Seit Oktober läuft in Hamburg ein Feldversuch, der die Auswirkungen und Akzeptanz von Festpreiskorridoren für Taxis untersucht. Im Rahmen des Hamburger E-Taxentags wurden die unterschiedlichen Auffassungen dazu deutlich.
Podiumsdiskussionen erlebt die Taxibranche derzeit sehr viele. Alleine in Erfurt beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag vor zwei Wochen waren 16 Panelveranstaltungen an zwei Tagen (eine Zusammenfassung von Tag 1 finden Sie hier, von Tag 2 hier).
Letzte Woche fand nun auch in Hamburg eine Diskussionsrunde statt und diese hatte durchaus eine Besonderheit. Sie wurde von einem Vertreter einer Genehmigungsbehörde moderiert: Dirk Ritter von der Hamburger BMU hatte sich dazu vier Gäste eingeladen: Tim Erhardt (Freenow by Lyft), Jan Grupe (Vorstand Taxenunion Hamburg), Michael Oppermann (Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi und Mietwagen) und Jan Weber (Vorstand Hansafunk).
Bei einem der drei Themen, die aus der Hamburger Sicht erörtert wurden, ging es um den speziellen Hamburger Tarifkorridor für Taxis. Er wird als Feldversuch in zwei Phasen durchgeführt. Seit Oktober haben die Vermittler für einige Monate die Möglichkeit, Taxifahrten mit einem Aufschlag von bis zu 20 Prozent anzubieten. Ab Februar ist dann zusätzlich ein Abschlag von bis 20 Prozent erlaubt. Schon jetzt dürfen bestimmte Fahrten sogar bis zu 50 Prozent über dem Taxipreis liegen – wenn diese Aufschläge auch mit entsprechenden besonderen Dienstleistungen begleitet sind, beispielsweise der Einsatz einer Babyschale oder die Fahrt in einem hochklassigen Fahrzeug. Die beiden Phasen werden als wissenschaftliche Erhebung vom Statistikamt Nord und dem Mobilitätsforscher Prof. Dr. Knie ausgewertet und fließen dann in eine Tarifreform, die im Jahr 2027 wirksam werden soll (Taxi Times berichtete)

Ritter betonte in seiner An- und Zwischenmoderation, dass die Datenlage in Hamburg einzigartig sei und eine präzise Auswertung ermögliche. Es sei notwendig, flexibel auf sich ändernde Marktbedingungen zu reagieren, insbesondere angesichts sinkender Fahrgastzahlen und anstehender Mindestlohnerhöhungen. Als Stadt wolle man genau wissen, welche Auswirkungen Tarifkorridore nach oben wie auch nach unten auf das Bestellverhalten der Kunden und die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen habe.
Dass Festpreise bei Taxis gut sind, wurde in der Diskussion von keinem der Anwesenden bestritten. Taxiunternehmer brauchen erstmal ihre Fahrgäste und die Fahrgäste wollen Festpreise“, sagte Michael Oppermann.
„Festpreise sind wichtig, da Kunden wissen wollen, was eine Fahrt kostet“, pflichtete ihm Jan Grupe bei. In der Flexibilisierung nach oben zu Peakzeiten sieht er durchaus Potenzial. Am Korridor nach unten übte Grupe dagegen deutliche Kritik, wofür er von den rund 150 anwesenden Hamburger Taxiunternehmern auch mehrheitlich Applaus bekam. Ein Tarifkorridor von -20% nach unten würde einen Preiswettbewerb mit Plattformen fördern, der für klassische Taxiunternehmen nicht tragbar sei.
Tim Erhardt von Freenow by Lyft sah das als Vertreter einer solchen Plattform ganz anders. „Niedrigere Preise können die Nachfrage anregen“, sagte er. Vor allem unterstützt er die wissenschaftliche Erprobung in Hamburg, um auf Fakten basierende Entscheidungen zu treffen, statt willkürlicher Prozentzahlen wie in anderen Städten.
Hansafunk dagegen als etablierte Hamburger Taxizentrale hatte sich kurz vor dem Start der Erprobungsphase aus dem Feldversuch ausgeklingt, was die Stadt mit einem „Grummeln“ zur Kenntnis genommen habe, wie Dirk Ritter betonte. Jan Weber bekam bei der Diskussionsrunde allerdings ausreichend Gelegenheit, seine Motive bzw. die seiner Hansafunk-Genossen darzulegen. Die Mehrwagenunternehmer bräuchten eine permanente Tariferhöhung, insbesondere auch für die umsatzschwache Zeit. Es nütze nichts, wenn die Unternehmer zu Peak-Zeiten mehr einnehmen. Ein Unternehmer müsse seine Fahrer auch im Januar an einem umsatzschwachen Dienstagmittag bezahlen.
Kritik kam von Weber auch bezüglich der zwei unterschiedlichen Phasen des Feldversuchs. Man könne auf der einen Seite nicht sagen, dass man nicht genug Umsatz habe, um die Fahrer zu bezahlen und dann gleichzeitig ab 2026 zwanzig Prozent Rabatt einräumen. „Was wollen wir denn damit bitteschön vermitteln?“, fragt Weber.
