Das Taxizentralen-Treffen in Stuttgart hatte ein breites Themenspektrum zu bieten – von A wie Ausbildung der Taxifahrer über C wie Callbot bis Z wie Zukunftsvisionen. Auch der Umgang mit Uber wurde diskutiert.
14 Vertreter von Taxizentralen waren der Einladung der Taxi-Auto-Zentrale Stuttgart gefolgt und am vergangenen Wochenende in die Baden-Württembergische Landeshauptstadt gereist. Sie kamen dort zum zweiten Treffen der ERFA-Zentralengruppe zusammen.
Wie bereits bei der Gründungsveranstaltung vor einigen Monaten in Nürnberg stand dabei der ERFAhrungsaustausch untereinander im Vordergrund – zum Umgang mit externen Wettbewerbern und den eigenen Mitgliedern, zu Verbesserungen im Betriebsablauf und zu rechtlichen Fragen.
Angesprochen wurden folgende Themen:
Uber expandiert – die Taxizentralen reagieren
Obwohl seit 2019 offiziell in Stuttgart angetreten, gibt es dort derzeit aktuell lediglich zwei Mietwagen, die für Uber unterwegs sind. Allerdings würden auch ein paar Fahrzeuge aus umliegenden Kreisen in der Stadt regelmäßig gesichtet, berichtet Iordanis Georgiadis von der Stuttgarter Taxizentrale. Zum Start seien zahlreiche Unternehmen angetreten, doch in Stuttgart hätten die Behörden von Anfang an genau hingeschaut und seien sofort auf rechtliche Verstöße gestoßen. Sowohl gegen die Rückkehrpflicht (welche von den Taxifahrern akribisch dokumentiert worden sind) als auch wegen nicht erfüllter Anforderungen an Betriebssitze. „Unsere Aufsichtsbehörde hat den Mietwagenunternehmern klargemacht, dass man ein Strafverfahren einleite, wenn man die Konzession nicht freiwillig zurückgeben würde. Das hat gewirkt“, berichtet Georgiadis. Diesen Worten dürfte Christian Linz von der Taxizentrale Nürnberg, Ferdi Akcaglar von der Augsburger Taxizentrale und Jürgen Schwarz von Taxi Mannheim besonders aufmerksam gelauscht haben, denen ein Markteintritt von Uber unmittelbar bevorsteht (Nürnberg und Augsburg) bzw. vor kurzem vollzogen wurde (Mannheim) – was dort von einer besonders blauäugigen Presse als „überfällig“ definiert worden war (siehe dazu auch den damaligen Taxi Times-Kommentar).
Taxi on Demand – der Unbeliebte § 50
Als Beiwerk zur Uber-Diskussion kam beim ERFA-Treffen unter den Zentralenchefs auch der Wettbewerb mit On-Demand-Diensten zur Sprache. Dieser ist seit der Novelle des PBefG sowohl als gebündelter Bedarfsverkehr nach § 50 als auch in Form eines Linienbedarfsverkehrs nach § 44 möglich. Bevorzugt wird er von Anbietern wie Moia bzw. von kommunalen Anbietern eindeutig als Linienbedarfsverkehr, weil es dort kaum Einschränkungen gibt und die Definition „ohne festen Linienweg“ eine nahezu taxigleiche Bedienung von Haustüre zu Haustüre ermöglicht. Hier müsse man besonders wachsam sein.
Um mit konzessionierten Taxis an solchen On-Demand-Verkehren mitwirken zu können, müsste man laut Einschätzung einiger Teilnehmer als Subunternehmer des Hauptbetriebs agieren. Damit lasse sich das Verbot umgehen, wonach Taxis, die nach § 47 PBefG zugelassen sind, nicht nach § 44 oder § 50 als Linien- oder gebündelter Bedarfsverkehr eingesetzt werden dürfen.
Taxifahrer mit Qualität – Das Schulungskonzept
Seit dem Wegfall der Ortskundeprüfung liegt eine gute Fahrerqualität jetzt verstärkt in der Verantwortung der Taxizentralen. Als Gastgeber des ERFA-Treffens konnte die Taxi-Auto-Zentrale Stuttgart deshalb den Teilnehmern sowohl deren Schulungsräume zeigen als auch die Inhalte der unterschiedlichen Aus- und Nachschulungskurse erläutern. Kernstück ist dabei der Fachkundekurs für den Fahrerausweis, ohne den wiederum keine Teilnahme an der Funkvermittlung möglich ist. An sechs Tagen zu je 5,5 Stunden werden die wichtigste Ortskunde vermittelt, die Bedienung des Funkgeräts bzw. der Fahrer-App geschult und elementare rechtliche wie servicedefinierte Grundlagen erläutert. Der Kurs kostet 400 Euro und beinhaltet eine Abschlussprüfung. Schulungsleiter Herko Pankonin, der das Konzept vorstellte, verzichtete darauf, einzelne Inhalte zu skizzieren und ging stattdessen ganz zielgruppengerecht auf die Varianten ein, wie man eine Schulung lebhaft und nachhaltig gestalten kann. Das gelingt, indem man manche Inhalte als Videos präsentiert und immer wieder mal Übungen einbaut (z.B. wie man den prozentualen Eigenanteil bei Krankenfahrten berechnet).
