Innerhalb des Taxigewerbes herrscht nach dem gestrigen Beschluss des Essener Stadtrats große Erleichterung. Die ab 1. Januar 2026 festgelegte Einführung von Mindestbeförderungsentgelten (MBE) für Mietwagen sorgt endlich für einen fairen Wettbewerb.
Als der Essener Stadtrat gestern Abend mit einer breiten Mehrheit die Allgemeinverfügung zur Einführung von MBE beschloss, ließen die Reaktionen in den Sozialen Medien nicht lange auf sich warten. In der Gruppe „Gegen Uber“ sprach ein Vertreter des Taxiverein Essen von einem „Länderspiel Deutschland gegen USA“. Ein Taxiunternehmer setzte sogar noch eines drauf: „Eher RWE gegen die Amis.“. Als hätte also der Traditionsverein Rot Weiß Essen gegen die Länderauswahl Amerikas gewonnen.
Der ungleiche Wettbewerb zwischen einer kleinteilig strukturierten Taxibranche und den mit viel Geld von Stakeholdern finanzierten Plattformen war lange Zeit wie der Kampf David gegen Goliath, der nun aber zugunsten Davids ausging – weil David mit Fakten punkten konnten, während die Fake-Parolen von Goliath nach und nach entlarvt wurden.
Das sorgte dann letztlich auch dafür, dass dem Antrag auf MBE im Stadtrat nicht nur die Parteien der Regierungskoalition zugestimmt haben, sondern auch drei Oppositionsparteien. „Ich finde es besonders bemerkenswert, dass sich ein Spektrum von Die Linke bis zur AFD dafür ausgesprochen hat“, sagte der Essener Taxifahrer Norbert Czwienk gegenüber Taxi Times. Für ihn war dieser Tag eine „Sternstunde der Demokratie. Die Demokratie hat dem Raubtierkapitalismus die Zähne gezeigt und sich nicht durch Fake-News und die Hetzkampagne beeindrucken lassen“. Einen kleinen Seitenhieb auf die einzige Partei, die gegen den Antrag gestimmt hatte, konnte sich Czwienk auch nicht verkneifen: „Leider hat sich die FDP mit fadenscheinigen Begründungen selbst ins Abseits gestellt.“
Bereits wenige Minuten nach der Entscheidung hatte auch der Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM) ein Statement veröffentlicht: „Der Bundesverband Taxi begrüßt die Entscheidung des Essener Stadtrats, ab dem 1. Januar 2026 verbindliche Mindestpreise für Mietwagenfahrten einzuführen. Damit wird Essen die erste Stadt mit über 500.000 Einwohnern, die von dieser neuen gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch macht, faire Marktbedingungen im Mobilitätssektor zu schaffen.“
Zitiert wird anschließend Michael Oppermann, Geschäftsführer des BVTM: „Essen zeigt, wie kommunale Verantwortung für einen funktionierenden und fairen Personenverkehr aussieht. Die Einführung von Mindestpreisen für Mietwagen ist ein wichtiger Schritt gegen ruinösen Wettbewerb und für die Sicherung von Qualität und Verbraucherschutz“.
Der Bundesverband erwartet, dass sich dieses Instrument nun Schritt für Schritt in immer mehr Städten durchsetzen wird. Mindestpreise ermöglichen es Kommunen, den massiven Preisdruck im Bereich der Mobilitätsdienstleistungen zu begrenzen und ein Mindestmaß an Tarifgerechtigkeit zwischen Taxi- und Mietwagenangeboten herzustellen. „Wir fordern die Städte in Deutschland auf, jetzt zügig zu handeln, sich an den positiven Beispielen aus Heidelberg und nun auch Essen zu orientieren – und keine Zeit zu verlieren“.
Zu diesen Städten zählt auch München. Dort stand die Einführung eines MBE eigentlich schon auf der Tagesordnung einer Ausschusssitzung, wurde dann aber auf Druck des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter von dessen SPD-Fraktion mit Unterstützung der Münchner Oppositionspartei CSU gekippt. Gregor Beiner, Vorstandsmitglied des Taxiverband München, wendet sich mit seinem Statement daher auch direkt an die Parteien der bayerischen Landeshauptstadt: „Wir begrüßen die Entscheidung aus Essen zum Mindestbeförderungsentgelt ausdrücklich. Die Stadt hat damit gezeigt, dass dem Preisdumping auf Kosten eines verlässlichen Mobilitätsangebots konsequent Einhalt geboten werden muss. Dieses Signal sollte andere Kommunen ermutigen, nachzuziehen. Und Städte, die bislang andere Wege eingeschlagen haben – allen voran München – sind aufgefordert, ihre Entscheidungen kritisch zu überdenken.“
Auch Thomas Kroker, Präsident des Taxi- und Mietwagenverbands TMV sowie Vorstand der Taxi München eG, wünscht sich, „dass nun viele weitere Städte dem Essener Vorbild folgen.“ Alexander Mönch, Präsident von Free Now by Lyft, äußert sich ähnlich: „Wir begrüßen diese Entscheidung ausdrücklich und gehen davon aus, dass weitere Städte in Nordrhein-Westfalen sowie darüber hinaus diesem Beispiel folgen werden.“
Das Beitragsfoto zeihgt den Essener Taxifahrer und RWE-Fan Norbert Czwienk









Noch ein Vergleich: Zeitenwende? Zum Besseren im Taxigewerbe?
Essen ist eine einzelne Großstadt. Es geht um viel mehr als um weitere Kommunen, die sich gegen Kriminalität wehren.
Die technologische Zeitenwende hat mit dem Internet stattgefunden.
Jetzt brauchen wir ein neues klares Verständnis dafür, dass diese Technologie mit unfassbar starker Macht durch Geld, Kapital, Investment verbunden wurde. Diese Macht ist grade auf der ganzen Welt dabei, die Politik so zu steuern, dass Demokratien in ihrer ideellen Substanz ausgehöhlt, aufgefressen werden.
Durch den Wandel vom ursprünglich menschenfreundlichen nützlichen Kommunikationsinstrument wurde das Internet eine Art Religionsersatz (faszinierend, hypnotisch, begeisternd) und zum Werkzeug eines profitgierigen machtorientierten Tec-Bro-Topia (Technologie als Lösung aller Probleme) der Konzerne aus dem Siliconvalley.
Diese Vision eines marktradikalen regelfreien Egoismus steht völlig im Gegensatz zu den Vorstellungen über unsere demokratische Soziale Marktwirtschaft.
Technologie war immer schneller als die Rechtslage. Und wird bleiben.
Grade deshalb sind wir aufgefordert, zu verstehen, was wir zu tun haben, um menschliche Lebensverhältnisse zu sichern. Aber damit reicht diese Auseinandersetzung mit kriminellen Mietwagen schon weit über unser kleines Taxigewerbe hinaus.