Der Bund hat die Vorplanung des vereinbarten 17. Bauabschnitts ausgeschrieben. Die Eröffnung ist aber noch lange hin, auch weil die Berliner Grünen und Linken versuchen, die bereits vom Bund bezahlten 4,1 Kilometer zu verhindern.
Wer über die A 100 zum Berliner Taxi-Zentrum oder weiter nach (Nord-)Osten fährt, muss sich derzeit noch ab dem provisorischen Ende in Neukölln zwischen mehreren stauanfälligen Routen durch teils enge Straßen entscheiden. Ab voraussichtlich 2023, wenn die Autobahn bis Am Treptower Park fertig ist, spart man erheblich Zeit, hat aber laut unbestrittener Prognosen dann im Bereich Elsenbrücke mit Verkehrschaos zu kämpfen. Erst von der geplanten Verlängerung an der Ringbahn entlang nach Lichtenberg, deren Vorplanung jetzt von der Autobahn GmbH ausgeschrieben worden ist, erwarten Planer die ersehnte Entlastung der umgebenden Straßen.
Die nicht nur vom Taxigewerbe herbeigesehnte Verlängerung erfordert dennoch Geduld, da der Bau einer Bundesautobahn ein Vorgang mit langwierigem Planungsvorlauf ist – der sich im Fall der A 100 bereits um sechs Jahre im Verzug befindet. Sobald die Streckenführung im Detail feststeht, kann ab 2025 die technische Detailplanung erfolgen. 2027 kann dann das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Als Projekt von herausragender Bedeutung für den Wirtschaftsverkehr in Berlin sieht Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, die Tatsache, dass es weitergeht.
Ein Teil der rot-grün-roten Berliner Landeskoalition will den vertraglich geregelten und bereits vom Bund weitgehend bezahlten Weiterbau der A 100 nach Lichtenberg noch verhindern. Die Opposition aus CDU, AfD und FDP will ihn dagegen möglichst zügig umgesetzt sehen. CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici sprach gegenüber dem „Tagesspiegel“ von einer „guten Nachricht“, da Berlin nunmal eine Großstadt sei.
Der derzeit im Bau befindliche 16. Bauabschnitt von Neukölln nach Alt-Treptow und der geplante 17. Abschnitt unter dem Bahnhof Ostkreuz hindurch (der Tunnelrohbau liegt bereits in Teilen) nach Lichtenberg zur Südost-Spitze Prenzlauer Bergs waren vor Jahrzehnten als ein Gesamtprojekt zwischen dem Land Berlin und dem Bund vereinbart und 2016 im aktuellen Bundesverkehrswegeplan festgeschrieben worden. Unter der Maßgabe, dass beide Abschnitte umgesetzt werden, hatte der Bund seinerzeit einen Großteil der Kosten in neunstelliger Höhe bereitgestellt. Sollte die Autobahn nicht wie geplant gebaut werden, müsste Berlin dem Bund einen Großteil der bereitgestellten Gelder erstatten – eine Katastrophe für den klammen Berliner Landeshaushalt.
Der Streit um die A 100 reicht lange zurück. Widerstand gegen jegliche Autobahnbauten gab es in West-Berlin von unterschiedlichen Gruppen bereits vor über vier Jahrzehnten. Nach der Wiedervereinigung hielt die Ablehnung weiterer Autobahnen mit dem wachsenden Einfluss der Parteien Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke (ehemals SED, PDS, Linkspartei) Einzug in die Parteipolitik. Gleichzeitig fand in der mitteleuropäischen Stadt- und Verkehrsplanung allgemein eine Abkehr vom Leitbild der „autogerechten Stadt“ statt und wich einer moderaten, gleichberechtigten Verkehrsplanung.
In den 2010er-Jahren kam es zum Streit in der rot-roten Landeskoalition unter Klaus Wowereit, als die Linke sich mit ihrer Ablehnung weiterer A-100-Planungen profilierte. 2011 scheiterten dann sogar die rot-grünen Koalitionsverhandlungen unter anderem an dem Autobahn-Thema, und Klaus Wowereits SPD ging anstelle einer rot-grünen eine große Koalition ein. Als diese 2016 ihre Mehrheit verlor, konnten Grüne und Linke gegenüber der SPD als Bedingung für eine rot-rot-grüne Koalition die Vereinbarung durchsetzen, dass der Weiterbau der A 100 – entgegen dem Willen einer Mehrheit innerhalb der SPD – zunächst auf Eis gelegt wurde.