Ähnlich agiert Pankonin auch bei den Nachschulungen (nötig bei Fehlverhalten), bei einem Aufbaukurs sechs Monate nach der Fahrerfachkunde und bei einem speziellen Vorbereitungskurs für Geschäftsführer eines Taxibetriebs zur IHK-Prüfung. Am Ende des Vortrags wurde dann nochmal der eigentliche Sinn dieser ERFA-Gruppe deutlich. Auf Anregung von Nico Höttges von der Wuppertaler Taxizentrale, der als Organisator der ERFA-Gruppe die Veranstaltung moderierte, werden die Mitglieder ihre jeweiligen Schulungsinhalte in einer für alle zugänglichen internen Dropbox zur Verfügung stellen.
Anrufannahme per Callbot – Eine Frage der Geduld
Wenn Taxibesteller nicht mehr bei einem Disponenten bzw. Disponentin landen, sondern über einen Sprachcomputer bestellen, ist das zunächst einmal gewöhnungsbedürftig. Die als Callbot bezeichnete Funktion ist mittlerweile bei einigen Taxizentralen im Einsatz. Das ERFA-Treffen der Taxizentralen in Stuttgart machte dabei deutlich, dass es bei deren Umsetzung noch sehr unterschiedliche Bewertungen und Herangehensweisen gibt. Während Katerina Macrovassili von der Stuttgarter TAZ berichtete, dass man den Callbot aufgrund mangelnder Akzeptanz seitens der Kundschaft zunächst einmal „in den Urlaub geschickt hat“, verwiesen andere Zentralenchefs auf eine zufriedenstellende Quote. In München und Augsburg beispielsweise sind die Fehlfahrten bei über den Callbot vermittelten Fahrten geringer als bei Aufträgen, die durch Disponenten aufgenommen wurden.
Interessant war auch, wie unterschiedlich man den Callbot einsetzen kann. Während die einen Zentralen ihn erst aktivieren, wenn alle Annahmeplätze im Gespräch sind (und damit die Annahmefrequenz verdoppeln bis verdreifachen), setzen andere den Sprachcomputer priorisiert ein, um damit – bei geringerer Schichtbesetzung – den Disponierenden ein entspannteres Arbeiten zu ermöglichen. Und während die einen jede Nummer auf den Callbot erlauben, lassen Andere nur Mobilfunknummern zu.
All diese Spezifikationen sind technisch möglich und sie erlauben den Taxizentralen nach der Einführung ein entsprechendes Nachjustieren – was durchaus zeitaufwendig ist, aber bei konsequenter Betreuung auch schlussendlich die nötige Kundenakzeptanz und für die Zentrale die beabsichtige Kostenersparnis bringt, wie Ferdi Akcaglar von der Taxi Augsburg eG betonte.
Die Zukunft der Taxibranche – Der Weg aus der Sackgasse
Knapp zwanzig Taxizentralen zählen zu den Mitgliedern der ERFA-Gruppe, vierzehn von ihnen waren zum Treffen nach Stuttgart gekommen. Zusammen mit der diesmal als Gastgeber agierenden Taxizentrale Stuttgart vermitteln diese Zentralen an 7.745 Taxis, wie eine kurze Abfrage zu Beginn des Treffens ermittelte. Spitzenreiter ist die Taxi München eG mit 2.850 Taxis (die beim nächsten Treffen im Frühjahr 2023 Gastgeber sein wirdn), aber auch kleinere Zentralen wie Remscheid mit 39 Taxis oder Rhein-Taxi aus Düsseldorf mit 150 Taxis gehören zum Kreis dieser Gruppe. Bei Letzteren gab es vor einigen Jahren einen Wechsel in der Geschäftsführung. Michael Mühlin übernahm die GmbH vom langjährigen Inhaber Hans Becker und führt die Zentrale nun gemeinsam mit Stefanie Biewald.
Mühlin ist ein Quereinsteiger, der Taxis vorher nur als Fahrgast kannte und einen Blick auf die Taxibranche ohne Scheuklappen ermöglicht. Das wurde beim ERFA-Treffen auch während eines Vortrags deutlich, den der Düsseldorfer unter dem Slogan „Die Zukunft der Taxibranche – der Weg aus der Sackgasse“ präsentierte.
