Am 4. Februar 2022 hat die Europäische Kommission „Leitlinien“ zur Regulierung von Taxis und Mietwagen veröffentlicht. Sie waren die Basis für eine spannende und konträre Diskussionsrunde zum Thema Urban Mobility & Taxi.
Wie Taxi Times bereits kurz nach Erscheinen der Richtlinien berichtete, sind diese weder rechtlich bindend noch sind sie die Vorstufe zu einem europäischen Gesetzgebungsverfahren. Das betonte auch Anja Kaeller von der Europäischen Kommission, die per Videostream der Diskussionsrunde zugeschaltet war und den rund 80 anwesenden Gästen aus der Taxibranche die Grundzüge der Richtlinien erläuterte.
Auf dem Markt der Personenbeförderung habe sich viel geändert, vor allen Dingen durch das Auftreten von Ride-Hailing Plattformen wie Uber, Bolt und anderen, sagte Kaeller und erläuterte, warum die Thematik nach und nach europäisch wird, obwohl es keine spezifische EU-Gesetzgebung gibt und die Regelungen bisher ausschließlich durch die einzelnen Mitgliedsstaaten definiert werden: Jene Plattformunternehmen seien in verschiedenen Mitgliedsstaaten aktiv. EU-Bürger seien mobil und würden sich wundern, dass ihre Bestell-App, die sie zuhause nutzen, woanders nicht funktioniert oder illegal ist. Zudem seien mittlerweile einige Rechtssachen zu diesem Thema am Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig. „Allein diese Tatsache zeigt, dass es immer weiter auf die europäische Ebene geht und immer mehr europäische Fragestellungen auftreten“, resümiert Frau Kaeller.
Im Bereich der gewerblichen Personenbeförderung hätten sich zwei Dinge stark verändert. Zum einen seien die Vorausbuchungen im Mietwagensektor sehr kurzfristig geworden, („es geht jetzt unmittelbar kurz vor Fahrtantritt“). Zum anderen würden die Preise nicht mehr von den Mietwagen, sondern von den Plattformen festgesetzt. „Weil die Dienste sehr viel ähnlicher geworden sind, ist das Konkurrenzverhältnis zwischen Taxis und Mietwagen stärker geworden.“
Darauf hätten viele Mitgliedsstaaten auf sehr unterschiedliche Weise reagiert. Die Leitlinien der EU-Kommission sollen hierbei eine Orientierung bieten. Die Inhalte verfolgen drei Ziele: Erstens sollen Bürgerinnen und Bürger frei verfügbare, erschwingliche, qualitativ hochwertige und sichere Verkehrsdienste haben. Gleichzeitig muss die regulatorische Planung auch das Ziel des Green Deals, weniger Emissionen zu produzieren, im Blick haben. Und drittens müssen die europäischen Verträge eingehalten werden.
Kaellers einführende Erläuterungen bildeten dann die Basis für eine Podiumsdiskussion mit Gregor Beiner sowie Ralph Herbertz, die beide „in Präsenz“ auf der Bühne waren und von der Moderatorin Nina Nagel geleitet wurden.
Nagel arbeitet für die Brüsseler Agentur „Political Intelligence“ und tritt dort auch im Namen der Taxis4SmartMobility auf, deren Chairman wiederum der Münchner Taxiunternehmer und Verbandsfunktionär Gregor Beiner ist. Taxis4SmartMobility sei die größte Taxistimme auf europäischer Ebene, die gegründet wurde, um auf der europäischen Ebene mitgestalten zu können. „Das ist deshalb wichtig, weil das die Vorgaben sind, die wir übermorgen erleben“, sagte Beiner. Er appellierte an die anwesenden Teilnehmer, größtenteils Chefs und Vorstände von Taxiverbänden und Zentralen, sich mit den Themen mehr auseinanderzusetzen und die Arbeit auf europäischer Ebene nicht zu unterschätzen.
Für den Taxivertreter Beiner ist es wichtig, die europäischen Unterschiede zu verstehen. Man befinde sich in einer Gemeinschaft mit unglaublich unterschiedlichen Ländern, weshalb diese Länder ihre verschiedenen Mobilitätsbedürfnisse auch spezifisch regeln sollten. Regelungen, die auf dem Papier absurd wirken, würden beim Blick in die Region sehr nachvollziehbar wirken.
Beiner machte dies am Beispiel der Rückkehrpflicht deutlich, die in der Theorie den Eindruck erwecke, es würden dadurch umweltbelastende Leerkilometer entstehen. Deshalb mag es auch verständlich sein, dass die Richtlinien der EU für eine Abschaffung plädieren. In Deutschland jedoch sei sie ein relevantes Mittel, um die Differenzierung zwischen Taxi und Mietwagen durchzusetzen. Sieht man dann noch speziell in die Region, in der die Rückkehrpflicht viele Leerkilometer verursacht, dann werde das echte Dilemma deutlich: Die Umweltschädlichkeit rühre regional daher, weil die Betriebe ihren Sitz nicht in der eigentlichen Kommune haben, sondern in Nachbarkommunen, um so andere Regelungen zu umgehen.
Für Beiner haben die Kommunen die größte Kompetenz, um über das Mobilitätsverhalten und die Optimierung in der Region zu entscheiden. „Dort die Kompetenz zu belassen ist wichtiger als eine europaweite Harmonisierung anzustreben“, lautet daher sein Fazit.
Unterstützung erhielt Beiner dabei von Ralph Herbertz vom Verkehrsclub Deutschland VCD. „Um beim Thema Mobilität gute Angebote zu schaffen, wird die regionale Expertise dringend benötigt. Die wissen, wo der Schuh drückt und welche Potenziale man durch gute Angebote erreichen kann“, sagte er, warnte aber auch gleichzeitig vor einer Überforderung der Kommunen. Diese entstehe beispielsweise dann, wenn ein reformiertes Personenbeförderungsgesetz jetzt auch die Überwachung von Sozialstandards einfordere. Hier sei es durchaus sinnvoll, wenn von höherer Ebene Musterregelungen definiert werden. Deshalb brauche man auch die weiter oben angesiedelten rechtlichen Rahmen- und Impulsgeber.
Anja Kaeller wollte denn auch in ihrem Schlusssatz das Subsidiaritätsprinzip durchaus anerkennen: „Die Ebene, die etwas regeln kann, soll es auch regeln, es sei denn, es gibt einen Mehrwert, es auf der nächsthöheren Ebene zu regeln.“ jh
Beitragsfoto: Unter der Moderation von Nina Nagel diskutierten Ralph Herberts und Gregor Beiner über die EU-Richtlinien für Taxis und Mietwagen.