Beim diesjährigen Parlamentarischen Abend des BVTM hielt Thomas Kiel d’Aragon vom Deutschen Städtetag einen Impulsvortrag. Er meint, bei der seit 2021 gültigen Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) seien wesentliche Dinge verkannt worden.
Wer sich für fairen Wettbewerb in der Personenbeförderung und somit gegen Uber und Bolt einsetzt, ist in der Regel dem Allgemeinwohl verpflichtet. Wer sich dagegen für Marktliberalisierung und Handlungsfreiheit der Plattformanbieter starkmacht, ist in der Regel seinem persönlichen Geldbeutel und dem Wohl einer Handvoll Milliardäre verpflichtet.
Zur ersten der beiden Gruppen zählen die drei Organisationen, die gemeinsam die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände bilden: der Deutsche Städte- und Gemeindebund e. V. (DStGB), der Deutsche Landkreistag e. V. (DLT) und der Deutsche Städtetag (DST). Beim letzteren ist Thomas Kiel d’Aragon Referent für Verkehr.
Kiel d’Aragon, der beim Parlamentarischen Abend des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) in Berlin nach BVTM-Präsident Herwig Kollar redete und sich auf dessen Ausführungen bezog, sprach eingangs davon, dass sein Verein und das Taxigewerbe „dicht beieinander“ seien, zumal der DST und der BVTM bereits gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt haben und Städte in der Ausführung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) unterstützen.
Mit der PBefG-Novelle sei den Kommunen 2021 eine Rolle zugedacht worden, die „so nie formuliert worden ist“, nämlich als Richter eines Playing-Fields, die aufpassen sollen, dass nichts schief geht. Das seien auch ein, zwei Städte in Deutschland bereits ganz offensiv angegangen, etwa Leipzig [und Heidelberg]. Dass auch andere Städte einen solchen Weg einschlagen wollen, habe den klaren Hintergrund, dass in den Genehmigungsvorschriften des PBefG zwei wesentliche Dinge verkannt worden seien:
Zum einen wurde den Plattformanbietern kein eigenes Genehmigungsverfahren auferlegt, was zu der Dichotomie [Abspaltung] geführt habe, dass diese sich damit herausreden, gar keine Beförderer zu sein, sondern sich nur andrer zu bedienen, und solange die es sind, die eventuelle Verstöße begehen, sei für die Plattformvermittler doch alles gut.
Eine andere „Umgehungsform“ sei, dass es viel Linienbedarfsverkehr gebe, jedoch kaum Genehmigungsanträge für gebündelten Bedarfsverkehr. Den Grund dafür sieht Kiel d’Aragon darin, „dass alle in dieser Mietwagencharge bleiben“. Was die kommunalen Spitzenverbände umtreibe, sei der Umstand, dass die Genehmigungen nicht an den Orten erteilt werden müssen, wo gefahren wird. Kiel d’Aragon wies darauf hin, dass in Düsseldorf oder in Frankfurt schon vor zehn Jahren Unternehmer beobachtet wurden, die von weit außerhalb in die Stadt reinfahren, um dann dort ihre Beförderungsleistung anzubieten. Mittlerweile habe man das auch großflächig in Berlin und Brandenburg. Wenn ein solcher Mietwagen im Stadtgebiet fährt, seine Zulassung aber außerhalb hat, bereite dies den Behörden große Schwierigkeiten und verlange den Städten bedeutend mehr ab, um regulativ tätig zu werden.
Wolle man gegen die Genehmigungsinhaber tätig werden, müsse dies im Schulterschluss zwischen Stadt und Landkreisen geschehen, um der Lage Herr zu werden. Das Problem habe den Deutschen Landkreistag noch mehr aufgeschreckt als den Städtetag, da in den Landkreisen [wo teilweise Massen an Mietwagen konzessioniert sind und Fluten von Anträgen gestellt werden] jetzt die Forderungen laut werden, dass die Behörden regulativ tätig werden.
