Im Onlineformat „TMV direkt“ stellte sich als dritter Politiker Stefan Gelbhaar als profilierter Verkehrspolitiker der Grünen im Bundestag am Mittwoch den Fragen der Branche. Er zeigte sich wie immer sehr gut informiert.
Der Berliner Jurist Stefan Gelbhaar, der bereits in seiner Zeit als Berliner Landespolitiker als besonders gut informierter Kenner des Taxigewerbes auffiel, sitzt seit 2017 für die Grünen im Bundestag und ist auch im Verkehrsausschuss aktiv. Schon in der letzten Legislaturperiode hatte er sich im Vorgängerausschuss engagiert, unter anderem bei der Reform des PBefG, und erwies sich nach den Worten von Moderator Patrick Meinhardt vom Taxi- und Mietwagenverband dabei stets als verlässlicher Partner des Gewerbes.
Gelbhaar zeigte sich sehr aufgeschlossen gegenüber den Bedürfnissen und Interessen der „Taxifamilie“, wie Meinhardt die Branche vor kurzem betitelt hatte, und brachte dann auch gleich Pfeffer in die Runde, als er seinen Eindruck aus Gesprächen als Taxikunde schilderte. Den Wegfall der Ortskundeprüfung fänden viele Fahrerinnen und Fahrer nur bedingt genial. Die Neuerung schaffe das Problem, dass nun „jeder Hinz und Kunz“ Taxi fahren dürfe. Nahezu zwangsläufig folgte darauf die Replik Patrick Meinhardts, dass der TMV schon im letzten Sommer Vorschläge für die „kleine“ Fachkunde eingereicht und einen runden Tisch zu dem Thema angeregt habe. Noch sei hier aber nicht viel passiert. Gelbhaar nahm die Problematik mit, nutze dies aber gleichzeitig als Anlass, die Branche um regelmäßigen Input zu bitten: „Füttern sie mich gern mit Infos“, was er in der Folge bei weiteren Themen auch mehrfach wiederholte. Gleichzeitig bezeichnete er es als misslich, dass Taxi und Mietwagen oftmals nicht mit am Tisch säßen, wenn die Politik taxirelevante Themen diskutiere.
Gelbhaar war dabei sehr bewusst, dass im PBefG eine Überprüfung der Neuregelungen mittels einer verpflichtenden „Evaluierung“ festgelegt sei. Und er fragte in die Runde, ob und wie denn die Genehmigungsbehörden bisher mit dem neuen Werkzeugkasten aus dem PBefG klarkämen, beispielsweise auch mit der optionalen Kontingentierung von Mietwagen.
Spannend wurde es, als Thomas Grätz als Berater des Gewerbes nach Staatssekretär Oliver Luksic vor einer Woche nun auch Stefan Gelbhaar darauf hinwies, dass im neuen PBefG die Ordnungswidrigkeitsbewährung gerade für die Neuregelungen im Gesetz fehle. Luksic habe daraufhin eine erwünschte Freiwilligkeit bei der Umsetzung ins Spiel gebracht. Gelbhaar wurde gerade hier sehr hellhörig, da eine solche Freiwilligkeit offensichtlich gar nicht mit seinem Verständnis der neuen Regelungen harmonierte. Er wies aber auch darauf hin, dass jedwede weiteren Änderungen am PBefG in Politikerkreisen häufig als zumindest „schwierig“ gälten.
Selber gespannt ist Gelbhaar im Übrigen bei der Frage, inwieweit Taxi und Mietwagen zukünftig ähnlich dem klassischen ÖPNV zumindest in der Fläche subventionierbar wären. Hier fehle bisher ein Statement zu dem exakten Status von Taxi und Mietwagen im ÖPNV. Beim Thema Wasserstoff im Taxieinsatz dämpfte Gelbhaar jede Erwartung. Er könne sich kaum vorstellen, dass Wasserstoff im PKW-Segment in naher Zukunft verfügbar sein könne, da damit vorrangig energieintensive Industrien und anschließend eher der LKW-Verkehr versorgt werden müsse, da müssten PKW erst mal hinten anstehen. Gleichzeitig gesteht er der Branche zu, dass deren Fragen zu alternativen Antrieben und deren Wirtschaftlichkeit zeitnah verlässlich beantwortet werden müssten und sieht hier den Staat ausdrücklich in der Pflicht. Die klimapolitische Transformation sei jahrelang mit angezogener Handbremse verfolgt worden. Daher liefen gerade kleinere Gewerbetreibende Gefahr, wirtschaftlich falsche Entscheidungen zu fällen.
