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Festpreis-Schlacht in Hamburg schon vor Festpreis-Einführung

von Axel Rühle
14. Mai 2024
Lesedauer ca. 4 Minuten.
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Mit dem Markteintritt von Bolt ist auf dem Hamburger Taximarkt ein Dumping-Kampf zwischen Bolt und Free Now entbrannt, die ihren Kunden Geschenke machen – zu Lasten der Taxizentralen, die sich das nicht leisten könnten.

In Hamburgs Taxigewerbe ist seit einer Woche nicht mehr alles, wie es war. Seit letztem Dienstag ist ein weiterer der großen europäischen Fahrtenvermittler in der Personenbeförderung tätig: Nachdem Bolt in Hamburg schon länger elektrisch angetriebene Tretroller (sogenannte E-Scooter) verleiht und sich so einen erheblichen Kundenstamm aufgebaut hat, vermittelt der estnische Konzern hier seit Dienstag letzter Woche auch Taxis. Damit ist ein Preiskampf zwischen Bolt und Free Now entstanden: Mit einer Vermittlungsprovision von 10 Prozent des Fahrpreises unterbietet Bolt seinen Konkurrenten, der bislang 13 Prozent verlangt. Um schnell an weitere Kunden zu kommen, wirbt Bolt mit Nachhaltigkeit und „attraktiven Rabatten“: „Mit bis zu 50 % Rabatt auf die ersten 10 Fahrten möchten wir unseren Nutzer:innen die Möglichkeit geben, diesen neuen Service zu einem unschlagbaren Preis kennenzulernen und bequem über die Bolt App zu buchen.“ Auch barrierefreie Taxis sind im Angebot. Um auch den Unternehmen die Kooperation schmackhaft zu machen, vermittelt Bolt die Aufträge in den ersten Wochen sogar ganz ohne Provision.

Free Now mischt in Hamburg schon länger mit, allerdings im Unterschied zu anderen Städten nicht auf dem Mietwagenmarkt, der hier bekanntlich – bundesweit einzigartig – von den Behörden in wünschenswerter Weise kontrolliert wird und daher frei von illegalem taxigleichen Verkehr ist. Uber wie auch Bolt spielen somit auf Hamburgs Mietwagenmarkt keine Rolle. Auch Free Now betätigt sich in der Freien und Hansestadt ausschließlich als Taxivermittler. Auf den Markteintritt von Bolt mit seinen Kampfpreisen reagierte Free Now bereits einen Tag später mit einer unkonventionellen Maßnahme: Man bietet für alle von ihm vermittelten Fahrten Festpreise an.

Das ist ein Vorgriff auf eine bevorstehende Neuerung im Taxitarif, deren Umsetzung seitens der Stadt zwar bereits angekündigt, aber noch nicht datiert ist. Free Now bietet nun – wie in anderen Städten bei Mietwagenfahrten üblich – Festpreise für alle über die eigene App vermittelten Taxifahrten an. Noch am Tag des Markteintritts von Bolt verkündete Free Now, das „Festpreis-Taxi“ basiere auf dem regulären Hamburger Taxitarif und werde auf einem „Maximum-Preisschema“ aufgebaut. Dies bedeute, dass Passagiere im Voraus einen Maximalbetrag angezeigt bekommen, den sie für die Fahrt zahlen müssen. Sollte der Taxameter den angegebenen Preis überschreiten, zahlt der Passagier lediglich den festgelegten Preis. Die Differenz bezahlt Free Now. Liegt der Taxameterbetrag unterhalb des vorher festgelegten Preises, zahlt der Kunde nur den angezeigten Fahrpreis. „Somit ist der beste Preis immer garantiert“, verspricht der App-Vermittler.

Die Mercedes-Benz-Tochter spielt somit – noch hemmungsloser als Bolt – einen Trumpf aus, der den klassischen Taxizentralen nicht zur Verfügung steht: Aus der unerschöpflichen Quelle der Kapitalgeber wird den Kunden etwas geschenkt, um sie anzulocken. Das erinnert an die früheren Rabatt-Aktionen. Der Festpreis-Vorgriff war bereits länger geplant, wie Free Now auch Taxi Times gegenüber auf Anfrage bestätigte.

