Mehr als 150 Zuhörer aus Verwaltung und Gewerbe haben in dieser Woche an einem Webinar zum Thema ÖPNV-Taxi teilgenommen. Anstatt wie bisher bei On-Demand-Verkehren sinnlos Geld zu verbrennen, scheint sich endlich die Logik der „EDA-Kosten“ durchzusetzen.
Eine von langer Hand geplante Kampagne hätte kaum mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken können: Unter dem Schlagwort „ÖPNV-Taxi“ richten sowohl die „Öffis“ als auch die Taxi-Branche einen Fokus auf mögliche Kooperationen von Linien-ÖPNV und Taxi.
Endlich, möchte man sagen, den vor kurzem hatten wir von Taxi Times darauf hingewiesen, warum ÖPNV-Taxis als Game-Changer der Verkehrswende unverzichtbar sind. Nun scheint die Sommerpause vorbei und alle Seiten engagieren sich mit Nachdruck in dem Thema.
Letzter Aufschlag dazu war die aktuelle Folge der Webinar-Reihe „Öffis go multimodal“ der Softwareschmiede TAV mit dem Titel „ÖPNV-Taxi – wenn Wettbewerber kooperieren“. Der of-Counsel-Jurist Dr. Hubertus Baumeister stellte hier 150 interessierten Teilnehmern aus Verwaltung und Gewerbe das von seiner Kanzlei BBG & Partner aus Bremen auch genehmigungsrechtlich zur Marktreife entwickelte Konzept des ÖPNV-Taxis vor, welches viele ökonomische Fehlentwicklungen der Verkehrswende wieder in die richtige Richtung lenken könnte.
Gemeinsam mit Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbandes BVTM und Oliver Valha, Leiter der Stabsstelle Mobilität im Landkreis Freudenstadt, konnten die drei überzeugend darlegen, dass eine erfolgreiche Mobilitätswende gar nicht umhinkommt, den „EDA-Faktor Taxi“ zu nutzen. Als EDA-Kosten (oder auch „Eh-da-Kosten“) werden in Unternehmen oder Behörden umgangssprachlich Fixkosten bezeichnet, die unabhängig von der Kapazitätsauslastung vorzuhalten sind, weil die Kostenverursacher ohnehin vorhanden sind (Wikipedia).
Ein wichtiger Punkt bei der Planung ist, dass es nicht darum gehen soll, größtmögliche Nutzerzahlen der Projekte zu erreichen, sondern ein wirtschaftliches Modell bei einer niedrigen Abrufquote der On-Demand-Angebote zu erzielen, denn nur dann bleiben die Modelle finanzierbar. Gleichzeitig gilt es, das Primat des Linienverkehrs aufrecht zu erhalten und diesen lediglich – gemäß der uralten Formulierung im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) – „mit Taxis zu ergänzen und zu verdichten“.
In der technischen Umsetzung sieht das ÖPNV-Taxi folgendermaßen aus: Ein von Baumeister & Co. entwickeltes „Widerstandsmodell“ überprüft softwarebasiert, ob bei einer Beförderungsanfrage eines Fahrgastes ein akzeptables Linienverkehrs-Angebot gemacht werden kann oder ob dem Fahrgast alternativ ein individuelles On-Demand-Anbot mit einem Taxi vorgeschlagen wird. Das Taxi kann dann entweder als Zubringer oder auch als Alleinbeförderer fungieren. Nur mit dem hier propagierten ÖPNV-Taxi werde eine Aushöhlung der Taxistrukturen von außen verhindert, waren sich die Referenten einig.
Mit seinen Partnern vor Ort hat die BBG inzwischen schon zehn ÖPNV-Taxi-Projekte realisiert bzw. steht kurz vor dem Start. In Freudenstadt in Baden-Württemberg funktioniert das ÖPNV-Taxi so erfolgreich, dass innerhalb kurzer Zeit sein Bediengebiet nicht nur auf (fast) den gesamten Landkreis erweitert werden konnte, sondern dass die ausgebebene Taxi-Konzessionsanzahl im Landkreis parallel von etwas über 50 auf nunmehr fast 100 Taxis stieg. Besser lässt sich der Erfolg – zumindest aus Taxisicht – wohl kaum beschreiben. Aber auch der Landkreis selber schwärmt von dem Erfolg für seine Bürger. Maßgeblich sei dafür auch, dass das ÖPNV-Taxi eben nicht direkt geordert werde, sondern in die ÖPNV-Apps integriert sei. So sei das ÖPNV-Taxi – zumindest in Freudenstadt –zum Leuchtturmprojekt der Mobilitätswende geworden.
BVTM-Geschäftsführer Oppermann hatte zuvor dargestellt, dass Taxi aus seiner Sicht schon lange nicht mehr altbacken, kleinteilig organisiert und manchmal irritierend individuell sei, sondern seine Hausaufgaben in den vergangenen Jahren durchaus gemacht habe. Mit dem Digitalisierungsprojekt TaBeA zur Optimierung des Störungsmanagements der Deutschen Bahn zeichne sich die ganze Innovationskraft des Taxis aus, gleichzeitig seien 50.000 Taxis mit weiteren 50.000 Mietwagen im Hintergrund ein Schlüssel zur Effizienz.
Es geht also unbestreitbar voran. Die Tatsache, dass sich unter den Zuhörern des Webinars auch Vorstände von städtischen Taxizentralen wie auch städtische Behördenvertreter befanden, zeigt, dass ein ÖPNV-Taxi nicht nur im ländlichen Bereich möglich ist. Allerdings steckt auch eine gefährliche Dynamik in dem Thema, denn noch gibt es die für die Realisierung von ÖPNV-Taxi-Projekten erwünschten Taxiunternehmen vor Ort, aber sie sind vielfach schon zu einer schützenwerten Art mutiert. Wartet die Gesellschaft zu lange, bevor sie sich auf die Nutzung des EDA-Faktors Taxis besinnt, könnte es hier oder da vielleicht schon zu spät sein. rw
Das Beitragsfoto zeigt einen Ausschnitt der Teilnehmer am Webinar „ÖPNV-Taxi – wenn Wettbewerber kooperieren“ der Softwareschmiede TAV. Foto: Taxi Times