Nachdem die Arbeitskonditionen für Mietwagenfahrer in den USA sich seit Jahren meist verschlechtern, bietet eine neue Genossenschaft ihren Fahrern Unternehmensbeteiligungen an, die Uber & Co. ihnen verweigern.
Das US-amerikanische Magazin „Jacobin“ berichtet von einem Uber-Fahrer namens Phred Riggs, der nach sieben Jahren seiner Tätigkeit und drastischen Kürzungen der Kilometervergütungen „genug hatte“ und zu einer neuen Fahrdienst-Genossenschaft wechselte. Der Fahrer berichtet, Uber habe sein Fahrer-Konto in den letzten fünf Jahren fünfmal ohne Grund deaktiviert. Ihm habe zudem nicht gefallen, dass Uber manchmal Fahrten zusammenlegte, was ihn zum Pooling von manchmal bis zu vier verschiedenen Fahrten gleichzeitig zwang. Sein acht Jahre alter Ford Fusion hatte sich gefühlt in einen Bus verwandelt.
Irgendwann begannen seine Einnahmen zu sinken, obwohl die Anzahl an durchgeführten Fahrten sich nicht änderte. So habe er früher 35 Dollar für eine etwa 23 Meilen lange einfache Fahrt von Downtown Denver zum Denver International Airport erhalten. Zuletzt habe er für die gleiche Fahrt nur noch 19 Dollar bekommen. „Das war anders als alles, was er in seiner über vier Jahrzehnte währenden Karriere als Fahrer erlebt hatte“, so das Online-Portal, das den Fahrer, der es dennoch humorvoll nimmt, mit den Worten zitiert: „Soweit ich weiß, haben sie den Flughafen nicht näher heranverlegt.“
Folglich habe er beschlossen, der Drivers Cooperative beizutreten, einer nationalen Vereinigung, die Mietwagenfahrern bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen bietet als Uber und Lyft. Die Genossenschafts-Niederlassung im Bundesstaat Colorado wurde im September 2024 gegründet, vertritt bereits mehr als viertausend Fahrer und hat einen Kundenstamm von etwa 14.000 Fahrgästen, berichtet „Jacobin“ unter Bezug auf den Generaldirektor der Genossenschaft, Isaac Chinyoka.
Ähnliche Genossenschaften seien in den Bundesstaaten Minnesota und New York gegründet worden. Minsun Ji, die Geschäftsführerin der Genossenschaft, sagte, sie kontaktiere Anwälte in Städten wie Las Vegas, San Francisco, Boston, Chicago und Miami, um weitere lokale Genossenschaften zu gründen. Ihr Ziel sei der Aufbau eines Zusammenschlusses von Rideshare-Fahrern, um ihre Macht zu bündeln und so mit Unternehmensgiganten wie Uber und Lyft konkurrieren zu können. Sie erwartet, dass die anderen Genossenschaften nach ihrer Gründung ebenso viele Fahrer und Fahrgäste vertreten werden wie die Niederlassung in Colorado. Es sei höchste Zeit, darüber nachzudenken, wie man die Genossenschaften so gründen kann, dass alle Arbeiter höhere Löhne für sich fordern und mehr Mitspracherecht erhalten können, wird die Geschäftsführerin vom Magazin „Jacobin“ zitiert.
Das Magazin erläutert ganz konkret, dass Unternehmen wie Uber und Lyft zu Beginn der 2010er-Jahre als „disruptiver“ Konkurrent der traditionellen Taxibranche Taxifahrer mit dem Versprechen hoher Löhne und besserer Arbeitsbedingungen zum Mietwagengeschäft gelockt hatten und das Geschäft der Yellow Cabs angriffen, indem sie deren Preise unterboten. Im letzten Jahrzehnt hätten Arbeiter auf der ganzen Welt jedoch erkannt, dass viele Ankündigungen von Uber und Lyft leere Versprechen gewesen waren.
