Ein Zeitungsbericht der Amrum News vermittelte kürzlich den Eindruck, dass man abends auf der Insel eher zu Fuß gehen muss. Die Nachfrage beim dortigen Taxiunternehmen hat jedoch ein anderes Bild ergeben.
Die Nordseeinsel Amrum mit knapp 2.300 Einwohnern und bis zu 10.000 Touristen ergibt für das einzige ansässige Taxiunternehmen tagsüber ein auskömmliches Geschäft, abends eher nicht. Es gibt auf der viertgrößten nordfriesischen Insel zwei wichtige Verkehrsanbieter: die Wyker Dampfschiffs-Reederei Föhr-Amrum (W.D.R.), die die Fähre Amrum–Föhr–Dagebüll und die Buslinie zwischen den drei Gemeinden auf Amrum betreibt, und den Taxibetrieb Harksen in Wittdün, dem Haupttouristenort im Südosten der Insel. Flugverkehr gibt es auf Amrum nicht, bis auf einen Hubschrauberlandeplatz für Notfälle.
Das Taxiunternehmen hat derzeit vier Fahrer im Einsatz, wie Mitinhaber und Fahrer Lasse Jost gegenüber Taxi Times erzählt: zwei feste Fahrer, einen Pauschalfahrer und eine Aushilfsfahrerin nur für samstags, den wöchentlichen An- und Abreisetag – Josts Ehefrau, die ansonsten montags bis freitags berufstätig ist. Firmenchef Karsten Peter Harksen ist 70, wohnt auf dem Festland in der Nähe von Dagebüll und will die Firma, die er seit über 20 Jahren führt, bald an Jost übergeben. Dazu gehören 2 Ford Transit mit sieben und acht Sitzen, ein Ford Tourneo Connect und ein Caddy.
Schwerpunktmäßig arbeiten alle von 5 bis 22 Uhr, doch samstags werden auch die Besucher der Diskotheken befördert: „Wenn wir Samstagnacht alle nach Hause gebracht haben, und am Sonntag geht das Geschäft früh um fünf schon wieder los, weil die erste Fähre um 6 ablegt, dann ist der Job kein Vergnügen. Das ist ein Grund dafür, dass wir keine neuen Fahrer finden. Der zweite Grund ist, dass auf der Insel kein weiterer Wohnraum zu bekommen ist. Da ist es schwer, jemanden herzulocken, auch wenn wir dran gewöhnt sind.“
Auch die Wattwanderer, die im Sommer häufig erst abends um 22, manchmal 23 Uhr von der Nachbarinsel Föhr zurückgelaufen kommen, sind häufige Fahrgäste für Harksen, die bei Jost und seinen Kollegen für eine kurze Nachtruhe sorgen. „Das ist manchmal ein größerer Auftrag, wenn da 18 Mann ankommen. Wir bedienen die Nachfrage nach Kräften, können aber nicht zur selben Zeit noch zwei andere Aufträge fahren, weil wir eben nur zu viert sind.“ Dass dadurch manchmal Ungeduld entsteht, kann Jost zwar verstehen, aber nicht ändern. „Wenn dann eine Lokalzeitung schreibt, man würde bei uns am späten Abend schlecht bedient, ist das nicht hilfreich“, wie Jost es diplomatisch ausdrückt.
Da der Tourismus mit mehr als einer Million Übernachtungen pro Jahr die Haupteinnahmequelle auf der Insel ist, hängt auch das Taxigeschäft erheblich von den Besucherzahlen ab. „Wann immer ein Schiff kommt, sind wir am Anleger“, so Jost. Die Transfers zwischen dem wichtigsten Verkehrsanschluss der Insel, dem Fähranleger in Wittdün, und den Unterkünften sind aber saisonabhängig und nur der zweitwichtigste Teil des Geschäfts für den Amrumer Taxibetrieb. Die Haupteinnahmequelle sind Krankenfahrten, häufig aufs Festland, etwa nach Flensburg – gut 80 Kilometer. Das ist aber nicht wie an anderen Orten in zwei oder drei Stunden hin und zurück erledigt: Mit der Autofähre dauert schon die Hinfahrt unter dem Strich über zweieinhalb Stunden. Mit Wartezeit und Rückfahrt – die Fähre fährt nicht jede Stunde – ist man mit einem Patienten nicht selten von 5:30 bis 16:30 Uhr unterwegs. Es gibt aber auch Fahrten nach Kiel, Husum oder sogar Hamburg, die sich auch ohne Rückfahrt rechnen.
Jost, der mit Firmenchef Harksen und dessen Tochter den Bürokram erledigt, stöhnt über die Abrechnerei mit den Krankenkassen: „Dass wir Krebspatienten zur Bestrahlung nach Flensburg fahren, ist für uns Alltag. Eine Fähre kommt im normalen Abrechnungsprogramm der Krankenkassen aber nicht vor, deshalb müssen wir das immer völlig umständlich handschriftlich machen.“ Zudem lassen die Kassen sich mit der Bezahlung oft Zeit, während das Fährunternehmen die 2.000 bis 3.000 Euro Überfahrtkosten pro Monat zuverlässig pünktlich abbucht.
Das restliche Taxigeschäft auf der Insel ist überschaubar. Jost schätzt die Anzahl der Gastronomiebetriebe auf dem 20,46 Quadratkilometer großen erschlossenen Teil der Insel vom Nobelrestaurant bis zum Imbiss auf etwas über 40. Von ihnen schließen alle bis auf zwei ihre Küchen bereits vor 21 Uhr. Nach 22 Uhr sei dann kaum noch jemand unterwegs. Somit rechne sich das Nachtgeschäft nicht, aber Betriebspflicht sei nun mal Betriebspflicht – was zu Corona-Zeiten besonders belastend war und sich bis heute nicht komplett normalisiert hat. Deshalb ärgert es Jost, wenn die Lokalpresse unzutreffend schreibt: „Gäste und Einheimische, die nach 22:00 Uhr auf Amrum zum Beispiel in der ‚Blauen Maus’ noch ein Bier oder einen Whisky trinken möchten, bleibt nur die Möglichkeit, zu Fuß nach Hause zu laufen.“ Jost: „Natürlich versuchen wir, jeden zu fahren, der ein Taxi haben will.“ Nur in einem Wunsch stimmt er dem Redakteur zu: „Dass sich die Amrumer Gastronomen, die Amrum Touristik und das ortsansässige Taxiunternehmen gemeinsam überlegen, wie diese Situation verbessert werden kann.“ ar
Beitragsfoto: Lasse Jost