Am gestrigen Taxikorso von Frankfurt am Main nach Wiesbaden nahmen rund 250 Taxis aus Hessen und Umgebung teil. Gefordert wird unter anderem eine Vorbestellfrist für Mietwagen.
Aufgerufen zum Protest gegen bestimmte Änderungen im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) hatte die Taxivereinigung Frankfurt am Main. Unter dem Motto „Stoppt Scheuer – stoppt Uber“ fuhr die Kolonne von einem Treffpunkt nahe des Frankfurter Flughafens zur Staatskanzlei nach Wiesbaden.
In einer Presseerklärung hatte Hans-Peter Kratz, Vorsitzender des Landesverbands Hessen für das Personenbeförderungsgewerbe und der Taxivereinigung Frankfurt am Main, das Agieren des Bundesverkehrsministers vorab als stümperhaft bezeichnet. Das Gewerbe habe die Nase voll vom Anbiedern an Uber und FreeNow, dem Frontalangriff auf den öffentlichen Personennahverkehr durch Bundesverkehrsminister Scheuer und die FDP. „Wir fordern, dass die Kannibalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs durch die sogenannten innovativen Fahrdienste gestoppt wird. Und wir fordern, dass die Verbraucher ihren Anspruch auf gesicherte Mobilität und verlässliche, staatlich festgelegte Preise, auch auf dem Land und den Stadtrandbezirken, behalten. Schließlich dürfen die Städte nicht durch noch mehr fahrenden und ruhenden Verkehr belastet werden“.
Der Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM) hatte die Demo mit Meldungen und Aufrufen zur Teilnahme auf seiner Internetseite sowie in Whatsapp-Gruppen unterstützt und war in Person von Vizepräsident Herwig Kollar vor Ort präsent. Gemeinsam mit Hans-Peter Kratz wurde dem hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Grüne) vor der Pforte der Staatskanzlei am Kranzplatz ein Protestschreiben überreicht.
Kollar als Interessenvertreter des gesamtdeutschen Taxigewerbes hatte vor einer Woche in einer Expertenanhörung im Deutschen Bundestag erneut die Bedenken der Branche gegen die geplante PBefG-Novelle der Bundesregierung vorgetragen, die sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindet und bei unveränderter Umsetzung ohne Einführung einer Mindestbestellfrist für Mietwagen die Existenz des deutschen Taxigewerbes bedroht.
Das Protestschreiben des hessischen Landesverbandes und der Frankfurter Taxivereinigung ist mit Datum 25. Februar als offener Brief an Ministerpräsident Volker Bouffier mit dem Betreff „Das Taxigewerbe in Hessen braucht jetzt Ihre Unterstützung!“ gerichtet. Hier der Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bouffier,
die Corona-Krise setzt dem Taxigewerbe in Deutschland erbarmungslos zu. Umsatzeinbußen von bis zu 90 % können die vielen kleinen Unternehmen nicht verkraften. Etliche haben bereits aufgegeben – weitere werden folgen.
ln dieser Situation kommt nun der zweite schwere Schlag: Die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Was technokratisch klingt, ist in Wirklichkeit sehr grundsätzlich: Es geht um die Werte der sozialen Marktwirtschaft auf der einen Seite und eine entfesselte Plattformökonomie auf der anderen Seite. Ganz konkret geht es darum, ob rund
3.500 Unternehmen mit über 20.000 Beschäftigten allein hier in Hessen in Zukunft noch eine faire Chance im Wettbewerb haben oder in die prekäre Abhängigkeit von Plattformen und Algorithmen gezwungen werden.
Das Taxigewerbe in Hessen braucht jetzt Ihre Unterstützung!
Eine Modernisierung des Personenbeförderungsrechts ist ohne Zweifel erforderlich. Neue Bedienformen brauchen einen klaren und verlässlichen Rahmen, in dem Räume für Innovationen entstehen. Aber es braucht gleichzeitig einen fairen Wettbewerb zwischen den Angeboten, eine faire Chance für den Mittelstand und eine klare Anerkennung der Rolle der Mobilität für die Daseinsvorsorge.
Die Bundesregierung hat einen (zustimmungspflichtigen) Entwurf für die Novelle vorgelegt. Jetzt sind Sie als Ministerpräsident gefordert: Sie haben es in der Hand, für die Menschen entscheidende Verbesserungen am Gesetz zu erwirken. Wir bitten Sie eindringlich um Ihre Unterstützung:
- Wir brauchen die Möglichkeit zur Einführung einer Vorbestellfrist für „Mietwagen mit Fahrer“ von Uber & Co. Taxis sind Teil des ÖPNV. Wie alle ÖPNV-Unternehmen haben Taxis besondere Pflichten im Dienst der Gesellschaft: sie sind für jeden da, jederzeit und zu behördlich festgelegten Preisen – im Gegensatz zu plattformbasierten Mietwagen.
- Zum Schutz des ÖPNV müssen Kommunen ausreichende Steuerungsinstrumente haben, um den Mobilitätsmarkt vor Ort im Sinne der Kundenbedürfnisse zu ordnen. Wenn die anderen Instrumente in der Praxis nicht ausreichen, müssen Kommunen auch eine Vorbestellfrist verhängen können. Das schützt den ÖPNV einschließlich Taxi. Genau in den Kommunen, wo es nötig ist. Wer den ÖPNV schützen will, muss den Kommunen deshalb auch das Instrument Vorbestellfrist bieten.
- Mobilitätsplattformen müssen genehmigungspflichtig werden. Wer wie Uber & Co. als Fahrtenvermittler auftritt, der muss auch gegenüber Verbrauchern und Arbeitnehmern haften. Es ist erklärtes Ziel der Novelle, die großen Plattformen umfassend in die Verantwortung zu nehmen. Diesem Anspruch wird der aktuelle Entwurf nicht gerecht. Es braucht dafür einen eigenen Genehmigungstatbestand mit klaren Rechten und Pflichten für Plattformen / Vermittlungsdienste.
Leider hat das Land Hessen im Bundesrat am 12. Februar 2021 die entsprechenden Vorschläge nicht unterstützt. Wir appellieren eindringlich, dass Sie sich für einen Erhalt des hessischen Taxigewerbes stark machen und Ihren Einfluss in Land und Bund entsprechend geltend machen. Das Taxigewerbe in Hessen braucht Ihre Unterstützung in diesem Kampf für Daseinsvorsorge und soziale Marktwirtschaft und gegen eine entfesselte Plattformökonomie. Für uns ist es ein wirtschaftlicher Überlebenskampf.
Auf welcher Seite stehen Sie?
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Kratz
Vorsitzender Landesverband Hessen für das Personenbeförderungsgewerbe e. V.
Vorsitzender der Taxi-Vereinigung Frankfurt am Main e. V.
Die Überreichung des Briefes an den Verkehrsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Al-Wazir hat eine Schlüsselbedeutung für das Gesetzgebungsverfahren: Im Bundesrat, wo die Vertreter der Länder über Gesetzesentwürfe abstimmen, sind die Mehrheitsverhältnisse im Bezug auf die PBefG-Novelle knapp. Länder, in denen die Koalitionspartner untereinander uneinig sind, enthalten sich bei Abstimmungen üblicherweise. Das Gewerbe möchte deshalb erreichen, dass der Verkehrsminister seinen Koalitionspartner, die CDU, überzeugt, „die Interessen ihrer Bürger im Bundesrat zu vertreten und ihren eigenen Entschließungsantrag, den der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg und vor allem Hessen, zu unterstützen“. ar