In Regensburg traf sich die am längsten bestehende Taxi-Erfa-Gruppe. Hauptthemen waren neben dem namensgebenden Erfahrungsaustausch und der kommenden TSE-Pflicht die permanente Knebelung des Gewerbes durch den Mindestlohn und der ewige Kampf gegen Uber.
Alexander Pantilov und Wiland Brodka hatten nach einer längeren Pause wieder eingeladen.
Brodka mit seinen Mehrwagenbetrieb in Korschenbroich am Rande von Düsseldorf sieht sich in einer Klemme zwischen den – nach ARD-Recherchen eindeutig nur mit illegalen Vorgehensweisen existenzfähigen – Uber-assoziierten Betrieben und dem zu Jahresbeginn drastisch erhöhten Mindestlohn, der zum kommenden Jahreswechsel erneut steigt. Wo – wie in Düsseldorf – 1.200 Taxis mit 2.500 Mietwagen konkurrieren müssen, sieht er seine Existenzgrundlage akut gefährdet, denn der Mindestlohn zwinge ihn, auch für frei verhandelbare Fahrten erhebliche höhere Fahrpreise aufzurufen als Uber.
Immerhin gelinge es nun aufgrund des großen Engagements des Düsseldorfer Rhein-Taxi-Strategen Michael Mühlin so langsam, auch die Linienverkehrsbetreiber im ÖPNV für die Gefahr zu sensibilisieren, welche die Plattformanbieter für den Nahverkehr darstellten. Zusätzlich habe eine Aktion nach der Karnevalszeit, bei der zeitweilig ein pauschaler Fahrpreis von 6,50 Euro für alle Fahrten angeboten wurde, auch Fahrgäste aus Bus und Bahn abgeworben und diese Gefahr somit offensichtlich gemacht.
Andere Teilnehmer konnten berichten, dass Uber inzwischen 40 Prozent der Fahrpreise als Provision verlange. Um sich als lokales Uber-Fahrzeug zu präsentieren, ohne städtischen Kontrollen unterworfen zu sein, gebe es inzwischen Betriebe, die ihre Fahrzeuge zunächst in einer Metropole anmelden, um sie dann in eine ländliche Gemeinde umzumelden, wobei sie jedoch die neue Option nutzen, ihr Metropolenkennzeichen zu behalten. Damit können die Fahrzeuge irgendwo konzessioniert werden, aber trotzdem das „richtige“ Kennzeichen haben.
Erfreulich sei immerhin, dass in Düsseldorf inzwischen keine Wegstreckenzählerbefreiungen mehr erteilt würden. Einig war man sich aber auch in dieser Runde, dass eigentlich nur die Einführung von Festpreisoptionen über Tarifkorridore in Verbindung mit Mindestbeförderungsentgelten (MBE) für Mietwagenfahrten sowohl die Plattformanbieter als auch mögliche Dumpingspiralen von Mietwagenbetreibern im ländlichen Raum stoppen können.
Deniz Köse aus München (Taxi am Ostbahnhof) berichtete dazu von ersten Erfahrungen mit dem Münchener Tarifkorridor. Von Anfang an hätten die Kunden das neue Angebot dort sehr gut angenommen, und es sei ein echter Fortschritt, wenn Preisanfragen endlich auch vom Taxigewerbe mit einem klaren Angebot beantwortet werden könnten. Etwas länger dauere es aber wohl noch, bis auch die Fahrer verstanden hätten, wie sie die vorgegebenen Festpreise in die Taxameter eingeben könnten, denn dies sei teilweise – zumindest bei bestimmten Taxameter-Modellen – kompliziert.
Gleichzeitig seien die Münchener Kunden aber auch sehr preisaffin. Speziell junge Leute wählten hier stets gnadenlos das günstigste Angebot. Zwar könne das Münchener Taxigewerbe auf Basis vergangener Qualitätsoffensiven immer noch den Joker ausspielen, sich erheblich dienstleistungsorientierter mit einem vielfach besseren Fuhrpark als die Plattformkonkurrenz zu präsentieren, aber dieser Unterschied sei in der Vergangenheit schon größer gewesen und schwinde inzwischen zunehmend. Ohne eine ergänzende Mindestpreisregelung könne also allein der Tarifkorridor die Wettbewerbsnachteile der Branche gegenüber Anbietern wie Uber nicht aufheben.
Entsprechend lauschte die Runde dann gespannt der Vorstellung des „Nürnberger Weges“ zu möglichen Mindestentgelten für Mietwagen durch Christian Linz, der dieses Projekt in seiner Funktion als Vorsitzender der Nürnberger Genossenschaft und als stellvertretender Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes inzwischen weit nach vorne gebracht hat. Auf dem Weg zur Nutzung dieses neuen Tools aus der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) habe man in Nürnberg als essentiell erarbeitet, die gewollte Stoßrichtung des PBefG zu Mindestbeförderungsentgelten genau aufzunehmen. Im PBefG gehe es nämlich nicht darum, eine Branche vor einer anderen zu schützen, sondern um den Schutz öffentlicher Verkehrsinteressen.
Das öffentliche Verkehrsinteresse erfordere funktionstüchtige Nahverkehrsangebote, und daher dürfe deren Existenz nicht durch Dumpingangebote gefährdet werden – weder im Linien-ÖPNV noch im 24/7-Gelegenheitsverkehr. Damit unterscheide sich diese Motivation von der der klassischen Gewerbe-Funktionsfähigkeit gemäß Paragraf 13 PBefG.