Hansafunk möchte Festpreise als verlässliches Instrument einsetzen. „Wenn eine Fahrt einmal 35 Euro kostet, solle sie immer 35 Euro kosten, egal wann und wie.“ Sie dürfe nicht an Tagen, an denen das Geschäft schlecht läuft, nur noch 28 Euro kosten und bei Schneesturm plötzlich 42 Euro.
Weber erinnerte an die bundesweite „Taxi-ist-verlässlich-Kampagne“, die vor einigen Jahren betrieben wurde: Damit habe man sich von Uber abgegrenzt, die bei schlechtem Wetter das Drei- und Vierfache genommen haben und bei gutem Wetter für Mau gefahren wären. Taxis hätten dagegen auch an Silvester immer denselben Preis. Das jetzt aufzuweichen, sei schwierig.
Ein Taxiunternehmer ergänzte Webers Vortrag noch um die Feststellung, dass der Kunde dann fährt, wenn er ein Taxi braucht und nicht dann, wenn es zwei Euro weniger kostet. Ritter konterte mit der Bitte um konkrete Vorschläge, wie Hansafunk Kunden halten wolle und gleichzeitig die Auskömmlichkeit absichern möchte. Michael Oppermann gab aus Bundesverbandssicht zu bedenken, dass die vier Monate, die man für den Feldversuch angesetzt habe, sehr kurz seien, um verändertes Kundenverhalten adäquat messen zu können.
Unter Verweis auf Vattenfall, den Gastgeber des E-Taxentags, verglich Oppermann das Kundenverhalten bei Taxis mit dem bei einem Stromanbieter, den man auch nicht regelmäßig wechseln würde. „Der Kunde ist ein träges Wesen, das heißt unter Umständen ist das methodisch gar nicht so ganz einfach.“ Als Bundesverband warte man gespannt auf die Ergebnisse des Feldversuchs. jh
Beitragsfoto: Taxi Times









Genial .
Finde es richtig dass darüber gesprochen wird.
Klasse 👍🏽
Was ich aber falsch finde ist es die 50% nach oben . Völlig übertrieben.
Die Platformen wollen anscheinend dort Mietwagen vermitteln und werden dann Mietwagen zu 23% unter dem Basispreis des Taxipreises vermitteln und Taxi zu 73% (+50% auf Basispreis ) mehr als Mietwagen anzeigen somit wird eine Abwanderung in Mietwagen stattfinden .
Schlaue Taktik
In der Tat ist miteinander sprechen und auch mal kontrovers diskutieren in der Regel ein guter Weg. Aber nochmal: Auch in einem Taxametertarif mit Wartegeldanteil ist der Preis nicht immer derselbe und variiert je nach Verkehrslage. Und Kunden sind es von allen anderen Dienstleistungen gewöhnt, dass Preise unterschiedlich hoch ausfallen, das ist bei Flügen, bei Strom und Gas, bei der DB und sogar bei uns im HVV so (ein Online-Ticket ist günstiger als das am Automaten). Kunden sind auch daran gewöhnt, dass man sie mit Angeboten umwirbt und dann in der Folge bindet. Beispielsweise mit einem Vielfahrerrabat innerhalb eines Korridors auch nach unten. Und warum soll nicht Taxi Mehrleistungen zu einem höheren Preis anbieten können, wenn Kunden dies wünschen (bspw. Babyschale, bestimmtes Auto, bestimmte Fahrer oder Fahrerin)?
Wenn das alles nicht gewünscht ist und es im Taxi so bleiben soll wie in den letzten 50 Jahren (während sich die Welt da draußen rasant verändert), dann in der Tat mal bitte Gegenvorschläge, wie die Auskömmlichkeit und die Zukunft dieses Gewerbes gesichert werden soll und nicht immer nur dagegen.
Bei Ihnen in Hamburg spitzt sich die Auseinandersetzung zu – wie überall geht es um Plattformen gegen Zentralen beim Zugriff der Kunden auf Taxi.
Solange aber ein kurzfristiger finanzieller Anreiz existiert, werden die Plattformen ihre finanzielle Macht erpresserisch ausnutzen mit dem Ziel die Zentralen zu vernichten. Danach aber die Vermittlungskosten willkürlich hochtreiben. Also gibt es auch ein Interesse der Kommunen, die kostengünstigen Zentralen zu schützen, da sonst die dann gestiegenen Vermittlungskosten der Plattformen mit im Taxitarif zu kalkulieren sind.
Die Kommunen müssen sich vor Augen halten:
Sinkt der Ertrag für das Taxigewerbe, ist zur Existenzsicherung im öffentlichen Verkehrsinteresse eine Tariferhöhung nötig. Sinkt der Ertrag wegen sinkender Nachfrage, ist die Zahl der Taxis zu begrenzen oder zu reduzieren.
