Kein Aprilscherz: Die Demo gegen Uber fand am ersten April 2016 in Wien statt. 500 Fahrer hatten eine Botschaft an die Politiker: „Uns reicht’s!“ Ein Beitrag aus Taxi Times DACH April/Mai 2016
Wolfgang Eberling schreit in sein Handy: „Was macht der Depp da auf der dritten Spur? Zwei warn ausgmacht mit der Polizei, ned drei! Und außerdem: Haltets eich an die StVO“. Die Ampel springt auf rot. Ein Motorradpolizist, der die Demo begleitet, hält den Querverkehr nicht an. Ein Taxi mogelt sich noch über die Kreuzung. „A Wahnsinn! Was macht der Kerl da? S-t-V-O!“, ruft Eberling, der Obmann vom Taxiclub Wien dem Taxilenker hinterher. „Des war anders ausgmacht mit der Polizei! Die hättn den Verkehr sperren müssen!“ Eberling hat alle Hände voll damit zu tun, die Kollegen im Griff zu behalten. Beim nächsten Stopp sprintet er aus dem Wagen und weist den Lenker, der in der Dritten Spur fährt, zurecht. Der Gescholtene reiht sich wieder in den Zug ein.
Für einen fairen Wettbewerb im Taxigewerbe! Unter diesem Motto haben sich 500 Wiener Taxilenker zur großen Demo gegen Uber verabredet. „Wir haben nix gegen Konkurrenz“, erklärt Eberling, der gestandene Taxiunternehmer mit weiß-grauem Kurzhaarschnitt und frisch gestutztem Bart, während er sich in Rage redet. „Aber was Uber macht, ist unfair! Wir brauchen a Konzession, a Prüfung und auch noch a ärztliche Untersuchung. Und der Uber braucht nix!“. Den Vertretern der Sender – darunter der ORF – hat er es gleich mehrfach aufsagen müssen. Jedem Kamerateam einzeln. Dann geht es los Richtung Kanzleramt, mit einer Stunde Verspätung. „Damit die moslemischen Kollegen a mitmachn können“, erklärt Eberling, denn die mussten vorher noch zum Freitagsgebet.
Hupend schiebt sich der Lindwurm – bestehend aus zeitweise 500 Taxis – über die Reichsbrücke und dann durch die Wiener Innenstadt. Passanten bleiben verwundert stehen und zücken die Smartphones für ein Foto. Angestellte aus den umliegenden Geschäften unterbrechen ihre Arbeit, laufen auf die Straße, um zu sehen, was der Lärm zu bedeuten hat. Obwohl dem Zug zwei Fahrspuren zur Verfügung stehen, erstreckt sich die Demo über mehrere Kilometer: Während die letzten Taxis am Arbeiterstrandbad gerade losfahren, haben die ersten das Bundeskanzleramt am Ballhausplatz schon fast erreicht.
Die Ziele sind klar. Während das Taxigewerbe mit der Erfüllung der von staatlicher Seite auferlegten Pflichten und Verordnungen kämpft, braucht sich ein international agierender Großkonzern um nichts scheren. Die Politik unternimmt zu wenig, um die heimischen Unternehmer zu schützen. Eberling sieht gar den Sozialstaat in Gefahr. „Dem Staat – und dem für uns alle wichtigen Wohlfahrtssystem – entgehen Steuern und Sozialversicherungsabgaben. Das gefährdet die soziale Sicherheit und damit den inneren Frieden“.
Der Wiener Protest gegen Uber findet aber nicht nur Freunde. Gökhan Keskin, Obmann der Taxiinnung in der Wiener Wirtschaftskammer, findet die Demonstration gar kontraproduktiv, denn sie könnte die Konsumenten abschrecken. „Das Taxigewerbe sollte sich lieber um eine verbesserte Qualität kümmern“, sagt Keskin Taxi Times gegenüber. „Was der Taxiclub Wien macht, ist blanker Aktionismus“. Auch wehrt er sich gegen den Vorwurf der Untätigkeit. „Wir sind bisher allen Anzeigen nachgegangen und werden das auch weiterhin tun“.
Während dieser Demo bleibt die Taxiinnung aber im Hintergrund. „Da steht der Keskin und winkt“, informiert Eberling seine Kollegen über Handy. Der Tross ist da gerade in der Nähe des Parlaments. Einige private PKW verirren sich am Universitätsring in die Demo. Die Kollegen lassen sie durch. Dafür freut sich Eberling über ein Flughafen-Taxi aus Schwechat, das mitfährt. „Sonst san mir ja Konkurrenten. Aber jetzt halt ma zsam.“ Am Josef-Meinrad-Platz kurz vor dem Burgtheater dürfen nur 200 Taxis Richtung Ballhausplatz abbiegen – mehr hat die Polizei nicht genehmigt – die Mehrzahl wird abgewiesen. Während der Abschlusskundgebung vor dem Bundeskanzleramt hört man die Taxis am Ring noch hupen, denn als die ersten schon am Ziel sind, passieren die letzten gerade den Praterstern.
Der Taxiprotest stößt auch bei ÖVP-City-Bezirkschef Markus Figl auf Kritik. Denn der Ring sei mittlerweile zu einem beliebten Ziel für Demonstrationen und Kundgebungen geworden. „Die Ringsperren nehmen Dimensionen und Auswüchse an, bei welchen die Innere Stadt zeitweise komplett vom Rest Wiens abgeschnürt wird“ beklagt sich Figl im Kurier. „Das darf nicht sein. Auch hier leben und arbeiten Menschen, die zufahren müssen. Die Ringstraße ist nicht das Freizeitzentrum Wiens“. Figl meint hier sogar einen Missbrauch des Demonstrationsrechts zu erkennen. Der Kritik ungeachtet wurde an diesem Freitag kein Stück des Rings für den normalen Verkehr gesperrt. Anders zwei Tage später anlässlich der Wiener Radparade 2016.
Wolfgang Eberling steht auf dem Deserteursdenkmal und verschafft sich mit einem Megafon Gehör: „Die heutige machtvolle Demonstration hat deutlich gezeigt, dass wir Taxler uns zu wehren wissen!“, scheppert blechern seine Stimme über die Abschlusskundgebung. „Einer Schmutzkonkurrenz im legalen Graubereich muss schleunigst das Handwerk gelegt werde. Wir fordern Waffengleichheit!“. Zum Ende seiner kurzen Rede fordert er „ soziale Gerechtigkeit und Sicherheit für uns Taxler und alle, die in Österreich leben“. Bleibt zu hoffen, dass ihn im Bundeskanzleramt jemand gehört hat. Auf seine Demo und das damit verbundene Medieninteresse darf Eberling und sein Taxiclub Wien aber zu Recht stolz sein. (tb)
Bildrechte: Tom Buntrock / Taxi Times