Obwohl Uber und Lyft jährlich Milliarden von Fahrten durchführen, bleiben für die Fahrer auf dem amerikanischen Markt oft nur geringe Vergütungen. Uber und Lyft genehmigen sich dort saftige Provisionen zwischen 30 und 50 Prozent des Fahrpreises nach Abzug von Versicherungskosten usw. „Viele Fahrer verdienen zwischen 20 und 23 Dollar pro Stunde, was ungefähr dem Gehalt eines Wartungstechnikers bei McDonald’s entspricht“, so „Jacobin“-Autor Robert Davis. Die Generalstaatsanwältin von Massachusetts, Andrea Campbell, hätte im Juni 2024 einen Vergleich in Höhe von 175 Millionen Dollar mit Uber und Lyft erwirkt, um die Vorwürfe beizulegen, dass die Unternehmen gegen die Arbeitszeit- und Lohngesetze des Staates verstoßen hätten, indem sie den Fahrern de facto weniger als den staatlichen Mindestlohn zahlten. Der Vergleich sichert den Fahrern mindestens 32,50 Dollar pro Stunde nebst Zuschuss zum Abschluss einer staatlichen Krankenversicherung und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
In dem „Jacobin“-Artikel wird darauf hingewiesen, dass die Mietwagenfahrer abgesehen von der schlechten Bezahlung erheblichen Gefahren am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. Laut einer Umfrage des Strategic Organizing Center unter über 900 Fahrern werden Uber- und Lyft-Fahrer regelmäßig bedroht, belästigt, ausgeraubt und körperlich angegriffen. Laut unabhängigen Versicherungsmaklern decken die Versicherungspolicen von Uber und Lyft häufig nicht die vollen Kosten für Schäden, medizinische Behandlungen und andere durch Unfälle entstandene Ausgaben ab. Das kann bedeuten, dass Fahrer für diese Kosten auch in unverschuldeten Fällen selbst haften müssen.
Ridesharing hat auch den Wert von Taxi-Konzessionen erheblich beeinflusst. Galten die Medaillons früher als lukrative Investition, so ist ihr Marktwert heute im Vergleich dazu kläglich. Medaillons in New York City waren beispielsweise im Jahr 2014 etwa 1,3 Millionen Dollar wert, heute bringt ihr Verkauf nur noch etwa 200.000 Dollar, weniger als ein Sechstel. Es sind Fälle bekannt, in denen dieser ruinöse Vermögensverlust Fahrer veranlasste, sich das Leben zu nehmen.
Fahrer der neuen Genossenschaften können schon für 200 Dollar Anteile erwerben. Die Genossenschaft in Colorado garantiert den Fahrern immerhin 80 Prozent des Fahrpreises jeder Fahrt und behält „nur“ 20 Prozent für Verwaltungs- und Gemeinkosten ein. Transparenz stehe an erster Stelle: Die Fahrgäste erhalten ordentliche Quittungen und die Fahrer wüssten genau, was sie pro Fahrt verdienen. Zudem sind die Fahrer der Genossenschaft über die gewerbliche Versicherung der Organisation versichert, was dazu beitragen kann, die Deckungslücke der privaten Versicherungen zu schließen.
All diese Unterschiede zu den Arbeitsverhältnissen bei Uber und Lyft scheinen den entscheidenden Unterschied auch bei der Zufriedenheit der Fahrer auszumachen. „Der größte Unterschied ist, dass unsere Fahrer glücklich sind, was auf der anderen Seite nicht der Fall ist“, wird Generaldirektor Chinyoka zitiert.
Im Unterschied zu Milliardenkonzernen wie Uber verfügt eine solche Genossenschaft allerdings nicht über unbegrenzte Budgets von Großsponsoren. Geschäftsführerin Ji bemerkt, dass die sogenannte Skalierung der Genossenschaft sich als schwierig erwiesen habe. So sei die Niederlassung in Colorado mit rund 500.000 US-Dollar gestartet, die von lokalen Stiftungen gespendet wurden. Zur Vergrößerung dieser „Kriegskasse“ müsse man sorgfältig nach sozial verantwortlichen Investoren suchen. Das gelte für Großkapitalisten wie beispielsweise die Bank Wells Fargo nicht. Würde man von ihr angesprochen, würde die Genossenschaft das Angebot wahrscheinlich ablehnen, da die Bank nicht mit ihrer sozialen Mission im Einklang stehe.
Darüber hinaus gehe die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Vorteile der Genossenschaft ebenfalls nur langsam voran, was sich wiederum auf die Mittelbeschaffung ausgewirkt habe. Die Genossenschaft startete kürzlich eine Spendeninitiative in Höhe von 30.000 US-Dollar, um die Kosten für die notwendige Technik für neue Fahrer zu decken. Bis Ende letzten Jahres konnten durch die Kampagne allerdings nur knapp 7.000 US-Dollar eingesammelt werden.
Solche Schwierigkeiten hätten die Visionen der Genossenschaft aber nicht gedämpft. Man sei einen ersten Schritt gegangen, die Art und Weise zu ändern, wie Mitfahrdienstmitarbeiter weltweit behandelt werden. ar
Beitragsbild: Denver, Colorado; Symbolfoto: Pixabay