Im Unterschied zu Uber mit seinen Dumpingpreisen bei roten Zahlen dürften die Geschenke von Free Now und Bolt an die Kundschaft allerdings kein „Draufzahlen“ im großen Stil bedeuten: Aufgrund der so genannten Karenzminute im Hamburger Taxitarif – Wartezeit wird erst ab der 61. Sekunde berechnet – fallen verkehrsbedingte Wartezeiten, etwa bei Stau, kaum ins Gewicht, so dass der von Free Now im Voraus berechnete Fahrpreis, basierend auf der kürzesten Strecke und unter Berücksichtigung der Verkehrslage, recht realistisch angesetzt wird.

Sachgebietsleiter Dirk Ritter von der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) sieht die Entwicklung nicht ohne Sorge, aber solange sich „alle an die Regeln halten und der Mietwagen wegbleibt“, könne man wenig tun und wolle dies auch nicht. Vielmehr zu denken gebe ihm der Fahrgastschwund. Er begrüße daher „jegliche Promo pro Taxi“.

Bei den Taxibetrieben ist nach dem Markteintritt von Bolt und dem entstandenen Preiskampf mit Free Now ein ähnlicher Effekt zu beobachten wie beim Eintritt der Plattformvermittler in anderen Städten (dort vorwiegend auf dem Mietwagenmarkt): Ein Teil der Unternehmer ist skeptisch und sieht den neuen Vermittler eher als fragwürdige Konkurrenz, die sich bereichern möchte, ohne mehr zu bieten als die Zentralen. Andere wiederum finden, Konkurrenz belebe das Geschäft, und kooperieren sofort und bereitwillig mit Bolt: „Ich finde es gut, dass es jetzt einen zusätzlichen Anbieter gibt“, zitiert das „Hamburger Abendblatt“ den Taxiunternehmer Ivica Krijan, zugleich Funktionär beim Verband der Taxi-Mehrwagen-Unternehmer e.V. (MUV), einer von mehreren Gewerbevertretungen in Hamburg. Krijan habe sich mit seinen sechs Taxis dem neuen Vermittler bereits angeschlossen und das grüne Bolt-Logo auf die Wagen geklebt. „Ich tanze auf allen Hochzeiten. Wir fahren für alle, von denen man Fahrten vermittelt bekommt.“

Weil Ihnen 13% Provision bei Free Now zu teuer waren, haben die Hamburger Taxiunternehmer Ivica Krijan (links) und Mohammad Safar Nejad jetzt für künftig 10% Provision dem fragwürdigen Unternehmen Bolt die Tür in den Hamburger Taximarkt geöffnet. Foto Taxi Times

Anders sieht es Jan Grupe, Vorsitzender der Taxen-Union Hamburg e. V.: „Inzwischen weiß jede Taxiunternehmerin und jeder Taxiunternehmer in Deutschland, wie vernichtend sich das Geschäftsmodell Mietwagen der Plattformanbieter Bolt, Uber und Free Now auf das Taxigewerbe ausgewirkt hat. Lohndumping, illegale Beschäftigung und die sogenannte Kannibalisierung des Taxigwerbes sind in Berlin, München, Frankfurt und anderen Großstädten leider weit fortgeschritten. Die Firma Bolt ist nun ein weiterer Plattformanbieter, der auf dem lukrativen Mobilitätsmarkt Hamburg mit dem Angebot Taxi ‚Fuß fassen’ möchte. Dass die klassischen Taxizentralen mit den Rabattschlachten der teils börsennotierten Konzernen nicht mithalten können, ist klar. Aber dass Taxiunternehmerinnen und -unternehmer bzw. sogenannte Gewerbevertreter Werbung für Firmen wie Bolt und Uber machen, ist nicht nur fragwürdig, es untergräbt auch die Bemühungen Hamburgs und der Taxen-Union für ein starkes Taxigewerbe ohne die unseriös arbeitenden Mietwagenflotten der genannten Plattformanbieter.“ ar

Beitragsfoto: Bolt

 

Tags: BoltDirk RitterDumpingFestpreiseFree NowHamburgIvica KrijanJan Grupe
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Axel Rühle

Der Berlin-Insider ist Funkkurs-Dozent und ursprünglich Stadtplaner. Seit 1992 ist er im Besitz eines Personenbeförderungsscheins und immer wieder auch im Taxi anzutreffen. Inhaltlich betreut er in Wort und Bild alle Themen rund um die Taxi Times Berlin.

