Nachdem die Legislative (in diesem Fall der Bund) sich viel Zeit für seine PBefG-Novelle genommen hat, hat sie der Exekutive (in diesem Fall den Ländern) nur wenig Zeit gelassen, seine neuen Anforderungen an die Fachkunde im Gelegenheitsverkehr umzusetzen.
Die Folge: Entsprechend werden nun zum 2. August dieses Jahres bundesweit die Ortskundeprüfungen für Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern abgeschafft. Die neue Fachkunde für alle Antragssteller dieser Fahrerlaubnis kann allerdings noch nicht eingefordert werden, da man sich in der Kürze der Zeit weder inhaltlich noch über die Art und Umsetzung dieses Nachweises hat einigen können.
Im Ergebnis kann nun jede und jeder bei seiner oder ihrer Kommune den P-Schein beantragen und darf dann für den Rest seines Lebens bundesweit Taxi-, Mietwagen- und Bedarfsverkehre durchführen. Bundesweit? Nein, denn ein einzelnes Bundesland ist ausgeschert und hat immerhin eine konstruktive Teillösung der Problematik hinbekommen. Damit werden in Bayern die neuen P-Scheine zunächst nur mit einer dreijährigen Gültigkeit versehen, und sobald dann die neue Fachkunde angeboten wird, muss sie auch von diesen bayerischen Führerscheininhabern innerhalb eines Jahres nach Einführung dieser Prüfung nachgeholt werden. Mittlerweile sind auch andere Bundesländer mit ähnlichen Übergangsregelungen nachgezogen.
Eigentlich müssten sich die Juristen und Rechtsanwälte schon jetzt ins Fäustchen lachen, denn mit dieser Regelung wäre es so, dass der Kölner Neu-Taxler lebenslang auch ohne Fachkundeprüfung in Bayern Taxi fahren dürfte, während die bayerische Neu-Taxlerin, die in Köln arbeiten will, dies nicht ohne nachträglichen Fachkundenachweis darf. Auch wenn der Rechtsgrundsatz „gleiches Unrecht darf nicht sein“ nicht einklagbar ist, ist Führerscheinrecht Bundesrecht, und insofern kann diese Ausnahme nicht rechtskonform sein. Allerdings wird die entsprechende Klagewelle wohl ausbleiben, denn wer überhaupt bereit ist, in Köln oder München als Taxler zu arbeiten, der oder die wird bestimmt nicht vor Gericht ziehen, um dieses Recht auch durchzusetzen.
Aber in der Sache ist es eigentlich die bayerische Lösung, die dem Gewerbe – letztendlich wohl eher zufällig – einen wirklich guten Weg aufzeigt. Fakt ist: Die Branche benötigt händeringend Personal. Bisher waren es vielfach die Ortskenntnisprüfungen, die zumindest in den Städten eine effektive Personalakquise erschwerten. Sollte nun ein Fachkundenachweis diese Messlatte eins zu eins ersetzen, stehen viele Unternehmen wieder vor dem gleichen Problem.
Der eigentliche Charme der bayerischen Initiative liegt daher darin, dass Neubewerber dort für eine befristete Zeit zunächst in das Gewerbe hineinschnuppern können, um dann nach einem Jahr belegen zu müssen, dass sie auch ein bisschen was gelernt haben. In anderen Branchen hat diese Grundausbildung, der zum Abschluss eine Prüfung folgt, einen Namen, man nennt sie Lehre. Bei einer Lehre haben letztendlich die Arbeitgeber gemeinsam mit den Mitarbeitern das Interesse, das notwendige Fachwissen bis zur Prüfung zu vermitteln, während es nur in unserer Branche zumindest bisher so war, dass die Bewerber*Innen für die Ortskenntnisprüfung schon vor der ersten Schicht auf eigene Faust pauken mussten, um dann im weiteren Verlauf ihrer Karriere nie wieder irgendwelche Kenntnisse belegen zu müssen.
