Am Montagmorgen wird in San Francisco wenige Straßen von Ubers Hauptquartier entfernt ein „Jahrhundertprozess“ gegen Uber beginnen. Die Geschworenen haben zu entscheiden, ob Uber tatsächlich Industriegeheimnisse von Waymo gestohlen hat, die essentiell für die Technologie selbstfahrender Fahrzeuge ist.
Waymo, eine Ausgründung von Alphabets Google, reichte im Februar 2017 Klage gegen Uber ein. Der Fahrtenvermittler soll, unter der Leitung des damaligen CEO Travis Kalanick, zusammen mit dem Chefentwickler Anthony Levandowski einen Komplott betrieben haben, um Industriegeheimnisse von Google, bzw. Waymo, wie die Abteilung später hieß, zu stehlen. Waymo forderte bereits 1,9 Milliarden US-Dollar Schadensersatz von Uber. Und auf dem Spiel steht nicht nur viel Geld, ein negatives Urteil könnte Ubers Plänen von selbstfahrenden Autos weit zurückwerfen.
Die beiden Giganten liegen im Wettrennen um das als Schlüsseltechnologie bezeichnete Wissen. Uber bestellte letzten Herbst 24.000 selbstfahrende Volvos, Waymo testet seit 2017 Roboter-Taxis in Arizona und bestellte jetzt autonome Mini-Vans bei Fiat Chrysler.
In der vergangenen Woche wurden die zehn Geschworenen ausgewählt und vereidigt. Es dürfte schwer gewesen sein, Geschworene zu finden, deren Haltung zu Uber wirklich unbeeinflusst ist, denn zu viel Schmutz kam ans Tageslicht: Hell, Greyball, Ripley, ein riesiges, verschwiegenes Datenleck sowie Bestechungen wurden bekannt, aber den Vogel schoss der Jacobs-Brief ab, dem zufolge Uber planmäßig mit geheimdienstlichen Methoden Mitbewerber im großen Stil ausgehorcht habe.
Die fünf Frauen und fünf Männer haben quasi Gesprächs- und Internetverbot für die gesamte Dauer des Verfahrens. Sie werden sich die Befragung von 99 geladenen Zeugen anhören müssen und die von den Anwälten vorgelegten Beweise sichten. Auf der Liste der Zeugen stehen neben Travis Kalanick und Anthony Levandowski auch Bill Gurley, ein Investor, der Benchmark im Vorstand von Uber vertrat und mittlerweile seinen Hut nehmen musste sowie der CEO von Waymo, John Krafcik. Am Ende werden sie eine Empfehlung für den Richter aussprechen, der dieser in den meisten Fällen folgen wird (aber nicht muss). Darauf hin wird der Richter seinen Urteilsspruch fällen.
Dass dieser zum Nachteil Ubers ausfallen wird, ist indes alles andere als sicher – zu verzwickt ist die juristische Materie. Obwohl unstrittig ist, dass Anthony Levandowski bei seinem Weggang von Google bzw. Waymo 14.000 Dateien gestohlen hat, ist es Waymos Anwälten nicht gelungen nachzuweisen, dass Patente gestohlen wurden. Lediglich wurden Indizien gefunden, die nahelegen, das Uber und Levandowski alles daran gesetzt hätten, Beweise verschwinden zu lassen.
Und dennoch gibt es auch Industriegeheimnisse, die ohne Patentierung urheberrechtlich geschützt sein können, aber das nachzuweisen ist aus mehreren Gründen schwierig. Zum einen bedarf es Fachwissen in einer hochentwickelten Technologie, den Wert von Informationen einzuschätzen. Zum anderen ist fraglich, in wie weit ein Arbeitgeber Anspruch auf Wissen und Fähigkeiten hat, die seine Angestellten bei ihm erlangen und dann bei einem anderen Arbeitgeber einsetzen. Denn dass Entwickler ihre Arbeitgeber wechseln, um Karriere zu machen, ist üblich und wird ihnen schwer zu verbieten sein. Die in Frage stehenden Bestandteile des LIDAR, des Laser-Radars, mit dem ein autonomes Auto seine Umgebung erkennt, will Uber mit Levandowski selber entwickelt haben.
Eine andere Frage ist die Bewertung des Verhaltens von Levandowski, der bei seinem Weggang von Google nicht nur einen Bonus von 120 Millionen Dollar bekam, sondern auch noch illegal 14.000 Dateien hat mitgehen lassen, und kurze Zeit später sein Unternehmen Ottomotto gründete. Das bestreitet auch Uber nicht, aber man habe „Otto“ für 680 Millionen Dollar ja in der Annahme gekauft, dass Levandowski keine Betriebsgeheimnisse illegal verwendet. Waymo wird versuchen, die Geschworenen vom Gegenteil zu überzeugen. Uber beauftragte eine Firma vor dem Deal mit der Durchleuchtung von Ottomotto, und ihr Bericht, der Stroz-Report, lässt diese Annahme durchaus zu.
Levandowski berief sich bislang auf sein Schweigerecht. 300 mal hat er das Reuters zu Folge in einer stundenlangen Befragung durch die Waymo-Anwälte im Rahmen der Beweiserhebung getan und es wird erwartet, dass er das auch weiterhin tut. Richter William Alsup habe bereits angekündigt, dass er dann den Geschworenen empfehlen würde, daraus negative Schlüsse für Uber zu ziehen. Eine andere Rechstexpertin bestätigte, dass Levandowskis Schweigen als Hinweis auf illegales Handeln durch Uber zu verstehen sei. Uber selber arbeitet daraufhin, sich weitestgehend von Levandowski, der bereits lange vor seiner Kündigung bei Google eine Freundschaft mit Travis Kalanick pflegte, zu distanzieren. Nach er bei Uber gefeuert wurde, gründete er eine – steuerbefreite – Kirche, die „künstliche Intelligenz“ als Gott anbetet.
Bloombergs Businessweek sieht indes noch mehr Verwicklungen, denn auch die Beziehung zwischen Kalanick und Levandowski wird eine Rolle spielen. So wird Kalanick ebenfalls aussagen müssen, aber Uber dürfte kein Interesse daran haben, dass Kalanick eine treibende Rolle in einem Komplott gegen Waymo nachgewiesen wird. Waymos Anwälte haben aber genau dafür ebenso Indizien und werden versuchen, Kalanicks Aussagen vor den Geschworenen in ein möglichst schlechtes Licht zu stellen. prh
Grafik: Taxi Times
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