Konsequenz: Die illegalen Fake-Taxis nehmen noch mehr zu, durch überhöhte Preise werden die Kunden über den Tisch gezogen und das Öffentliche Verkehrsinteresse ist nicht gewahrt.
Schlussfolgerung: der nicht unterschreitbare, kostendeckende Taxitarif, übrigens auch das MBE, muß gewährleisten, dass das Taxigewerbe als Element der Daseinsvorsorge davon existieren kann (Existenzminimum). Insbesonders zusammen mit der Durchsetzung der geltenden Bestimmungen für das MW-Gewerbe, um Fake-Taxis fernzuhalten.
Ich seh keinen Sinn darin, einen Rabatt auf den existenzsichernden Taxitarif zu geben. Im Gegenzug macht es Sinn, das Standplatzgeschäft mit Einsteigern zu stärken. Z.B. mit halbiertem Grundfahrpreis. Das Sofort-Geschäft ist schließlich der Kern der Definition von Taxi. Dann stehen auch keine Fahrgäste mehr am besetzten Taxistand, um nach 10 Minuten frierend vom Uber-Taxi eingesammelt zu werden.
Die existierenden Probleme liegen eben im illegalen Dumpingangebot der provisionsgetriebenen Plattformen. Für begrenzt angehobene Fahrpreise bei Vorbestellung (bis 12%, entspricht dann dem höheren Mehrwertsteueranteil bei MW) bei gesteigerter Nachfrage besteht bei den Kunden nach meiner Erfahrung durchaus Verständnis.
Guten Tag sehr geehrter Herr Dirk Ritter,
Was in Hamburg Dank ihnen geleistet wird und gemacht wird finde ich es einzigartig und vorbildlich . Ich kann ihnen nur sagen die Düsseldorfer schauen nach Hamburg und wünschen sich das selber auch hier .
Wir haben hier in Düsseldorf zum Glück ab dem 1 Mai auch den Taxifestpreis bekommen und wir müssen Feststellen dass die Platformen Bolt Uber ect den Taxifestpreis maximal nach oben Treiben und in der Zeiten wo die Nachfrage steigt wird das Taxi über den Tarif vermittelt. Unsere Beobachtung zeigt der Taxipreis hat immer einen sehr großen Preisabstand nach oben zu Mietwagen und auch wenn man bei den Plattformen registriert ist und bereit ist Fahrten anzunehmen bekommt man keine Fahrt vermittelt und der Preis steigt einfach mit der Begründung erhöhte Nachfrage . Also so zu mindestens unsere Beobachtung .
Alles was ich persönlich möchte ist es Zuverlässigkeit beim Taxen und Kundenvertrauen .
Das Taxi muss sich in jedem Fall an die heutige Zeiten und die Generation anpassen das sowie so . Man passt sich den Kundenwünschen an und nicht anders .
Meine Meinung nach müsste so eine Baby Schale und sonstige zusätzliche Ausstattung pauschal gerechnet werden z.b 5€ . oder vielleicht auch gar nicht denn die Ausstattung (z.b Kindersitze kl 1) erhöhen die Nachfrage und verkürzt die Wartezeit bis zum nächsten Kunden das sollte schon im Unternehmer Interesse sein .
Zum Thema – 20% und +50% nach also hier ist natürlich die Frage wird dann die gesamte Fahrtdauer laut Google Maps von A nach B mit 0,63€ pro Minute Fahrzeit berechnet und plus km Preis gesamt plus Grundpreis ? Wenn ja dann finde ich persönlich es in diesem Fall zusätzlich +50% nach oben völlig übertrieben. Es sei denn man berechnet die Zeit mit 0,30€ pro Minute dann ist das noch okay .
Also je nach Auslegung .
Aber in Hamburg ist man auf dem richtigen Weg 😊
ich drück euch die Daumen 👍🏽
Mit freundlichen Grüßen aus Düsseldorf.
Ihre Beobachtung zur Preisgestaltung lässt mehrere Vermutungen zu:
)es war ganz klassisch ein anderer näher dran.
)der Algorithmus ist so eingestellt, dass er zwar ein Taxi und dazu einen Preis anzeigt, aber aus geschäftspolitischen Vorgaben trotzdem an einen Mietwagen den Auftrag erteilt. Weil die Provision für die Plattform höher ausfällt.
)der Auftrag wird zwar angefragt, aber storniert, nachdem Fake-Taxi/MW günstiger ist.
)es existierte gar kein realer Auftrag, sondern es war ein Test der Plattform, um die Reaktionen zu erfahren.
Alles unvollständige Spekulation. Aber leider wissen wir zu wenig. Nur eins ist klar: was an Aufträgen existiert, sind klassische Taxi-Aufträge, die überhaupt nicht in den Geschäftsbereich von MW gehören.
Sehr geehrter Herr Ritter
Erst wenn sich die wirtschaftliche Situation für uns verbessert kann die Motivation gesteigert werden und somit auch die Kundenzufriedenheit.Das haben Sie schon in Hamburg gut durchgesetzt.Ich wünsche ihnen weiterhin viel Erfolg und hoffe das es bundesweit auch so angepackt wird.