Den Umsetzungsfortschritt bzgl. der Mobilitätsdatenverodnung nahm Gelbhaar als unbefriedigend wahr, konnte jedoch in den bisher umgesetzten Regelungen durchaus positives erkennen. Die Branchenfrage, ob denn tatsächlich keine Echtzeitabfragen von Fahrtdaten geplant seien, wie der aktuelle Referentenentwurf vermuten ließe, konnte auch er nicht beantworten, verwies aber darauf, dass den Genehmigungsbehörden so eventuell ein gleichzeitig doch wünschenswertes Werkzeug zur Legalitätsprüfung abhanden käme.
Sehr kompetent und informiert zeigte sich Gelbhaar auch bei den Themen rund um den gebündelten Bedarfsverkehr, Uber oder auch Mobility on Demand. Mit den Neureglungen im PBefG habe die Politik auch einen ökologischen Mehrwert im Blick gehabt, welcher aus dem Blick geriete, wenn in neuen Verkehrsformen keine sinnvollen Bündelungsquoten erzielt würden. Auch war ihm bewusst, dass viele dieser Angebote letztendlich Dumpingangebote seien, da hinter einigen Firmen entsprechend größere Partner stünden, die dem Gesamtprodukt eines ökonomisch und ökologisch ausgewogenen Systems eher entgegenstünden. Wenn dann am Ende die Taxi- und Mietwagenbranche selbst nicht überleben könne und neue Anbieter parallel nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwinden, sei das politische Ziel klar verfehlt.
Im Ergebnis nahm Gelbhaar viele Anregungen aus der Branche mit, wusste gleichzeitig um viele Probleme und stand auch zukünftiger Kommunikation sehr offen gegenüber. Sicherlich muss Politik auch genau dies vermitteln, aber in dieser Folge von „TMV direkt“ konnten die Zuhörer*innen wirklich den Eindruck gewinnen, mit Stefan Gelbhaar einen sehr lösungsorientierten Mitautoren des neuen PBefG vor sich zu haben, der es tatsächlich in der Folge auch mit Leben füllen möchte. Insofern wäre es wünschenswert, dieses Dialogformat regelmäßig fortzusetzen, um so mittelfristig auch eine Ergebniskontrolle zu ermöglichen.
Veranstaltungssponsor Christian Meyer von der Telekom, der diesmal als Mr. Magenta auftrat, wies noch einmal auf das Förderpaket der Telekom im Rahmen der Elektromobilität für das Gewerbe hin. Die Telekom wolle 50 Schnellladeinfrastrukturen aufbauen und sucht dafür geeignete Orte. Mit dem Tarif DC Strom hoffe man dabei, die Preise für die gewerblichen Endverbraucher stabil zu halten. In der Modellstadt Hamburg habe man den Eindruck erlangt, dass man mit der Elektromobilität offensichtlich auch sehr gut ein neues junges Publikum für das Taxi gewinnen könne. rw
Beitragsbild: TMV
Hinweis der Redaktion: Das Onlineformat „TMV Direkt“ umfasste bis zum 23.5.2022 sechs Veranstaltungen:
– Oliver Luksic: Neues online-Format „TMV direkt“ gestartet
– Stefan Gelbhaar: Füttern Sie mich mit Informationen
– Christoph Ploß: E-Taxis – Hamburger CDU-Chef fordert Technologie-Offenheit
– Michael Donth: Fachkunde war ein Zankapfel
– Martin Kröber: SPD macht sich für das Taxigewerbe stark
– Jürgen Lenders: Taxi ist immer dann stark, wenn es individuell ist
Der TMV hat eine Fortsetzung der Reihe für den 8. Juni angekündigt.