Ein halbes Jahrhundert nach Gründung der heute größten Hamburger Taxivermittlung wäre eigentlich im vergangenen Sommer eine Feier fällig gewesen, doch im Juni war den Genossen nicht nach Feiern zumute. Taxi Times taucht in die Geschichte des Hansafunks ein.
Hansa Funktaxi ist 50 Jahre und acht Monate alt. In einem solchen Zeitraum kann eine Taxifunkzentrale sich weit entwickeln. Mit App- und Telefonvermittlung, standardmäßiger Kartenzahlung und einem Auftragsaufkommen von rund drei Millionen vermittelten Touren im Jahr ist die Genossenschaft Hansa Funktaxi eG Marktführer in der Metropolregion Hamburg. Um das Jubiläum trotz der schweren Krankheit und des Todes von Werner Möllmann im Juni nicht ganz unter den Tisch fallen zu lassen, wurde jetzt aus dem aktuellen Hamburger E-Taxentag ein „Mega-Taxentag“, also eine Hybridveranstaltung, bei der die Vorstände Jan Weber und Ozan Baltaci auch das Jubiläum in angemessenem Rahmen würdigten. Weber sprach auch über die Historie seiner Genossenschaft.
Der Grund für die Zentralengründung war banal: Man war Anfang der 1970er-Jahre mit der Unternehmenspolitik der beiden damals bestehenden Taxi-Zentralen, dem Autoruf und dem Wandsbeker Funk, nicht zufrieden. Besonders der damalige Marktführer, das private Unternehmen Autoruf Hamburg, soll damals gegenüber Fahrern und kleineren Unternehmern auf einem hohen Ross gesessen haben.
Einer, der sich darüber ärgerte, war Günter „Charly“ Jeschke. Er probte mit rund 70 Kollegen den „Aufstand“, wie das „Hamburger Abendblatt“ es in einem kürzlich erschienenen Rückblick bezeichnet. Sie versammelten sich im Februar 1974 und wollten ihre eigene Vermittlung gründen, eine Taxi-Zentrale, die ihnen selbst gehört. Das taten sie zunächst als Verein. Da war Jeschke 34.
Ein Name wie Hansa-Funk war naheliegend für die Taxler. In Hamburg als größtes und bekanntestes Mitglied der vom 12. bis zum 17. Jahrhundert bestehenden, politisch starken Wirtschaftsvereinigung Deutsche Hanse sind die Begriffe Hanse und die lateinische Form Hansa allgegenwärtig – obwohl Hamburg, Bremen, Lübeck und andere Städte sich erst seit dem 19. Jahrhundert betont als Hansestädte bezeichnen.
Man fing durchaus nicht ganz klein an und wurde schnell noch größer: Ab dem 1. März 1974 vermittelten 14 Kollegen telefonisch die Aufträge. Schon knapp neun Wochen später, in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 1974 (Tanz in den Mai) wurden zum ersten Mal mehr als 1.000 Touren in der Nachtschicht vermittelt. Zum Jahresende gehörten bereits 200 Taxis dazu.
Im alteingesessenen Gewerbe kamen die Aktivitäten der jungen Aufständischen gar nicht gut an, und der Autoruf machte unter seinen treuen Fahrern Stimmung gegen die Konkurrenz. Jeschke berichtet, wie einmal ein Schweinekopf vor der Tür der Zentrale lag. Auch mit echter Sabotage im Zusammenhang mit der Telefonleitung sah man sich konfrontiert (dazu mehr in einer gesonderten Meldung).
Die Funkvermittlung war in den ersten Jahren noch ein hartes, undankbares Geschäft. Viele Ehefrauen von Taxifahrern arbeiteten unbezahlt im Callcenter. Auch Charly Jeschke selbst setzte sich nach so mancher Nachtschicht noch ein paar Stunden in der Zentrale ans Telefon.
Nach knapp neun Jahren wurde aus dem eingetragenen Verein eine Genossenschaft: die Hansa Funktaxi eG. Sie wurde am 1. Januar 1983 von den mittlerweile 350 Unternehmerinnen und Unternehmern gegründet. Man wollte allen Beteiligten ein Mitspracherecht geben und es sollten demokratische Strukturen geschaffen werden. Gerade auf diese demokratische Organisationsstruktur sind die Hamburger stolz, denn ihr Konstrukt funktioniert bis heute sehr erfolgreich. Im selben Jahr wurde die Telefon-Nummer 211 211 geschaltet, die heute das Markenzeichen der „Hansis“ ist.
