Wie muss ich mich verhalten, um auch nicht versehentlich Unfallflucht zu begehen und welches Risiko besteht dabei? Droht ein Fahrverbot oder sogar gleich der endgültige Entzug der Fahrerlaubnis?
Gerade wer regelmäßig im Stadtverkehr unterwegs ist, kennt die Situation: Ich nehme Fahrgäste auf, muss beim Drücken auf den Taxameter rangieren, bekomme gleichzeitig das Fahrziel genannt und bestimme im Kopf die Fahrtroute, bin abgelenkt … War da gerade beim Rückwärtsfahren ein ganz leichter Widerstand? Das parkende Auto im Rückspiegel ist sehr nah.
In so einer Situation läuft im Kopf jedes Mal das gleiche dreiteilige Muster ab: War da was, ist da etwas beschädigt? Da war doch nichts, ich habe jetzt keine Zeit. Wenn ich jetzt einfach wegfahre und jemand hat mich gesehen und zeigt mich an, was passiert dann? Und gerade zu der Frage, was dann passiert, kursiert viel gesundes Halbwissen, da der Gesetzgeber solche Fälle nicht detailliert genug regeln kann, um jedem Fall gerecht zu werden.
Da ja nicht jedes Unfallgeschehen gleich dramatisch zu bewerten ist, und auch, da die geschilderte Situation vor allem dann auftritt, wenn es um vermeintlich geringfügige Schäden geht, lohnt es sich, gerade dieses Szenario des unbeabsichtigten Parkrempelns durchzugehen, wenn mensch nicht gerade im Stress vor Ort ist. Davon zu unterscheiden ist eine vielleicht panische Flucht nach einem schweren Unfall, an dem mensch beteiligt war. Hier gilt natürlich ohne Wenn und Aber das Prinzip der Verantwortung, hier ist ein Entfernen vom Unfallort zweifelsohne inakzeptabel.
Das „unerlaubte Entfernen vom Unfallort“ (kurz: Unfallflucht) ist im Strafgesetzbuch unter § 142 geregelt. Danach macht man sich der Unfallflucht schuldig, wenn man sich als Unfallbeteiligter vom Unfallort entfernt, ohne durch die Mitteilung der eigenen Personalien eine Kontaktaufnahme zu ermöglichen oder eine angemessene Zeit auf andere beteiligte Personen zwecks Datenaustausches zu warten.
Ein „Unfall“ ist dabei im Gerichtsalltag als unvorhergesehenes Ereignis im Straßenverkehr definiert, bei dem ein Schaden über der Bagatellgrenze von 40 Euro entstanden ist. Allein aus dieser gerichtsüblich sehr kleinteiligen Wertung ergibt sich schon, dass ich zumindest aussteigen und sehr genau hinschauen muss, bevor ich erkennen kann, ob tatsächlich „gar nichts“ passiert ist. Zumindest in diesem Land ist auch eine minimal sichtbare Schramme zwangsläufig ein reparaturbedürftiger Schaden, dessen Instandsetzung wohl immer mehr als vierzig Euro kosten wird. Gleichzeitig unterdrücke ich so aber auch wirkungsvoll den gängigen Impuls, einfach wegzufahren, denn danach muss ich wirklich sachgerecht und kann nicht mehr impulsiv entscheiden.
Nun steht die Frage im Raum, wo und wie lange ich mich im Zweifel zur Verfügung halten muss. Im Bestreben, bloß nichts falsch zu machen, macht sich dann absolute Hilflosigkeit breit, die leider häufig seitens der Polizei unterstützt wird, die diesbezüglich überhaupt keinen Spaß versteht. Fakt ist: Wer dem Unfallgegner den berühmten handgeschriebenen Zettel hinter den Scheibenwischer klemmt und wegfährt, begeht, auch wenn die Kontaktaufnahme dadurch tadellos funktioniert, trotzdem Unfallflucht, solange man sich nicht auch anderweitig bemüht hat, den Halter des gegnerischen Fahrzeug zu ermitteln.
