese in aller Ruhe peu á peu umsetzen, denn im Zweifel muss der sogenannte Drittschuldner ja eben rückwirkend aus eigener Tasche zahlen. Ob man es nun als gerecht oder ungerecht empfindet, beim Thema Lohnpfändung ist arbeitgeberseitig derzeit höchste Aufmerksamkeit gefordert, wenn man sich nicht selbst eine Grube graben will. rw
Beitragsfoto: Remmer Witte