Mit einer erfreulichen Dynamik findet das ÖPNV-Taxi derzeit seinen Weg an die Öffentlichkeit. Dazu tragen diverse Studien ebenso bei wie klare Statements der Taxiverbände.
Waren die vergangenen Jahre noch von Berichterstattungen über diverse Hochglanzprojekte mit aufgesetzten Verkehren geprägt, bestimmen mittlerweile deren Scheitern die Schlagzeilen. Außer teuren Spesen nichts gewesen, lautetet dabei meist das frustrierende Fazit (Taxi Times berichtete zuletzt über das bevorstehende Ende des Kölner Projekts isi).
Nur vereinzelt hatten Kommunen und lokale Verkehrsträger auch das Taxi in ihre On-Demand-Verkehre eingebunden – mit dem Ergebnis, dass diese Konzepte größtenteils langfrsitig funktionieren. Vor allem dort, wo das vom Unternehmen BBG entwickelte „ÖPNV-Taxi“ umgesetzt wurde. Kein Wunder also, dass ein kürzlich veranstaltetes Webinar zum Thema ÖPNV-Taxi mehr als 150 Zuhörer aus Verwaltung und Taxigewerbe vorweisen konnte (Taxi Times berichtete).
Wissenschaftliche Thesen, wonach die Verkehrswende unter Einbindung des Taxis in den ÖPNV am besten gelinge, gab es schon vorher. So erstellte beispielsweise Christian Mehlert (KCW) schon 2022 eine Expertise für den Rhein-Main-Verkehrsverbund und den Nordhessischen VerkehrsVerbund, (Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Auftragsgeber).
Darin wurden Maßnahmen zur Steigerung von Angebot und Nachfrage im Taxiverkehr zur Ergänzung des ÖPNV in Hessen diskutiert. Aufgezeigt wurden schon damals die verschiedenen Einbindungsmodelle von individuellen On-Demand-Ergänzungen des Linien-ÖPNV, bei denen das Taxi ganz klar die Nase vorn hatte. Auch wenn das inzwischen meistenteils favorisierte fast vollbezuschusste ÖPNV-Taxi-Modell dort noch nicht zur Diskussion stand, stellen die Autoren schon damals klar, dass vor allem eine Kombination von angebots- und nachfragesteigernden Maßnahmen – unter Nutzung der vorhandenen Taxi-Kapazitäten – zu sinnvollen Ergebnissen führen könnte.
Damit solche Studien auch zu einer Umsetzung führen, benötigt es Initiativen seitens der Politik, wie beispielsweise eine Anfrage der FDP-Fraktion an den nordrheinwestfälischen Landtag aus dem April dieses Jahres (Drucksache 18/8886: Günstig, flexibel, klimafreundlich – das digitale ÖPNV-Taxi stärken). Ein Abstimmungsergebnis zu diesem Antrag steht allerdings bisher noch aus.
Sascha Waltemate, Geschäftsführer des TMV-Mitglieds VSPV aus Nordrheinwestfalen und Michael Stehr, Geschäftsführer der Fachvereinigung Personenverkehr Nordrhein, haben diese Anfrage mit einer 35 Seiten fassenden Studie faktenreich unterstützt. Beide Verbände sind Mitglied im Dachverband TMV und dieser hat daraus vergangene ein Positionspapier zu ÖPNV-Taxis verfasst und veröffentlicht.
Sascha Waltemate als zeichnender Autor erkennt darin die große neue Chance für die Mitglieder von VSPV und FPN, aber auch das gesamte bundesdeutsche Taxigewerbe. Die dem Positionspapier zugrunde liegende Studie fokussiert auf die besonderen Verhältnisse im teilweise dicht bevölkerten NRW, wo die ländlichen Räume anders als in weniger dicht besiedelten Bundesländern raum- und verkehrsplanerisch eigentlich als suburban zu gelten hätten. Trotzdem sei das ÖPNV-Angebot auch hier nicht urban ausgestaltet, sondern eher ländlich ausgedünnt.
Das ÖPNV-Taxi sei dafür die attraktive Lösung, da es dabei insbesondere die Mobilitätsbedarfe in solchen Räumen adressiere. Die bestehenden Probleme bei der Nahversorgung, die in den genannten Räumen zu einer Angewiesenheit auf das eigene Auto führen, die den Umstieg auf den ÖPNV verhindere, würden durch die Bedienform gelöst. Weder fielen weite Fußwege mit schweren Einkäufen an noch wäre der Einkauf auch leicht verderblicher Lebensmittel behindert. Gleiches gelte auch für die (sichere) Erreichbarkeit anderer Grundversorgungsangebote sowie kultureller und sozialer Einrichtungen.
Da Waltemate dabei die Branchenperspektive sicherlich vertrauter ist als dies externen Fachleuten möglich ist, weist er explizit auch auf die besonderen Qualifikationen des Gewerbes besonders im ländlichen Raum hin, wo das Fahrpersonal in Taxis erfahren im Umgang mit älteren Menschen und deren Bedürfnisse ist. Taxis und Mietwagen seien im ländlichen Raum schon jetzt das Rückgrat der Krankenbeförderung bei Krankentransportscheinberechtigten.
Bezüglich der Arbeitskräfte stünde das Taxi – und damit auch das ÖPNV-Taxi – zwar durchaus in Konkurrenz zu den anderen Formen des ÖPNV, doch seien sowohl die formalen Anforderungskriterien wie auch das allgemeine Leistungsprofil bei der Erbringung der Mobilitätsleistung unterschiedlich genug, als dass man sich bei der Personalgewinnung wirklich ins Gehege käme. Das ÖPNV-Taxi zeichne sich im Übrigen dadurch aus, dass es in erster Linie Bestandspersonal und -flotte besser auslastet, bevor die Leistungserbringung beim ÖPNV-Taxi beim Taxiunternehmen Neueinstellungen erforderlich machte.
Bei aller Euphorie, die aktuell für das ÖPNV-Taxi erkennbar wird, ist aber auch nach Einschätzung des FPN gerade in NRW eine besonders kritische Haltung der Unternehmen der Taxibranche zu erkennen, selbst bei einer fairen Ausgestaltung und einem unternehmerischen Risiko gegen Null. Der FPN empfiehlt hier eine rechtliche Pflicht für Taxiunternehmen zur Teilnahme, allerdings müsse der jeweilige Taxitarif verbindlich bleiben. Überzeugungsarbeit muss nun also wohl eher branchenintern geleistet werden, wobei sich hier sicherlich auch schnell zeigen wird, dass bargeldorientierte Betriebe hier viel schwerer hinter dem Ofen hervorzuholen sind als Betriebe, die sich der Digitalisierung schon gestellt haben. jh / rw
Hinweis der Redaktion: Lesen Sie dazu auch: ÖPNV-Taxi in NRW: Anhörung im Landtag
Beitragsfoto: Remmer Witte