Hilfreich kann eine Selbstanzeige sein: Man informiert die Polizei über den Vorgang, beispielsweise auch telefonisch, und überlässt den Beamten die Entscheidung, ob sie bei dieser pragmatischen Lösung mitspielen. Gibt einen der dortige Gesprächsteilnehmer frei, wäre man mit dem Zettel hinter dem Scheibenwischer wohl vor einer Strafverfolgung sicher.
Aber auch ansonsten muss ich natürlich nicht ewig vor Ort bleiben, um mich sicher gegen den Vorwurf der Unfallflucht abzusichern. Als Faustregel kann gelten, dass die „angemessene Wartezeit“ je nach Schwere und Hergang des Unfalles variiert. Bei einem Kratzer auf dem Parkplatz gelten ca. 30 Minuten als ausreichend, bei schwereren Unfällen können 60 Minuten oder noch längere Aufenthalte erwartet werden.
Bei der Definition des Unfallortes, an dem ich zu bleiben habe, sind die Grenzen allerdings enger gesteckt. Außer einem eventuell notwendigen Toilettengang wird es kaum eine Entschuldigung geben, die einem innerhalb dieses Zeitraums eine Entfernung von mehr als 20 oder 30 Metern vom Unfallort gestattet.
Wer also erst einmal anhält, aussteigt und nach möglichen Schäden sucht, ist auf dem richtigen Weg. Ist kein Schaden zu entdecken, kann man vielleicht ein/zweimal hupen, um den Halter ggf. aufmerksam zu machen. Passiert daraufhin nichts, kann man einen leserlichen Zettel schreiben, diesen wasserdicht verpacken und so hinter den Scheibenwischer klemmen, dass er auch nicht wegwehen kann. Mit dieser Handlungsweise sollten in der Regel die für Bagatellschäden notwendigen 30 Minuten schon fast vergangen sein, und man darf sich von Unfallort entfernen, auch ohne das Risiko einer Fahrerflucht einzugehen. Ist jedoch anstelle eines Lackschadens ein Blechschaden festzustellen, sollte man vorsichtshalber die Polizei informieren und dort fragen, ob eine telefonische Personalienangabe ausreicht, oder ob der Unfall direkt vor Ort aufgenommen werden soll. Wer im Schadenfall anders handelt, setzt sich tatsächlich sehr schnell dem Risiko aus, sich eine Fahrerflucht vorwerfen zu lassen.
Die letztendliche Entscheidung, ob eine Fahrerflucht vorlag oder nicht, obliegt letztendlich dem Gericht. Sie ist also nicht klar genormt, sondern unterliegt dem menschlichen Ermessen eines Richters. Die daraus folgenden Strafen können u. U. drakonisch sein. Laut Gesetz besteht die grundsätzliche Strafe für Fahrerflucht in einer Geld- oder Freiheitsstrafe, wobei Freiheitsstrafen nur selten verhängt werden, etwa, wenn bei einem Unfall jemand zu Tode gekommen ist. Die Höhe des Strafmaßes bemisst sich nach dem durch den Unfall entstandenen Schaden: Schon bei einem relativ geringen Sachschaden von einigen hundert Euro ist neben einer Geldstrafe von bis zu 30 Tagessätzen zu rechnen.
Abgesehen von der zu erwartenden Geldstrafe drohen jedoch unter Umständen weitere verkehrsrechtliche Sanktionen gegen den Unfallflüchtigen. Unter 2 Punkten in Flensburg und einem vorübergehenden Fahrverbot kommt man nicht davon. Ab einem Sachschaden von ca. 1.250 Euro aufwärts drohen eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen, 3 Punkte in Flensburg sowie der Entzug der Fahrerlaubnis. Und bei Unfallflucht von einem Unfall, bei dem Personen zu Schaden gekommen sind, ist in jedem Fall mit dem Entzug der Fahrerlaubnis zu rechnen. rw
Beitragsfoto: Auch kleine Schäden sind meist teuer. Foto: Remmer Witte