In der Sackgasse sei die Taxibranche unter anderem, weil man kleinzellig ohne gemeinsame Visionen agiere und durch das Konzessionsrecht eingeschränkt sei, welches ein Zusammenführen oder Teilen mehrerer Genehmigungen nicht erlaube. Dazu kämen laut Mühlin der wachsende Einfluss von Uber und Free Now sowie ein eklatanter Fahrermangel. All das lasse keinen Spielraum für Kosteneffizienz und verhindere, den Geschäftskunden moderne digitale Lösungen anbieten zu können.
„Der Weg aus dieser Sackgasse ist möglich, wenn alle Prozesse zwischen Taxi, Taxibetrieb und Taxizentrale digitalisiert werden“, zeigt Michael Mühlin in seinem Vortrag einen Lösungsansatz. Dazu zähle das maximale Ausnutzen der möglichen Funktionen der Vermittlungssoftware inklusive der Integration Künstlicher Intelligenz (KI), die Vereinfachung der Buchhaltung / Spesenabrechnung für Geschäftskunden und die Schaffung weiterer Einnahmequellen.
Konkret umgesetzt werden könnten solche Lösungsansätze schon jetzt, indem beispielsweise die Schichtablösung mit einem intelligenten Kassenautomaten und mit OCR-fähigen Belegscans durchgeführt wird. Mühlin berichtet in diesem Zusammenhang auch von einem „Virtual Account“, über den die Tagesumsätze den Fahrern bzw. Fahrzeugen zugebucht werden können.
Dabei sei der Tagesumsatz gar nicht entscheidend, vielmehr gehe es darum, den Stundenumsatz zu erhöhen, indem man unnötige Standzeiten und Leerfahrten vermeidet. „Viele Taxibetriebe zahlen drauf, weil sie die Sklaven ihrer Fahrer sind“, analysiert Mühlin.
Die Zielsetzung ist daher klar definiert: Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) müsse eine bedarfsgerechte Steuerung der Fahrzeugflotte in Stoßzeiten möglich sein. Darauf aufbauend, müsse sich eine flexible Schichtplanung der Fahrer am Bedarf orientieren, was dann automatisch zu einer Reduzierung der Lohnkosten führt.
Insofern ist der Ansatz, wie er bei der Düsseldorfer Rhein-Taxi-Zentrale umgesetzt wird, im Vergleich zu anderen Taxizentralen eher untypisch: Die Flotten- wie auch Fahrersteuerung erfolgt über die Taxizentrale unter Einsatz einer KI. Es werden historische Daten analysiert, die mit Wetter- Verkehrsdaten, Events, Baustelleninformationen etc. vermischt werden. „Der Taxifahrer bekommt mitgeteilt, wo wahrscheinlich der nächste Auftrag reinkommt“, sagt Mühlin. „Umsatzschwache Fahrer werden dadurch besser.“
Bei Rhein-Taxi sind solche Planspiele nicht die einzigen Maßnahmen zur Verbesserung des Umsatzes. Die angeschlossenen Unternehmer hätten zudem in ihre Taxis eine Telematik eingebaut, die eine Auswertung des Fahrverhaltens ermöglicht, was wiederum weniger Unfälle verursacht. Da der Taxiversicherer das anerkennt, könnte so die Prämie um zehn Prozent gesenkt werden. Last but not least stellt Rhein-Taxi die Daten der Flotte dem Unternehmen „Mobileye“ für die Entwicklung des autonomen Fahrens zur Verfügung.
„Der Treiber all dieser Maßnahmen ist die Effizienz. Indem der Taxiunternehmer die Steuerung der Taxiflotte und der Fahrer an die Zentrale übergibt, wird er zum Investor der Taxizentrale“, zeichnet Mühlin eine Vision, räumt dabei aber auch ein, dass dieses System für den Mehrwagenunternehmer effizienter ist als für den selbstfahrenden Solounternehmer. Von den anwesenden Zentralenkollegen bekam er für seinen Vortrag trotzdem einen ausführlichen Applaus.
Mobilitätsdaten – Taxizentralen sollten nicht als Erfüllungsgehilfe agieren
Wie sollen Taxizentralen mit der Mobilitätsdatenverordnung umgehen? Die Verpflichtung zur Übertragung von statischen wie auch dynamischen Mobilitätsdaten schreibt der Paragraph 3a des Personenbeförderungsgesetzes vor. Sie gilt für Unternehmen wie Vermittler, ist allerdings mit Ausnahmen definiert, wie der PBefG-Spezialist und Taxi-Times-Kolumnist Axel Ulmer den Teilnehmern erläuterte. So seien Solounternehmer ohne Fahrpersonal davon ebenso befreit wie Taxizentralen, da zu den hier in die Pflicht genommenen Vermittlungsplattformen ausschließlich rein digital agierende Vermittler zählen.