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Kommentare 4

  1. Pali says:
    2 Jahren her

    Interessant, warum kann man das Model Hamburg nicht auf München übertragen?
    Es fahren so viele Auswärtige Kennzeichen in München für UBER Bolt und freenow.
    Da muss etwas passieren !!!

    Antworten
  2. Ivica Krijan says:
    2 Jahren her

    Offenbar versteht Herr Grupe nicht das Wort „Wettbewerb“. Es existiert nicht „das gute Taxi“ und die „bösen Anderen“. Es gibt nur diejenigen, die sich an die Spielregeln halten und diejenige, die es nicht tun. Und in HH halten sich eben alle an die Spielregeln. Und das ist Verdienst der „sogenannten Gewerbevertreter“ und nicht von Herr Grupe. Wir brauchen Wettbewerb unter der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Wir brauchen aber keine Herrschsucht der Zentralen.

    Antworten
  3. J. Chronor says:
    2 Jahren her

    Wie immer bei Markteintritt neuer Anbieter, geht es um Verdrängung bisheriger Anbieter, um sich selber möglichst schnell den größtmöglichen Anteil am Markt zu sichern.
    Wenn dazu Dumpingangebote benutzt werden, ist der Weg ganz kurz zu illegalen wettbewerbswidrigen Methoden. Der finaziell lange Atem der dahinterstehenden Großkonzerne ist nach meiner Meinung wettbewerbswidrig, da ungleiche Marktvoraussetzungen vorliegen.
    Dem Kunden ist auch hier mit einer kurzfristigen ‚Geiz ist geil‘ Politik nicht auf Dauer gedient. Wie an Uber zu sehen ist, fahren die ja bereits eine ganze Dekade ihre unerträgliche Strategie und finden immer wieder Teilnehmer.
    Es sind konsequente juristische Maßnahmen auf allen entsprechenden Ebenen nötig.
    Zu viele haben offenbar noch nicht verstanden!
    Jetzt geht es um die aus dem Taxigewerbe entstandenen Zentralen.
    Wohl denen, die auf genossenschaftlicher Basis mit hoffentlich solidarischen Mitgliedern gesegnet sind.
    So schwerfällig diese alteingesessenen Auftragsvermittler in der Vergangenheit gewesen sein mögen, ihre Struktur bietet jetzt die nötigen Handlungsmöglichkeiten.
    Das Taxigewerbe braucht keine international operierenden Konzerne als Auftragsvermittler. Es ist auf lokalen Märkten tätig.
    Überregionale Zusammenarbeit der lokalen Anbieter bietet sich dabei an. Auch das ist ein Baustein für faire Konditionen und kostengünstige Vermittlung.
    Jeder zusätzliche Auftragsvermittler indes steigert lediglich die Gesamtkosten.
    Das ist auf lange Sicht leider das Ergebnis der Nutzung mehrerer Vermittler.

    Antworten
  4. Hans says:
    2 Jahren her

    Wo anderst auf der Welt werden die
    Milliarden mit Gewalt und Gesetzesbrüche einkassiert und leider in Deutschland mit Schmiergeldern und Gesetzes änderungen eingesetzt bis die Taxen pleite gegangen sind werden die es durch ziehen, Mindestlöhne dürfen fest gesetzt werde aber keine Mindesttarife für Taxen und Mietwagen ( weil Uber dann klagen könnte) wer regiert hier das Land??? die gig Konzerne? oder die Politiker? die Stadt darf die Bus und Bahn preise fest setzen aber nicht die eigenen Taxen und Mietwagen? Die Städte könnten eine App entwickeln womit man alle öpnv bus,bahn,taxen,mietwagen rein tut und sagt in meiner Stadt konzessionierten Fahrzeuge dürfen über externe apps gebucht werden und die anbieter wie uber,bolt,freenow können die fahrten Preislich gestalten wie sie es möchten (ABER) es muss alles am ende über die Stadt eigene App die Aufträge vermittelt werden was die Stadt fest setzt und die drittanbieter können an die Kunden Ihre eigenen Preise durchgeben am ende aber wird der Preis zwischen Unternehmer und drittanbieter nicht unter Mindesttarif fallen 😉 preislich ist dann zwischen drittanbieter und der Kundschaft so gesehen kein Mindesttarif bitteschön Uber so könnt ihr niemanden Klagen 🙂

    Antworten

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