Und vielleicht liegt hier auch genau der Knackpunkt der schon seit Jahrzehnten diskutierten Fachkunde. Elektroniklehrlinge lernen am ersten Arbeitstag Plus und Minus zu unterscheiden, warum sollten gerade Taxifahrer sich die notwendigen Kenntnisse schon vorher aneignen. Sind es nicht gerade die Unternehmen, die über das notwendige Fachwissen verfügen, wie Mann oder Frau zum erfolgreichen Taxler wird? Und wer seine Neulinge für die erste Schicht ohne vorherige Schulung als Copilot auf die Straße schickt und davon ausgeht, dass die Straße einen schon alles lehrt, was als Taxler wissenswert ist, der handelt eh unverantwortlich.
Wenn es künftig dank fehlender Eingangsprüfung vielleicht sogar (viel) mehr Bewerber*Innen für unser Gewerbe gäbe und die Branche dann selbst die Aufgabe hätte, diese Mitarbeiter*Innen zu schulen und dann nach einem Jahr erfolgreich durch eine Prüfung zu geleiten, hätte dann die Branche hier nicht eine riesige Chance, endlich das Pferd von vorne aufzuzäumen? Die Aussage „dieses oder jenes Unternehmen hat mich bei der Prüfung ganz toll unterstützt“ hätte dann einen ganz anderen Stellenwert als bisher, wo teilweise das Fahrpersonal besser als der Unternehmer darauf achtet, dass beispielsweise die Kindersicherungspflichten beachtet werden. Und gleichzeitig würde eine solche Regelung auch die Diskussion erleichtern, welche Kenntnisse denn überhaupt für eine gewerbespezifische Fachkunde erwartet werden können. Bei einer Anlernzeit von einem Jahr darf man schon einiges an Fachkenntnis erwarten.
Wenn nun also am 19. August die Verbandsvertreter im Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) eingeladen sind, um über Art und Durchführung der neuen Fachkunde zu diskutieren (womit die vehemente Forderung des TMV nach einem Runden Tisch nun endlich erfüllt wird), wäre es dort vielleicht sogar möglich, nicht einfach nur einen Konsens auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, sondern ganz überraschend einen großen Wurf für die Branche zu schaffen. Es ginge dann vielleicht nicht mehr darum, welche Fragen sachgerecht oder möglich sind, und ob ein Teilnahmeschein reicht oder ob es eine echte Prüfung geben muss, sondern es könnte ganz entspannt über wirklich relevante Inhalte gesprochen werden, und die Prüfung könnte ähnlich den theoretischen Führerscheinprüfungen an die Kommunen delegiert werden, da die Bewerber*innen nun ja genügend Zeit haben, ihre Fachkenntnisse nachzuweisen. Der Prüfungsinhalt ergibt sich, indem einige relevante Punkte aus der Führerscheintheorie übernommen werden und um einige fahrgastrelevante Punkte ergänzt werden.
Das Beste an einer solchen Regelung wäre, dass die angesprochenen Rechtsunsicherheiten sofort wieder obsolet wären, da sie ab dem 20. August gültig sein könnte, denn der Fragenkatalog müsste dann trotzdem noch nicht sofort vorgelegt werden, sondern könnte mit einer gewissen Karenzzeit noch sachgerecht entwickelt werden kann. Schaun mer also mal, ob der „bayerische Weg“ es doch noch schafft, diesem leidigen Thema einen erfolgreichen Abschluss zu bescheren, es wäre der Taxibranche zu wünschen. rw
Leider hat das Taxigewerbe über Jahrzehnte bewiesen, dass es eben doch anders „tickt“. Nach der legendären „Razzia von Osnabrück“ folgten unzählige weitere Skandale. Das Taxigewerbe darf einfach nicht unreguliert seinen Dienst tun. Und das gilt somit auch für eine nachhaltige Lösung bei der Fachkundeprüfung. Es wäre vielleicht smart aber auch gleichzeitig fatal, die angehenden Taxifahrer*innen zunächst nur durch die Unternehmen „ausbilden“ zu lassen. Das könnten nur die weißen Schafe vernünftig leisten. Die schwarzen Schafe sind aber immer noch in der überwältigenden Mehrheit. Und bei denen 12 Monate in die „Lehre“ zu gehen, wäre ein verlorenes Jahr.