Teil zwei der Taxi Driving Innovation in Berlin beschäftigte sich mit den Krankenbeförderungen und zeigte dabei sowohl die hohe Relevanz dieses Themas als auch viele vor allem bürokratische Hemmnisse auf, die sinnvolle Abwicklungen der Aufträge vielfach erschweren.
Das Podium war diesmal besetzt von „der Fachfrau für Krankenfahrten“ Gisela Spitzlei von der Spitzlei Abrechnung GmbH, dem Bundestagsabgeordneten Dr. Georg Kippels von der CDU und Wolfgang Oertel als Präsidiumsmitglied des ausrichtenden BVTM, der mit einem Impulsvortrag in das Thema einführte.
Die Wichtigkeit der Krankenbeförderungen mit Taxi- und Mietwagen sei natürlich innerhalb des Gewerbes bekannt, liefe aber häufig unter dem Radar der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Jeder vierte Fahrauftrag der Branche sei eine Patientenfahrt, regional und strukturell natürlich unterschiedlich ausgeprägt, aber gleichermaßen wichtig im ländlichen und urbanen Raum.
Die unersetzliche Leistung sei dabei die Punktverfügbarkeit von Taxi und Mietwagen, die – entgegen der Wahrnehmung der Krankenkassen – eben nicht an der Bordsteinkante ende. Gerade in Zeiten der Zentralisierung von Gesundheitsleistungen sei Mobilität dabei eine Voraussetzung für Gesundheit.
Eine Bündelung der Fahrten zu Sammelfahrten seitens des Gewerbes ist sicherlich problemlos möglich. Problematisch sind jedoch die Abläufe in den Behandlungszentren, der Patientenschutz oder auch datenschutzrechtliche Bedenken. Auch im Interesse des Gesundheitswesens müssen die Fahrgäste zeitgenau befördert werden. Insbesondere bei den Rückfahrten ist das wichtig, damit die Räumlichkeiten der Gesundheitszentren nicht überlastet werden und zusätzliche Infektionsrisiken erst geschaffen werden. Letztendlich stellt sich die generelle Frage an die Gesellschaft, welche Wartezeiten den Patienten zuzumuten sind.
Rechtsbegründende Grundlage für die Kostenübernahme der Fahrten durch die Krankenkassen ist dabei oft die Muster-4-Verordnung, landläufig Krankentransport oder KTS genannt. Dessen Dilemma es oftmals ist, dass die Krankenkassen, für die Kostenübernahme der Fahrten, eine exakte Ausfüllung des Formulars voraussetzten. Dies nehmen die Ärzten oftmals nicht ganz so genau und die Patienten kontrollieren nur selten, was auch eine genaue Kenntnis der Materie voraussetzt. Leidtragende am Ende der Kette sind dann die Beförderer, da die Krankenkassen mit großer Akribie von ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machten, beispielsweise auch dann, wenn nur ein Kreuzchen fehlt.
Anhand dieses Formulars erkennt man verbandsseitig ein großes Potential zur Optimierung. In der Vergangenheit habe man versucht, den wohl scheidenden Gesundheitsminister Jens Spahn für das Thema zu sensibilisieren, jedoch bislang ohne Erfolg.
MdB Dr. Kippels berichtete, er sei, obwohl schon viele Jahren in der Gesundheitspolitik aktiv, tatsächlich auch noch nie mit dem Thema konfrontiert worden. In seiner neuen Rolle als voraussichtlicher Vertreter der Opposition nehme er gern die Anregungen der Veranstaltung mit. Es gilt, die Interessen multimorbider Patienten mit den Bedürfnissen der modernen Medizin, aber auch der Ökonomie zu möglichst ambulanten Versorgungen unter einen Hut zu bekommen, und dies in Zeiten, in denen der familiäre Verbund vielfach nicht mehr die Leistungen übernehmen kann. Die begrenzten Möglichkeiten zu Sammelbeförderungen sind nachvollziehbar, denn die Patienten sind häufig keine jungen Hüpfer mehr. Kippels regte an, auch den einen oder anderen Ausreißer im System zu akzeptieren, bevor bürokratische Hemmnisse die Protagonisten in ihrer Leistungsfähigkeit zu sehr einschränkten.
Gisela Spitzlei benannte die Muster-4-Verordnung dann als die Sollbruchstelle im System, da sie schon von medizinischer Seite häufig fehlerhaft ausgefüllt werde. Im Übrigen sei es absolut unverständlich, dass das Formular häufig überarbeitet wird, ohne die Hauptbetroffenen mit einzubeziehen. Aus diesem Grund wurde bereits mehrfach nach einer vermeintlichen Optimierung das Formular zurückgezogen.
Zum Beispiel ist es nicht nachvollziehbar, dass nach Unfällen die Verunfallten vielfach mit Rettungswagen zulasten der Kommunen zum Krankenhaus befördert würden. Die entsprechende Verordnung einer Rückfahrt mit Taxi und Mietwagen wird zwar oft ausgestellt, kann aber aus bürokratischen Hemmnissen nicht abgerechnet werden. Die daraus folgende Akzeptanzverweigerung des Fahrpersonals, verbunden mit der Forderung nach Bezahlung der Fahrt durch die Patienten kann dann nicht vermittelt werden. Das Taxi soll nicht die Busfahrt ersetzen, aber wenn Patienten Busfahren könnten, würde sie das bestimmt auch tun. Nur gibt es nachts um drei vielfach keinen Bus mehr. Eine ordentliche Kostenübernahmeverordnung durch den Arzt ist dann schlichtweg nicht möglich.
Entsprechend gibt es viele Beispiele wo sich die Argumentationen der Krankenversicherungen widersprechen, obwohl sich die Zahl der kostensparenden ambulanten Operationen in den letzten Jahren vervielfacht hat. Die Krankenversicherungen riskieren so die Versorgung der Bevölkerung und man kann es keinem Unternehmen verdenken, wenn es sich zukünftig auf andere Märkte konzentrieren.
Befragt nach möglichen Sofortmaßnahmen zählte Frau Spitzlei folgende, aus ihrer Sicht, wesentliche Punkte auf:
Der Wegfall der Genehmigungsnotwendigkeit für Strahlen-, Chemo- und Dialysefahrten und insbesondere auch deren Verlängerungen ist notwendig, da kaum Verhinderungsgründe vorstellbar sind.
Die in der Muster-4-Verordnung hinterlegte Und-Verbindung für hochfrequente Fahrten mit der Mobilitätseinschränkung muss durch eine Oder-Verbindung ersetzt werden
Die Krankenkassen müssen gezwungen werden, ihre individuell unterschiedlichen Genehmigungsvoraussetzungen zu vereinheitlichen
MdB Dr. Kippels zeigte sich fast überrascht, mit welch simplen Maßnahmen der Branche schon geholfen wäre, zumal alle Maßnahmen einer Vereinfachung der Verfahren dienen würden. Eine Einbeziehung der Kompetenz des Gewerbes in zukünftige Arbeitsgruppen sieht Kippels als ebenso notwendig wie sinnvoll an. rw