Der Wechsel von den wilden 80er- zu den 90er-Jahren war eine Zeit großer weltpolitischer sowie technischer Veränderungen und Weiterentwicklungen. Deutschland war noch kein ganzes Jahr wiedervereinigt, als Ende Juni 1991 bei Hansa-Taxi eine Veränderung erfolgte, die bis dato im deutschen Taxigewerbe schwer vorstellbar war. Was heute für jede größere Taxivermittlung eine Selbstverständlichkeit ist, hielten damals nicht wenige für einen äußerst gewagten Schritt: die Einführung des Datenfunks, um Aufträge schneller vermitteln zu können. Hansa-Taxi war die erste Datenfunkzentrale in Deutschland, die den Sprachfunk abschaffte.
Der technische Fortschritt betraf auch bargeldlose Zahlungsarten. So gelang es den Hanseaten 1993, durch Einführung der Kartenzahlung im Taxi neue Kunden, insbesondere Geschäftskunden, hinzuzugewinnen, was so schon frühzeitig auf eine wegweisende Entwicklung des gesamten Gewerbes der Republik hindeutete.
Vom östlichen Stadtzentrum wollte man in den späten 90ern an eine neue Adresse und suchte sich als Domizil einen modernen Neubau im Stadtteil Horn nahe der Bergedorfer Straße. 1999 zog die Hansa-Taxi-Zentrale von der Eiffestraße in die von der Genossenschaft gekaufte Immobilie Am Schiffbeker Berg 6a, wobei die Mitglieder sich im Zuge des Immobiliendarlehens verpflichteten, über fünf Jahre monatlich 100 DM zu zahlen.
Gewinne sind für die Genossen in Zeiten des Konkurrenzkampfs mit Free Now und nach Corona nicht drin. Trotz vergleichsweise hoher Teilnehmergebühren für die angeschlossenen Betriebe sagt der heutige Vorstand Jan Weber: „Unser Ziel ist eine schwarze Null.“
Das App-Zeitalter wurde in Hamburg mit der Gründung von taxi.eu im Jahr 2012 eingeläutet. Dieser App schloss man sich als eine der ersten Zentralen an und war von da an stolz, der Kundschaft Bestellung und Bezahlung zusammen in einer App anbieten zu können. Das Interesse war groß.
Mit dem technischen Standard wuchs auch Hansa-Taxi. So war man Ende der 2010er-Jahre in der Lage, drei weitere Zentralen zu übernehmen. 2018 bzw. 2019 kaufte Hansa-Taxi die Vermittlungszentrale Das Taxi GmbH, Taxi Hamburg 6×6 GmbH & Co. KG sowie die Autoruf G.m.b.H. Bei diesen Zentralen sind rund 220 Unternehmer angeschlossen, die rund 300 Taxis besitzen und rund 300 Fahrerinnen und Fahrer angestellt haben.
Heute hat die Hansa Funktaxi eG rund 400 Genossinnen und Genossen mit rund 700 Taxis und rund 1.500 angestellten Fahrerinnen und Fahrern. In der Zentrale sind etwa 100 Mitarbeiter tätig, davon etwa 60 im Callcenter – oder besser gesagt in der Funkvermittlung, die heute fast alle von zu Hause aus erledigen. Sie bearbeiten ein Auftragsaufkommen von rund drei Millionen Touren im Jahr, also im Durchschnitt (Tag und Nacht zusammengerechnet) über 340 pro Stunde. Rund zwei Drittel davon werden noch immer per Telefon abgewickelt, ein Drittel per taxi.eu-App bzw. Internet. Jedes angeschlossene Taxi legt jedes Jahr durchschnittlich etwa 100.000 Kilometer zurück. Alle 700 Taxis zusammen fahren somit pro Jahr rechnerisch 1.750 mal und die Erde. ar
Ankündigung: In Kürze berichten wir in einem zweiten Teil zu 50 Jahre Hansafunk, warum man sich ganz bewusst die Telefonnummer 211 211 ausgesucht hat und warum zum Start des neuen Wettbewerbers in manchen Hamburger Telefonzellen die Hörer nicht mehr eingehängt wurden.
Beitragsfoto: Hansa Funktaxi eG