Seit Montag, dem 2. August, wird für die 30.000-Einwohner-Stadt Taunusstein nordwestlich von Wiesbaden ein vollelektrischer On-Demand-Shuttle-Service mit dem Namen EMIL angeboten.
Der Name ist die Abkürzung für „Elektro-Mobil“. Verantwortlich zeigen sich die Rheingau-Taunus-Verkehrsgesellschaft (RTV) und die Stadt Taunusstein. Partner des großzügig von Bund (BMVI) und Land Hessen geförderten Projektes ist die Berliner Firma GHT Mobility GmbH, Tochter der Deutschen Bahn und bekannt durch die Marke CleverShuttle, die für die operative Umsetzung des Verkehrs zuständig ist. Bei ihr sind auch die zehn Vollzeitkräfte und mehrere Teilzeitkräfte für den Fahrdienst unter Vertrag.
Der neue On-Demand-Service ist hier in einem eher ländlich geprägten Raum unterwegs und soll bestehende Lücken zwischen Linienverkehr und lokalem Taxiangebot in der Stadt schließen. Besonders für Taunussteiner Pendler*Innen, Senior*Innen und Jugendliche soll er eine attraktive und emissionsfreie Alternative zum eigenen PKW oder zum starren Fahr- und Linienplan des Busverkehrs darstellen.
Angeboten wird das Projekt als Bedarfs-Linienverkehr und ist in die Struktur des ÖPNV eingebettet. Es sollen bis zu sechs elektrisch betriebene Mercedes eVito zum Einsatz kommen, von denen einer barrierefrei umgebaut ist. Die Fahrzeuge verkehren unabhängig von festen Fahrplänen. EMIL bedient seine Fahrgäste an insgesamt über 1.000 virtuellen Haltestellen innerhalb Taunussteins. Für den Namen EMIL hatten sich die Taunussteinerinnen und Taunussteiner in einer Befragung entschieden – der Name steht gut sichtbar an den Minibussen. Der bisher seit 2003 für Taunusstein im Einsatz befindliche Komfortbus wird von dem neuen Projekt abgelöst.
Innerhalb von Taunusstein steht EMIL montags bis donnerstags von 5.30 Uhr bis 22.30 Uhr, freitags von 5.30 Uhr bis 0.30 Uhr, samstags von 7.30 Uhr bis 0.30 Uhr und sonntags von 8.30 Uhr bis 22.30 Uhr zur Verfügung. Fahrgäste mit einem in Taunusstein gültigen Fahrschein (wie beispielsweise einem Schülerticket oder einer Monatsfahrkarte) und Kinder unter 14 Jahren zahlen lediglich einen Komfortzuschlag von 1,50 Euro und weitere 15 Cent pro Kilometer. Wer keinen Fahrschein mit Gültigkeit in Taunusstein hat und älter als 14 Jahre ist, zahlt noch einen Grundpreis von 1,50 Euro.
Die Busse werden über eine App oder telefonisch vorbestellt oder spontan gebucht, der Algorithmus berechnet die jeweils die optimale Route für verschiedene Fahrgäste und Fahrziele. Geladen werden die Fahrzeuge mit Strom aus regenerativen Quellen, über eine von der Stadt Taunusstein eigens errichtete Ladeinfrastruktur auf einer Park-and-Ride-Anlage. Die App, ermittelt die nächste virtuelle Haltestelle zum Fahrgaststandort und navigiert den Fahrgast die wenigen Meter dorthin. Bezahlt wird dann direkt in der App oder im Bus.
Das Projekt On-Demand-Mobilität wird im Rahmen der Förderrichtlinie „Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme mit 27 Millionen Euro durch das Bundesverkehrsministerium gefördert, weitere Unterstützung kommt durch das Land Hessen. Das Projekt ist passend zum Förderzeitraum bis Ende 2024 angelegt. Eine Fortsetzung des Vorhabens über diesen Zeitraum hinaus ist aber bei entsprechender Nachfrage und Finanzierung angestrebt. Wird das Angebot in Taunusstein gut angenommen, ist die Ausweitung in weiteren Kommunen innerhalb des RTV-Gebiets angedacht. Nach Taunusstein startet der On-Demand-Service unter dem Dach des Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) in weiteren hessischen Städten und Gemeinden, wie beispielsweise in Limburg-Weilburg im Laufe der zweiten Jahreshälfte.
„Als größte Stadt im Rheingau-Taunus-Kreis mit insgesamt zehn – zum Teil mehrere Kilometer auseinanderliegenden – Stadtteilen ist der On-Demand-Service für uns ein wichtiger Baustein für ein modernes Mobilitätsangebot in Taunusstein“, sagt Bürgermeister Sandro Zehner. „E-Bike, öffentlicher Nahverkehr, Schienenanbindung – wir brauchen intermodale, aber alltagstaugliche Angebote, die sowohl für Senioren als auch für Schüler, Pendler und für Freizeitfahrten attraktiv sind, um den Autoverkehr langfristig zu reduzieren.“
Diesen Optimismus zum Thema Verkehrsreduzierung bremst der Projektpartner CleverShuttle allerdings etwas auf seinem Blog und weist dort darauf hin, die konkrete Frage, wie viele Personen dann tatsächlich aufgrund solcher Projekte das eigene Auto abschaffen, gehe CleverShuttle „nicht weit genug, da sie nicht nach vorne schaut und die Bewertung eines neuen Mobilitätsangebots lediglich anhand des Status quo und nicht anhand seines Potenzials vorsieht.“ Eine faire Bewertung des Beitrags von On-Demand-Verkehren zur Mobilitätswende sei mit der Beantwortung dieser Frage also nicht möglich. Auch das Ziel von CleverShuttle sei es, ein Angebot zu schaffen, das eine echte Alternative zum eigenen Auto bietet und Anreiz gibt, den privaten Pkw stehen zu lassen. Gleichwohl bleibe es fraglich, ob ein einzelnes neues Mobilitätsangebot daran gemessen werden kann, ob sich Menschen privat dazu entscheiden, ihr Auto abzuschaffen. rw
Anmerkung der Redaktion: Es ist natürlich fraglos begrüßenswert, wenn Alternativen zwischen ÖPNV und Individualverkehr gerade auch im ländlichen Umfeld installiert werden, welche die zwingend notwendige Verkehrswende auf Trab bringen sollen. Der Erfolg oder Misserfolg solcher Projekte wird sich aber leider wohl erst dann zeigen, wenn die Anschub-Millionen „verbraten“ sind. Allein der Einsatz von KI (künstlicher Intelligenz) bei der Auswahl der Fahrstrecken kann es nicht richten; die Gesetze des Marktes fordern auch eine dem Angebot angemessene Nachfrage nach Beförderungen, um eine zumindest ökologisch, bestenfalls auch ökonomisch sinnvolle Auslastung der Fahrzeuge zu gewährleisten.
Zudem bleibt abzuwarten, ob die Einstellung zusätzlicher Beförderer hier nicht genau wie in den Metropolen das Pferd von hinten aufzäumt, auch wenn hier die neuen Mitarbeiter immerhin regional ausgewählt wurden. Und bei allem Elektro-Hype bleibt auch in Taunusstein die Frage, ob der Strom denn wirklich nur aus der Steckdose kommt, oder ob die Ökologie der Verkehrswende auch hier doch erheblich weiter gedacht werden muss. Trotzdem müssen wir wohl alle endlich runter vom Sofa, und daher wären langfristige Erfolge solcher Projekte auch in der Zeit nach den Fördermillionen allem Unbehagen zum Trotz wohl wünschenswert.
Beitragsfoto: Stadt Taunusstein