2021 sorgte dann eine Veränderung im Bundesrecht für neue Rahmenbedingungen: Bis dato hatten die Länder bei der Autobahnplanung noch ein größeres Wörtchen mitzureden. Mit Gründung der bundeseigenen Autobahn GmbH ist Autobahnplanung Sache des Bundes geworden, womit die Landeshaushalte nicht zuletzt finanziell entlastet werden. In dieser Sache erweist sich die Passivität der damaligen Verkehrssenatorin Regine Günther im Nachhinein möglicherweise als Glücksfall für das Taxigewerbe, denn sie hätte die Planungskompetenz für die A 100 im Land Berlin halten können, lehnte dies aber ab. Gänzlich unumkehrbar ist die Veränderung allerdings nicht.
Nun kann der Bundesverkehrsminister die Autobahn gemäß der Vereinbarung zunächst weiter vorantreiben. Dass dies unverzüglich umgesetzt werde, ließ kürzlich Verkehrsstaatssekretärin Daniela Kluckert (FDP) verlauten. Davon fühlen sich neben den Berliner Grünen und Linken auch die Koalitionspartner im Bundestag, Grüne und SPD, nach eigenen Angaben überrumpelt. Stefan Gelbhaar, Verkehrsexperte der Grünen, beklagte die fehlende Verständigung über das Projekt und sprach von einem „Infrastrukturdesaster“.
Im Berliner Landeswahlkampf 2021 hatten sich linke und grüne Politiker wie etwa die damalige Spitzenkandidatin der Grünen und heutige Verkehrssenatorin, Bettina Jarasch, mit Forderungen nach einem Rückbau der A 100 einschließlich des bereits im Bau befindlichen 16. Abschnitts, nach einer teilweisen Umwidmung in einen Radschnellweg oder ähnlichen Ideen profiliert, die in den Augen von Wirtschaftsvertretern, der Opposition und auch SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey, der heutigen Regierungschefin, absurd waren. Doch auch Giffey musste, um Regierende Bürgermeisterin werden zu können, das Stillhalten bei der A 100 gegen ihren Willen und den einer Mehrheit in der SPD als Preis an Linke und Grüne bezahlen.
Nicht nur Linke-Politiker, auch Grüne wie Bettina Jarasch argumentieren unter anderem mit der Aussage, die Autobahn sei teuer. Das ist nicht faktisch falsch, denn die Kosten pro Autobahnkilometer durch das teils dicht bebaute Gebiet waren tatsächlich extrem hoch. Allerdings fällt diese finanzielle Belastung nicht an den Berliner Landeshaushalt, sondern fiel größtenteils an den Bund, denn der hat den Weiterbau der A 100 bereits weitgehend bezahlt, nur eben unter der Maßgabe der kompletten Umsetzung der Vereinbarung, also des Weiterbaus bis zur Storkower Straße, wie CDU-Verkehrsexperte Friederici bereits 2020 im Interview mit Taxi Times erklärt hatte. Eine Verhinderung würde Berlin demnach teurer zu stehen kommen als die planmäßige Umsetzung.
Vom Tisch sind dagegen die ursprünglichen Pläne, den Berliner Stadtring, wie die A 100 auch heißt, tatsächlich zu einem Ring zu vervollständigen. Im Hobrecht-Plan von 1862 war die Trasse erstmals als Ring geplant, was in West-Berlin noch bis zur Wende in modifizierter Form aufrecht erhalten wurde. Noch bis in die 1970er-Jahre plante West-Berlin ein Autobahnnetz mit mehreren Tangenten durch die Stadt, was später wegen zu großer negativer Auswirkungen auf die Stadt aufgegeben wurde. Die A 100 wurde und wird aber weiterhin als wichtige Umgehung zur Entlastung der Innenstadt und als Verkehrsader für den Wirtschaftsverkehr angesehen. ar
Beitragsfoto: Baustelle der A 100 in Berlin-Neukölln im September 2020. Foto: Axel Rühle
Wenn man sich die Zeiträume ansieht…; das ist der absolute Wahnsinn.