Für ältere Menschen gehört die Dienstleistung Taxi ganz selbstverständlich zum Alltag. Bei jungen Leuten ist das anders. Man hatte sie nicht ganz im Blick, als die Gesellschaft sich veränderte. Jetzt wird nachgeholt.
Es gab Zeiten, da war eine große Berliner Funkzentrale oder der Hamburger Hansafunk schon allein dadurch im Bewusstsein vieler Verbraucher präsent, dass sein Name und seine Telefonnummer auf jeder Seite des amtlichen Telefonbuchs der Deutschen Bundespost an einem der Seitenränder stand.
Heute ist bei Menschen unter 30 derjenige präsent, der auf Internetplattformen wie Tiktok, YouTube und Instagram zu sehen ist und Follower sammelt. Das sind beim Personenbeförderungsgewerbe in erster Linie Uber und Free Now. Die gelten als hip und weltgewandt, obwohl ihr Geschäftsmodell im Mietwagenbereich auf Rechtsverstößen beruht. Aber auch Gangsterrap und das Spiel mit Regelbrüchen haben in einer Welt, die immer politisch korrekter wird, ihren Platz. Es kommt eben hauptsächlich auf ein cooles Image an.
Das, was PR-Strategen früher mit aufwändigen und teuren Werbespots stemmen mussten, erledigen heute zum Teil die sogenannten Influencer in den sozialen Medien – zu erheblich geringeren Kosten. Das Taxigewerbe kann von den Werbebudgets großer Fahrdienstleister nur träumen. Wie kann es gelingen, mit dieser Erkenntnis die Jugend zu erreichen?
Der Hansafunk war bei der Imagepflege schon oft ein Vorreiter und leistet sich als eine der wenigen Funkgesellschaften einen PR-Berater. Auch der ehemalige Telekom-Kontaktmann Thomas Sell ist als Freund des Taxigewerbes dem Hansafunk verbunden und berät ihn nebenbei. Letztes Jahr reifte die Erkenntnis, dass die Wirkung herkömmlicher PR und Werbung begrenzt ist, und das gilt unter anderem altersmäßig. Junge Leute lassen sich zudem von Qualität weniger überzeugen als von günstigen Preisen, was nicht erst seit Kurzem so ist. Also sah man sich nach junger Verstärkung für das PR-Team um – und musste nicht lange suchen: Als Thomas Sell mit seinem Projekt „Zeit zum Zuhören“ unterwegs war und die Leute begeisterte, stellte ein Unternehmer ihm einen Produzenten von Tiktok-Clips vor und prophezeite Sell: Mit dem wirst Du für dein Projekt, von dem sich eher ältere Menschen angesprochen fühlen, auch die jungen erreichen.
Er sollte Recht behalten, so dass der junge Agenturbetreiber auch für Hansa Funktaxi genau der richtige Mann zu sein schien: Lucas Kleinecke. Der erst 21-Jährige, den man eher auf 30 schätzt, weiß, wie man Zielgruppen ausmacht, und wie man Inhalte an informationsübersättigte und reizüberflutete Smartphonenutzer transportiert.
Aus Kleineckes PR-Schmiede stammt eine Serie von Tiktok-Videos für den Hansafunk, in denen Taxifahrer kurze Begebenheiten aus ihrem Berufsalltag erzählen. So fragt Kleinecke persönlich einen Taxifahrer nach Erfahrungen mit „richtig unangenehmen“ Fahrgästen, und der Fahrer erzählt in leicht ausgeprägter Hamburger Mundart von einer arroganten, älteren Schauspielerin, deren Namen er „natürlich nicht“ nennen darf, so dass man neugierig wird (hier geht es zum Filmchen).
Das Erzeugen von Spannung, so erklärte Kleinecke beim letzten Treffen des Glückstädter Kreises, sei die erste und zugleich wichtigste Hürde, die so ein Tiktok-Video nehmen müsse. Wenn das Fesseln der Zuschauer für mehr als ein paar Sekunden gelungen sei, könne man die gewünschten Informationen transportieren. Zugleich ist beim jungen Publikum, das nach der Jahrtausendwende mit einer viel höheren Informationsfrequenz aufgewachsen ist als die Älteren, die Aufmerksamkeitsspanne wesentlich geringer, weshalb solche Videos mit kurzen, schnellen Schnitten arbeiten, bei denen praktisch jede überflüssige Sekunde herausgeschnitten ist – für nicht so junge Zuschauer, die mit Reklame aufgewachsen sind, in denen „alte Hasen“ das Publikum über die Vorzüge der neuesten Produkte belehrten, schnell eine gefühlte Überflutung.

Nicht nur die Anzahl derjenigen, die ein Video auf Tiktok aufrufen, lässt sich genau messen. Man kann auch eine Statistik darüber führen, nach wie viel Sekunden wie viele „User“ ausgestiegen sind. Kleinecke experimentierte mit verschiedenen Hauptteilen, verschiedenen Anfängen und verschiedenen Abschlüssen für die Videos, bis er maximal erfolgreiche Zusammenschnitte hatte. Die Kunst besteht seiner Beobachtung nach darin, trotz der Kürze der Filmchen einen gewissen Spannungsbogen aufzubauen, der die Zuschauer dazu bringt, bis zum Ende dabei zu bleiben. „Es ist uns gelungen, zu beweisen, dass die junge Zielgruppe durchaus taxiaffin sein kann, wenn man sie richtig anspricht“, so Kleineckes Fazit.
Thomas Sell ist angetan: „Wir haben ein Video mit über einer Million Aufrufen. Es gibt auch wunderschöne Taxigeschichten, sowohl witzige als auch rührende, intime, bewegende. Bei einem Video stehen dem Fahrer die Tränen in den Augen. Wir müssen uns gar keine Geschichten ausdenken, denn die großen Geschichten schreibt das Leben – und wir fangen sie ein. Zukünftig werden wir durch unsere Reichweite mehr Fahraufträge generieren.“ Das muss Musik in den Ohren jedes Zentralenbetreibers sein.
Auch im Glückstädter Kreis kam seine Präsentation gut an, was nicht zuletzt an den Zahlen lag, die der „Wachstumspartner“, wie Kleinecke seine Tätigkeit in einem Wort zusammenfasst, nannte: „Mit nur 30 Videos konnten wir über drei Millionen Impressionen erreichen. Die nächste Mission ist es, diese Menschen in zahlende Fahrgäste zu konvertieren. Hierfür habe ich auch schon einen Plan.“ Mit seinen nahezu druckreif vorgetragenen, präzisen Erklärungen (die ebenfalls keine Sekunde zu viel enthielten) überzeugte Kleinecke auch andere Zentralenbetreiber, so dass nach Hansa Funktaxi demnächst weitere Vermittler mit Kleineckes Tiktok-Produktionen werben wollen. Die Investition dürfte sich auszahlen und denjenigen gefallen, die sich seit Langem darüber beklagen, dass das Taxigewerbe zu wenig mit Werbung im öffentlichen Raum präsent ist.
Thomas Sell, dem das Taxigewerbe am Herzen liegt hofft, dass viele Zentralen auf ihn zukommen und von der Möglichkeit, eine große Zahl an Kunden zu generieren, Gebrauch machen, so dass das Taxigewerbe im besten Fall bundesweit die junge Generation erobert. Wer sich dafür interessiert, möge Thomas Sell oder Lucas Kleinecke kontaktieren. ar
Bilder: Screenshots von Hansafunk-Clips auf Tiktok