Das Taxi solle sich mehr an den Kunden orientieren und beispielsweise Happy-Hour-Tarife anbieten. Mit solchen Aussagen macht es sich ein wirtschaftsliberal denkender Professor leider viel zu einfach.
Vor genau einer Woche fand im Bundestag eine öffentliche Experten-Anhörung zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts statt. Unter den zwölf geladenen Sachverständigen befand sich auch Prof. Dr. Justus Haucap. Der frühere Vorsitzende der Monopolkommission und jetzige Prokurist von DICE Consult GmbH (Düsseldorf Institute for Competition Economics) war von der FDP nominiert worden, für die er als Wettbewerbsexperte bei diversen Veranstaltungen eine sehr gefragte Person ist. Entsprechend wurde auch bei der Anhörung schnell klar, dass Haucap seine Vorstellung über die Neugestaltung des Personenbeförderungsgesetzes ganz im Sinne der FDP einbrachte.
Haucap bezeichnete die Taxibranche mit seinem starren Preistarif als unflexibel, weshalb auch eine Auslastung der Fahrzeuge niedriger als bei den neueren innovativen Anbietern, denen mit Algorithmen und Bedarfsermittlungen eine höhere Auslastung gelänge. Einen fundierten Beleg für die angeblich höhere Auslastung konnte Haucap nicht liefern, dafür fehlen schlicht und einfach die entsprechenden Studien.
Die gibt es dafür im Taxibereich und Haucap wusste denn auch gleich von Hamburg zu berichten, wo nur 28 Prozent der Taxis besetzt seien und 72 Prozent ohne Fahrgast. Die Unternehmer müssten trotzdem an ihre Fahrer*Innen den Mindestlohn bezahlen.
Die Ursache für dieses Problem sieht der Prokurist in der mangelnden Preis-Flexibilität und die Lösung für das Auslastungsproblem wäre gegeben, wenn der Gesetzgeber es erlaube, dass zum Beispiel Studententarife oder Happy Hour Angebote bei niedriger Nachfrage gemacht werden könnten. Schließlich bestimme das Angebot und die Nachfrage den Preis.
Solche Taxi-Theorien werden von Verfechtern des freien Marktkapitalismus seit Jahren gepredigt und ebenso lang von echten Taxi-Experten widerlegt. Die Preissensibilität der Kunden wie auch die Geiz-ist-geil-Mentalität stößt speziell bei Taxis – und auch bei taxiähnlichen Mietwagen – an ihre Grenzen. Kein Reisender wird mehrere Stunden am Bahnhof oder Flughafen warten, nur weil zwei Stunden später die Taxifahrt dank Happy-Hour günstiger ist. Kein Patient setzt sich freiwillig Stunden vor dem Termin ins Wartezimmer des Arztes und kein Club-Besucher stellt sich lange vor der Eröffnung der Disco vor den Eingang.
Umgekehrt bleibt natürlich auch kein Flugzeug länger am Boden oder der Zug länger im Bahnhof, weil der Fahrgast zwar verbilligt, aber deutlich verspätet am Flughafen bzw. Bahnhof eintrifft. Auch der Club wird seine Sperrstunde nicht aufheben und die Arztpraxis ihre Öffnungszeiten nicht verlängern.
Das Taxi wird in den meisten Fällen zu einem bestimmten Termin benötigt. Dann muss es spontan verfügbar sein. Am Ende eines Fußballspiels wollen tausende Fans schnell nach Hause oder zum Feiern in die Stammkneipe. Dieser zeitlich bestimmte Bedarf lässt sich nicht mit liberal-theoretischen Marktmechanismen regeln. Taxitarife mit Happy-Hour-Option sind eine Schnapsidee.
Diese argumentative Klarstellung bekam Justus Haucap bereits vor knapp drei Jahren von Hermann Waldner von Taxi Berlin während einer FDP-Podiumsdiskussion erläutert. Sie scheint sich beim Professor nur leider nicht festgesetzt zu haben. Auf diesen Experten hätte die öffentliche Anhörung letzte Woche auch getrost verzichten können. jh + hs
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Der Neoliberalismus ist in seinen letzten Atemzügen. Umso tragischer wirkt der Politzirkus, den die Politik mit Ökonomen veranstaltet, die dieser Wirtschaftspolitik immer noch den Anschein von Wissenschaftlichkeit verleihen sollen. Bei Professor Haucap reicht es gerade mal für eine Tautologie: „Die neuen Anbieter können niedrigere Preise anbieten, weil sie besser ausgelastet sind, was auf die Möglichkeit zurückzuführen ist, niedrigere Preise anzubieten.“