Am Tag der Sternfahrt in Frankfurt am Main befassten sich Politiker im hessischen Landtag in einer aktuellen Fragestunde mit der geplanten Änderung des Personenbeförderungsgesetzes. Sprecher aller Fraktionen außer FDP und CDU distanzierten sich mehr oder weniger von Andreas Scheuers Eckpunkten.
Bevor auf dem Römerberg in der hessischen Metropole über 1.000 Taxifahrerinnen und -fahrer demonstrierten, die zuvor mit ihren Wagen einen beeindruckenden Korso gebildet hatten, redeten am Donnerstag, dem 23. Mai, knapp 40 Kilometer weiter westlich Politikerinnen und Politiker über den Personenverkehr: im Landtag am Schloßplatz in der Landeshauptstadt Wiesbaden. Die Linksfraktion hatte eine Aktuelle Stunde zum Thema beantragt.
Bereits am Freitag war in den Whatsapp-Gruppen die Rede der Linken-Fraktionschefin Janine Wißler verbreitet worden, die sich umfangreich mit den Anliegen des Taxigewerbes solidarisiert hatte. Wißler ist im Parlament auch Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Ihre Ausführungen klingen in den Ohren der Taxi-Times-Leser in großen Teilen vertraut.
Hessen wird seit dem 18.1.2019 von einer schwarz-grünen Koalition unter Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) regiert. Tarek Al-Wazir ist Bouffiers Stellvertreter, Staatsminister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen und ehemaliger Fraktionschef von Bündnis 90 / Die Grünen. Er erklärte, er halte es für wichtig, dass das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) an heutige Marktgegebenheiten angepasst werde, wobei jedoch der Wettbewerb fair und ohne Rosinenpickerei bleiben müsse.
Karin Müller (Bündnis 90 / Die Grünen), Landtags-Vizepräsidentin, ehemalige verkehrspolitische und rechtspolitische Sprecherin ihrer Partei und ebenfalls Mitglied im besagten Ausschuss, dankte der Linken für den Anstoß des Themas und bedauerte, dass die im Plenum befindlichen Abgeordneten nicht an der Demo in Frankfurt teilnehmen konnten. Das PBefG müsse ihrer Meinung nach per Novelle „an die Wirklichkeit“ angepasst werden, wobei ein fairer Wettbewerb gewährleistet und die Interessen des Taxigewerbes berücksichtigt werden müssen, meinte Müller. Das jetzige PBefG fördere den Verkehrskollaps.
Tobias Eckert, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender und ebenfalls Mitglied im genannten Ausschuss, will keine Kannibalisierung des Marktes auf dem Rücken von Beschäftigten. Dazu zähle insbesondere die Unterscheidung zwischen Taxi- und Mietwagenverkehr, weshalb die Aufhebung der Rückkehrpflicht für Mietwagen entschiden abzulehnen sei, meinte Eckert. Er sprach sehr konkret darüber, dass man Anbietern wie Uber und mytaxi einen fairen Weg auf den Markt aufzeigen müsse. Das vermisse er bei Wirtschaftsminister Al-Wazir.
Der CDU-Abgeordnete J. Michael Müller sprach von „zahlreichen Dienstanbietern, nicht nur Uber“, und gab in einem Nebensatz zu bedenken: „… ein Großteil dieser Anbieter – außerhalb von Uber – in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen“. Dass man zu bestimmten Zeiten in kleineren Ortschaften schwer von A nach B komme, ist für ihn kein Grund, das Taxigewerbe zu schützen, sondern den Markt für andere Anbieter zu entwickeln. Ähnlich wie Bundesverkehrsminister Scheuer sprach Müller eher allgemein von der Nutzung aller zur Verfügung stehenden Verkehrsarten in einem rechtlichen Rahmen, der eine gerechte Bezahlung der Fahrer ermöglicht.
Arno Enners (AfD), Mitglied im selben Ausschuss, thematisierte das Ungleichgewicht zwischen Taxi und Mietwagen, vermischte dabei allerdings die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse angestellter Taxi- und Mietwagenfahrer mit den selbstständigen Tätigkeiten, so dass etliche Aussagen leider faktisch völlig falsch waren. Hanebüchen wurde es, als Enners von einem Mindestkilometerschnitt berichtete, der vom Finanzamt den Taxi- und Mietwagenfahrern vorgegeben werde. Da Enners auch noch – ebenso faktisch falsch – die so genannte Ein-Prozent-Regelung bei der Versteuerung des Privatanteils eines Taxis und eines Mietwagens in einen völlig falschen Zusammenhang setzte, geriet seine Rede mehr und mehr zur Farce. Bei so viel Inkompetenz zur Sache wäre es besser gewesen, der Politiker hätte auf seinen Redebeitrag verzichtet.
Bei Oliver Stirböck, Mitglied des FDP-Landesvorstands, der neben dem erwähnten Ausschuss auch dem Ausschuss für Digitales und Datenschutz sowie dem Europaausschuss im Landtag angehört, bestimmte von vornherein ein anderer Tenor die Rede. Junge Leute sagten oft nicht mehr „nehmen wir ein Taxi“, sondern „nehmen wir ein Uber“. mytaxi bezeichnete er wie Free now und Moia als Chauffeurdienst. Sie und Dienste wie Drive now veränderten den Markt. Versuche, diese Entwicklung aufzuhalten, mache diejenigen, die man schützen will, zu Opfern, meinte Stirböck. „Das Taxigewerbe gehört zu den letzten verbliebenen Dienstleistungsmärkten, deren strenge Regulierung den Wettbewerb einschränken.“ Er sprach sich klar für die Abschaffung der Rückkehrpflicht ab. Der Wettbewerb würde neue Arbeitsplätze schaffen. Rechtsverstöße gebe es nicht nur bei Uber, denn die dort ausschließlich bargeldlose Zahlung ermögliche eine bessere Überwachung. ar
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