Wer sich ins Auto setzt, schnallt sich automatisch an und rettet so gelegentlich sein Leben und eventuell das der Mitfahrer. Auch beim Aussteigen kann eine einfache Routine Leben retten: Fahrertür mit Rechts öffnen.
In Frankfurt am Main stand vor Kurzem ein Personenbeförderer vor dem Amtsgericht. Die Staatsanwaltschaft hatte den 32-jährigen angeklagt, nachdem er Ende August 2022 mit seinem Fahrzeug rücksichtsvoll in einer Parkbucht gehalten hatte, um den Verkehr nicht zu behindern, und dann bei Erscheinen eines Fahrgastes die Fahrertür geöffnet hatte.
Exakt in dem Moment kam eine Radfahrerin mit knapp 30 km/h an seinem Fahrzeug vorbei, und es kam zur Katastrophe: Die Frau fuhr auf die geöffnete Autotür auf, stürzte vom Rad und zog sich so schwere Verletzungen zu, dass sie am darauffolgenden Tag im Krankenhaus starb.
Dieser Fall ist ein typisches Beispiel für Situationen im Straßenverkehr, in denen eine Sekunde Unaufmerksamkeit schlimme Folgen haben kann. Wenn wir ehrlich sind, hat es jeder von uns schon erlebt, dass ein kurzer Fehler durch Zufall keine katastrophalen Auswirkungen hatte. Es hätte ebenso gut schief gehen können. Eine äußerst häufige und zugleich eine der gefährlichsten Situationen ist das Öffnen der linken Tür im Auto durch den Fahrer – oder durch einen Fahrgast, der hinter ihm sitzt.
Es gibt nur eine Möglichkeit, hierbei schwere Unfälle zu verhindern: Äußerste Vorsicht beim Türöffnen! Und das gilt nicht nur für den Fahrer, sondern auch für die Fahrgäste.
Welches Verhalten sollte jeder Autofahrer sich also beim Türöffnen aktiv antrainieren? Die Tür sollte nur langsam und zunächst nur spaltweise (maximal 10 cm) geöffnet werden. Erst, wenn man sich durch einen Blick nach hinten vergewissert hat, dass kein Radfahrer und kein anderes Fahrzeug naht, sollte man die Tür weiter öffnen. Dabei besteht ein sehr hilfreicher Trick darin, als Fahrer die Tür immer mit der rechten Hand zu öffnen, weil man sich so automatisch schon nach links drehen muss, sodass das Nach-Hinten-Schauen sich fast von selbst ergibt.
Damit lassen sich jene Tür-Unfälle vermeiden, die so häufig vorkommen, dass man dafür sogar einen eigenen Begriff kreiert hat: „Dooring“. Meist berichten dann auch die Medien darüber, erst recht, wenn es sich dabei um Taxis handelt oder die Folgen dramatisch sind. Der Fall in Frankfurt am Main schlug ein Stückweit Wellen, weil die 60-jährige Radfahrerin eine bekannte Ruderin war, die 1984 an den Olympischen Spielen teilgenommen hatte. Für die Betroffenen und deren Angehörige sind solche Fälle immer persönliche Tragödien, die nicht selten das Leben verändern.
Auch für den Unfallverursacher verändert sich mitunter das Leben. Mit der Bürde, ungewollt aber doch schuldhaft ein Menschenleben ausgelöscht zu haben, muss man von da an leben. Auch im eigenen Interesse ist es daher geboten, sich solche Gefahren bewusst zu machen und sich ein Verhalten anzutrainieren, das solchen Unfällen vorbeugt – ähnlich wie der Radfahrerblick beim Abbiegen.
Doch abgesehen von der persönlich belastenden moralischen Schuld kann das unvorsichtige Öffnen der Fahrzeugtür auch unangenehme rechtliche Folgen haben: Bei tödlichem Ausgang droht eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Aber auch wenn es nur zu Verletzungen kommt, wird ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet. Im Falle einer Verurteilung ist zumeist eine Geldstrafe (seltener eine Freiheitsstrafe) fällig, und es kann auch die Fahrerlaubnis entzogen oder ein Fahrverbot ausgesprochen werden. In diesen Fällen kommen noch Punkte in Flensburg dazu. Für einen Taxifahrer ist das schnell existenzgefährdend.
Der Taxifahrer aus Frankfurt am Main ist zu einer milden Geldstrafe verurteilt worden. Wie er sich mit seiner Schuld fühlt, ist eine andere Frage.
Der Rechtsanwalt Carsten Hendrych hat in Taxi Times Berlin bereits vor Jahren darauf hingewiesen, dass auch die Kosten, die sich aus einem Unfall durch Unachtsamkeit ergeben, mitunter hoch sind – Stichwort zivilrechtliche Folgen: Zwar tritt für den materiellen Schaden des Radfahrers die Kfz-Haftpflichtversicherung ein. Aber den oftmals nicht unerheblichen Schaden am eigenen Wagen muss man selbst tragen. Die Haftpflichtversicherung muss im Übrigen auch dann zahlen, wenn ein Fahrgast die Tür geöffnet hat. Denn der Geschädigte (oder dessen Hinterbliebene) kann sich stets direkt an die Versicherung wenden, weil diese direkt haftet.
Nicht immer ist der Autofahrer allein schuld. Diesem kann unter Umständen kein schwerer Vorwurf gemacht werden, wenn der Radfahrer zu dicht am Auto vorbeigefahren ist, denn auch für Radfahrer gilt, dass sie einen seitlichen Sicherheitsabstand zu parkenden Fahrzeugen einhalten müssen. Das ist in der Praxis bekanntlich allzu oft nicht umsetzbar. Die Gerichte verlangen mindestens 50 cm. Unterschreitet der Radfahrer diesen Abstand, kann das den Türöffner zumindest vor einer Strafe bewahren
Auch das Nicht-Tragen eines Helms kann dem Radfahrer negativ ausgelegt werden – ein schwacher Trost für den unachtsamen Autofahrer, der vielleicht ein Menschenleben auf dem Gewissen hat, und moralisch fragwürdig: Warum müssen Radfahrer sich Autofahrern anpassen, die andere vermeidbar gefährden, und sich einen Helm aufsetzen? Im Optimalfall fahren die „stärkeren“ Verkehrsteilnehmer so rücksichtsvoll, dass sie die „schwächeren“ nicht in Gefahr bringen. ar
Beitragsfoto: Taxi Times