Trotzdem könne die Mobilitätsdatenverordnung für Taxizentralen ein Thema werden, wenn diese als „Erfüllungsgehilfe“ für ihre Mitglieder bzw. Teilnehmer agieren. Dies sei aber, so warnt Ulmer, mit Vorsicht zu genießen. Um die geforderten dynamischen Mobilitätsdaten der Mehrwagenbetriebe in die dafür eingerichtete „Mobilithek“ zu senden, müsse die Zentrale sämtliche Tourdaten der jeweiligen Taxis erfassen und übermitteln, also auch jene Fahrten, die nicht von der Zentrale an die Fahrzeuge vermittelt worden waren.
Ulmer riet allerdings nicht nur deswegen den anwesenden Zentralenchefs, von der Mobilitätsdatenverordnung die Finger zu lassen. Er gab auch zu bedenken, dass der Zugriff auf die Daten unter anderem auch registrierten Plattformen gewährt wird. Hier würden, so mutmaßt Ulmer, bereits Uber und Free Now in den Startlöchern stehen, um anhand dieser Daten sofort die Städter und Regionen zu besetzen, in denen die einsehbaren Daten auf ein hohes Auftragsvolumen schließen lassen.
Überforderte Genehmigungsbehörden – die Lösung heißt landeseinheitlicher Taxitarif
Den Schlusspunkt unter ein langes, aber nie langweiliges Zentralen-Treffen setze der Unternehmer Dirk Holl aus dem badischen Gaggenau. Er betreibt keine klassische Zentrale mit eigenständigen Teilnehmern, sondern ist an mehreren Standorten von Baden-Baden über Gaggenau und Karlsruhe bis nach Rastatt mit eigenen Fahrzeugen unterwegs, wobei diese als Taxis, (appgesteuerte) Mietwagen oder gar als On-Demand-Dienst eingesetzt werden. Holls größtes Problem sind derzeit die Taxitarife in seinen Landkreisen, die – obwohl wirtschaftlich lebensnotwendig – nicht zeitgleich zur Mindestlohnerhöhung umgesetzt werden konnten.
In seinem Vortrag verwies der Unternehmer darauf, dass 60 Prozent der Gesamtkosten seines Betriebs Personalkosten seien, was einen Taxitarif nach sich ziehen müsste, der einen Brutto-Erlös von 39,03 Euro pro Stunde gewährleistet.
Bei Behördengesprächen werde er dann aber mit Kalkulationen konfrontiert, die auf Basis einer semiprofessionellen Betriebsführung beruhen. Hinzu komme das große Problem der unterbesetzten Eichdirektionen, welche die Bearbeitung der vielen unterschiedlichen Tarifanpassungen der letzten Monate gar nicht mehr stemmen können.
Holl sieht in diesem Dilemma nur eine sinnvolle Konsequenz für sein Bundesland Baden-Württemberg: „Wir brauchen zur Entlastung der Eichämter und der (teils überforderten) unteren Genehmigungsbehörden einen landeseinheitlichen Taxitarif – einen für den ländlichen, einen für den städtischen Raum.“ Ermittelt und berechnet werden solle er von einem Gutachterausschuss, am besten von jenem, der sowieso schon für die Preisgestaltung des ÖPNV aktiv sei. In Baden-Württemberg führe man dazu bereits die ersten Gespräche mit der Landespolitik. Man wisse dabei die Eichdirektion voll hinter sich, spüre aber ein Zögern bei den Genehmigungsbehörden.
Breite Unterstützung signalisierten Holl dagegen die Taxizentralen. Sowohl die Zentralenvertreter aus Stuttgart als auch die am Treffen ebenfalls beteiligten Zentralenchefs aus Mannheim und Heilbronn sprachen sich für einen landesweit einheitlichen Taxitarif für Baden-Württemberg aus. Gerade bei ihnen gehen immer wieder Beschwerden ein von Kunden, die bei Fern-Fahrten vom und zum Stuttgarter Flughafen teils erheblich unterschiedliche Preise bezahlen mussten, weil die Tarife der jeweils örtlichen Taxibetriebe uneinheitlich sind. „Das ist für die Kunden nicht verständlich“, monierte sowohl Iordanis Georgiadis von der TAZ Stuttgart wie auch Ugur Akseven von der Heilbronner Zentrale. Jürgen Schwarz von der Taxi Mannheim eG wiederum hätte diese Probleme wiederum weiterhin, denn die Taxifahrer seiner Stadt bedienen viele Gebiete im angrenzenden Rheinland-Pfalz. Die Forderung nach einem bundeseinheitlichen Taxitarif wäre aktuell jedoch ein zu dickes Brett, das man bohren müsste. jh
Beitragsfoto: Taxi Times