Es sei sehr wichtig, diese Stoßrichtung durchgehend in allen Argumentationen zu beachten, um sich in der Folge keine unerlaubten Eigeninteressen unterstellen lassen zu müssen. Genauso wichtig sei es, auch das Netzwerk der Antragstellung intelligent aufzubauen. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) böte sich als vermeintlich neutrales Zugpferd der Antragsstellung an. Wenn nun idealerweise sowohl Taxler als auch ÖPNVler, Behörden, Politik und bestenfalls, so lokal vorhanden, auch „gute“ Mietwagen beispielsweise aus dem Krankenfahrtsegment die Säulen des Antrages stellten, könne sich diese Allianz als regionales Bollwerk gegen externe Plattformangreifer darstellen und so viele Entscheider erheblich besser überzeugen, als wenn nur ein paar Taxler um Unterstützung bäten.
Zusätzlich sei es wichtig, die Forderung eng zu begrenzen. Über einen Vorbestellzeitraum, welcher von der MBE-Pflicht ausgenommen sei, werde beispielsweise klar, dass es ausschließlich um eine Beschränkung im taxiähnlichen Verkehr gehe, während der klassische Mietwagenverkehr ausgenommen bleibe. Für Nürnberg hatte Linz dann im Ergebnis in Abstimmung mit dem Branchenjuristen Dr. Thomas Grätz eine Allgemeinverfügung entworfen, welche die Einhaltung der MBE für Mietwagenkonzessionäre so zu einem Zuverlässigkeitskriterium machte. Dies sei essenziell, da das PBefG selber ja keine Sanktionen bei Verstößen gegen die Regelungen aus Paragraf 51A PBefG vorsieht.
Zum Abschluss seines Vortrages musste Linz dann jedoch berichten, dass er inzwischen seine Funktion im Nürnberger Taxigewerbe aufgeben musste und sich daher nicht sicher sei, ob Nürnberg als MBE-Vorreiter diese nun auch tatsächlich realisieren könne und wolle. Er hofft jedoch, dass nun entweder doch noch die Nürnberger oder aber vielleicht auch andere urbane Räume sein Modell realisieren werden. Bei dem Entwurf habe er sich auch regelmäßig mit MdB Michael Donth (CDU) ausgetauscht, der als Berichterstatter aus dem Verkehrsausschuss maßgeblich daran beteiligt gewesen sei, diese neue Option, überregionale Plattformanbieter zu bremsen, in das PBefG zu integrieren. Und auch Donth habe die Umsetzung über den so genannten „Nürnberger Weg“ als sehr erfolgsversprechend begrüßt.
Abschließend diskutierten die ERFAler noch die Optionen, wie sich ihr Taxifuhrpark zukünftig erneuern ließe. Hier überzeugt inzwischen Tesla als überraschend zuverlässige E-Limousine die Mehrzahl der Teilnehmer, während im klassisch-karbonisierten Segment der Hyundai Staria als echter Acht-plus-eins-Sitzer offensichtlich ein großes Potential für die Branche aufweist.
Zum Abschluss verabredeten die Teilnehmer, dem ERFA-Gedanken in Zukunft noch einmal neuen Schwung zu verleihen, indem man Synergien innerhalb der verschiedenen ERFA-Gruppen suche. Bestimmte Themen wie beispielsweise die steuerliche Handhabung der Betriebe sei doch auch gruppenübergreifend darstellbar, und auch andere Themen könnten bei allen ERFAs gleichermaßen auf großes Interesse stoßen. Einig war man sich auch, dass die Idee des überregionalen Erfahrungsaustausches zwischen verschiedenen Unternehmen nach wie vor ein tolles Modell zur Inspiration der Teilnehmer sei. rw
Beitragsfoto: Remmer Witte
Wenn Herr Brodka sich offensichtlich bezüglich des Mindestlohns mit Begriffen wie „Klemme“ und „drastisch“ äußert und sich durch die Form der Entlohnung offensichtlich einem Zwang ausgesetzt sieht, dann steht er bei dieser Wortwahl schon in der moralischen Pflicht, seinen Mitarbeiter*innen zu erklären, auf welcher Basis er diese denn sonst bezahlen möchte. Möchte er zurück zur Umsatzbeteiligung? Würde er gerne etwas weniger bezahlen? Darf es vielleicht sogar etwas mehr sein?
Und die Frage sollte erlaubt sein:
Wie wohl fühlen sich die Mitarbeiter*innen im Betrieb von Herrn Brodka, wenn der Chef die niedrigstmögliche Entlohnung in Deutschland als eine so große Belastung wahr nimmt? Und vielleicht sogar – zumindest die Formulierung in der Einleitung lässt den Rückschluss zu – als „permanente Knebelung“, also als etwas schrecklichst Gewaltsames empfindet….Also, ich möchte nicht bei jemandem arbeiten, der am Schreien gehindert wird. Der muss echt wütend sein. Klingt erst einmal nicht nach gutem Betriebsklima.
Außerdem sollte jetzt auch mal Schluss sein mit dem Beklagen über die 12€ – die Unternehmen haben ja jetzt ihre „Rache“ gekriegt: Nur 2x 41 Cent, das ist gut und super planbar, oder?! Den Mitarbeiter*innen bleibt der „Knebel“ allerdings im Hals stecken…