Auch andere Dinge aus der PBefG-Novelle bezeichnete Kiel d’Aragon in seiner sehr lebendigen Rede als besorgniserregend: Nach der Abschaffung der Ortskundeprüfung mit dem ursprünglich vorgesehenen Ersatz durch die Kleine Fachkunde hatten sich Bund und Länder kürzlich auf Arbeitsebene verständigt, dass es diesen Ersatz nicht geben soll. Dafür hat Thomas Kiel d’Aragon keinerlei Verständnis, da das PBefG schließlich kein Spaß sei, sondern es um massive Interessen gehe und es schon fast kriegsartige Zustände unter den Beteiligten gebe. „Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Friedensplan, und da stehen zehn Punkte drin […], und hinterher werden nur neun umgesetzt, weil man vier Jahre später sagt: Ja tut mir leid, wir hatten zwischendurch einen Verkehrsminister, der wollte das nicht, und jetzt haben wir gerade eine andere Debatte darüber, dass wir deregulieren wollen, und machen das einfach nicht mehr.“ Das führe zu Verschnupfungen.
Die kommunalen Spitzenverbände hätten daher eine Kleine Fachkunde gewollt, weil sie Qualität als wichtiges Merkmal der Personenbeförderung ansehen. Es könne nicht sein, dass die Anforderungen an Fahrer im Güterverkehr höher seien als in der Personenbeförderung. Auch den damaligen Wegfall der Ortskundeprüfung kritisierte Kiel d’Aragon indirekt: Zu sagen, „den dazugehörigen Ort kann ich heute auch aus einer App erfahren“, mache seiner Ansicht nach nicht die Qualität einer Fahrerin oder eines Fahrers aus. Für diese Aussage bekam Kiel d’Aragon spontan Beifall.
Was die laufende Evaluation des PBefG betrifft, seien er und sein Kollege aus dem Landkreistag, die den Prozess begleiteten, mit dem Verlauf „nicht so sonderlich glücklich, weil man da auch den Finger nicht in die Wunde legt“. Man frage dort nicht nach dem Mietwagenverkehr als Ausweichstelle, sondern habe sich auf gebündelten Bedarfsverkehr und Linienbedarfsverkehr fokussiert (später stellte dann der BVTM-Geschäftsführer Michael Oppermann klar, dass die Evaluation sogar nur die Punklte Inklusion und Gebündelten Bedarfsverkehr umfasse und die zögerliche Entwicklung bei Festpreisen und Mindestbeförderungsentgelten völlig außen vor lasse).
Die Verkehrsformen, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass Plattformen an Bedeutung verlieren würden, verzeichnen nur wenig Zuwachs. „Da ist die Rechnung nicht aufgegangen“.
Abschließend lobte Thomas Kiel d’Aragon den BVTM und die ihm angeschlossenen Landesverbände und Taxizentralen für die Klagen, die sie im Laufe der Jahre angestrengt hatten. Dies hätte zur Klärung der Frage beigetragen, ob Uber die Hoheit hat und bestimmte Dinge systembedingt betreibt, anderen aber die Verantwortlichkeit überlässt. Er bezog sich auf das kürzlich gesprochene Urteil, mit dem das Landgericht Köln eindeutig klargestellt hatte, dass die aktuelle Ausgestaltung der UberX-App wettbewerbswidrig ist, gegen das PBefG verstößt und sie deshalb so nicht eingesetzt werden darf.
Der Deutsche Städtetag (DST) ist ein nicht eingetragener Verein mit sieben Dezernaten. Im Dezernat V – Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr – ist Thomas Kiel d’Aragon Referent der Abteilung Verkehrswesen, Verkehrsinfrastruktur, Personenbeförderung, Güterverkehr und Logistik. Bei der Expertenanhörung des Deutschen Bundestages am 22.2.2021 im Zuge der Vorbereitung der PBefG-Novelle war er neben Herwig Kollar als einer der Experten befragt worden. ar
Beitragsbild: Thomas Kiel d’Aragon; im Hintergrund Herwig Kollar; Foto: Axel Rühle








