Seit August 2021 ist die klassische Ortkundeprüfung für Taxi und Mietwagen Geschichte. Die als Ersatz gesetzlich fixierte kleine Fachkundeprüfung harrt jedoch nach wie vor ihrer Umsetzung und nicht nur Gewerbeinsider stöhnen über einen gravierenden Qualitätsverlust bei dem neu ins Gewerbe strömenden Fahrpersonal. Im Stadtstadt Hamburg hatte man die Nase voll vom Warten auf die Bundespolitik und bringt nun eine eigene Lösung auf den Weg. Beim Hamburger Taxi-Tag wurden vergangene Woche erste Details dazu bekannt.
Die Posse um Ausgestaltung und Umsetzung der mit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) beschlossenen Kleinen Fachkundeprüfung für Taxi- und Mietwagenfahrerinnen und -fahrer dreht mit dem Bruch der Berliner Koalition nun wahrscheinlich noch mal eine zusätzliche Ehrenrunde und wird so möglicherweise sogar zur Never-Ending-Story. Die Hansestadt Hamburg hat sich dazu entschieden, hier – zumindest bis zur Realisierung einer bundeseinheitlichen Lösung – zunächst eine eigene Lösung umzusetzen und will vielleicht schon zu Beginn des kommenden Jahres damit starten. Im Rahmen des jüngsten Taxi-Tags stellte Behördenleiter Dirk Ritter die ersten Eckdaten zur geplanten Verfahrensweise vor.
Zunächst einmal berücksichtigt man in Hamburg jene Fixpunkte für die Realisierung einer kleinen Fachkundeprüfung für den Gelegenheitsverkehr in der gewerblichen Fahrgastbeförderung, auf die man sich bundesweit bereits verständigt hatte (immerhin…). Die Prüfung soll digital sein und keinerlei Ortskunde-Elemente mehr enthalten, da diese nach Ansicht der Autoren der PBefG-Novelle im Navi-Zeitalter unnötig seien. Viele Fahrgäste haben diese Erkenntnis nun schon bitter bezahlen müssen und auch in der Politik haben nicht wenige inzwischen erkannt, dass das Navi allein die Ortskenntnis des Fahrpersonals nicht wirklich ersetzen kann, aber diese Uhr lässt sich wohl nicht mehr zurückdrehen.
Die Fragen zur Kleinen Fachkunde sollen sich zukünftig also nur aus den Modulen Verkehrsverhalten, Verkehrssicherheit und dem ökologischen Aspekt rekrutieren, weder Ortskenntnis noch Dienstleistung sollen enthalten sein, denn diese Wertvermittlung will man den Unternehmen in Eigeninitiative überlassen. Die Hamburger haben in ihrem Modell danach nun die drei Module Verkehrsverhalten, Überfallsicherheit und sicherer Transport definiert und daraus einen Fragenkatalog von etwas mehr als 200 Fragen zusammengestellt, von denen die Prüflinge eine nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Anzahl beantworten müssen. Es wird dabei eine ca. 70prozentige Erfolgsquote erwartet, damit die Prüfung als bestanden gelten kann.
Als Prüfungspartner konnten die Hamburger den TÜV Hanse gewinnen, in dessen Geschäftsstellen die Prüfungen zukünftig abgelegt werden sollen. Nach Vereinbarung eines Prüfungstermins muss sich der Prüfling vor Ort persönlich ausweisen, bevor die Prüfung dann online an einem Rechner im Multiple-Choice-Verfahren abgelegt werden kann. Besteht der Prüfling, erstellt der TÜV eine digitale Bescheinigung, welche direkt an die Führerscheinstelle der Senatsverwaltung übermittelt wird. Hier kann der Prüfungsnachweis dann in den Führerschein zur Fahrgastbeförderung (P-Schein) eingestempelt werden, dessen rechtmäßiges Vorliegen im Umkehrschluss auch einwandfrei überprüfbar bleibt. Auf diesem Weg gehen die Hamburger davon aus, dass sie möglichen Missbrauch recht zuverlässig ausschließen können.
Gleichzeit haben die Hamburger so auch die Möglichkeit, den anstehenden Prüfungsstau abzuarbeiten. Seit der Gültigkeit des neuen PBefG, welches fast zeitgleich mit der Corona-Pandemie zusammenfiel, wurden neue P-Scheine stets mit dem Vermerk ausgeben, dass die noch ausstehende Fachkundenprüfung nachträglich nachzuweisen sei. Allerspätestens mit Ablauf des P-Scheins und der so anstehenden Verlängerung sollte dann die Prüfung abgenommen werden. Da es nun doch erheblich länger als erwartet gedauert hat, bis die Prüfung überhaupt abgelegt werden kann, käme es zu einem Prüfungsstau, der die Senatsverwaltung kaum gewachsen wäre. Daher wird all denjenigen, die die Prüfung noch ablegen müssen, nun ein Jahr Zeit eingeräumt, sich selbständig darum zu kümmern und die Prüfung beim TÜV abzulegen. So hofft man in Hamburg, diese befürchteten Engpässe ausgleichen zu können.
Gleichzeitig lässt sich auch das spezielle Problem eines Stadtstaates lösen, wo häufig auch Menschen mit Wohnsitz im Umland Hamburgs in der Stadt in der gewerblichen Fahrgastbeförderung aktiv sind. Ihr P-Schein wird dann also im benachbarten Bundesland ausgestellt und verlängert, trotzdem kann die Stadt Hamburg zusätzlich das Ablegen der kleinen Fachkunde für ihre Stadt einfordern und überprüfbar machen – natürlich ebenfalls mit der gleichen Karenzfrist von einem Jahr, die auch für „echte“ Hamburger gilt.
Wer seinen P-Schein übrigens vor der Abschaffung der Ortskenntnisprüfung erworben hat und dieselbe also noch nachgewiesen hat, ist natürlich von der Pflicht zum Nachweis der kleinen Fachkunde entbunden. Insgesamt scheint das Paket alle Eventualitäten um die Kleine Fachkunde erfolgreich zu erschlagen und es wäre vielleicht sogar wünschenswert, wenn die 15 anderen Bundesländer sich hier einfach an einem „copy and paste“ versuchen würden, anstatt noch weiter an irrelevanten Details zu feilen.
Die Frage, welche Strafe droht, wenn man sich nach der verbleibenden Übergangsfrist im Stadtgebiet der Hansestadt Hamburg mit einem P-Schein ohne Fachkunde- oder aber alternativem Ortkenntnisnachweis erwischen lässt, wird von der Hamburger Behörde klar beantwortet: Rechtlich stellt dies eine Ordnungswidrigkeit da, das „Fahren ohne Führerschein“ – wie oft kolportiert – steht hier nicht im Raum.
Somit bleibt nur noch die Frage offen, wie solche P-Scheine behandelt werden, die in der Zwischenzeit nach Abschaffung der Ortskundepflicht für Mietwagen, aber vor Einführung der Pflicht zum Nachweis einer Kleinen Fachkunde ausgestellt wurden. Berechtigen sie auch zukünftig zum Führen eines Mietwagens oder zukünftig auch eines Taxis? Hier wird sich die Hamburger Behörde sicherlich noch klar positionieren, auch um ihren Unternehmern die Option zu geben, zuverlässig zu prüfen, ob ihre Fahrer zum Führen eines Taxis oder Mietwagen in der Hansestadt berechtigt sind oder nicht. rw
Beitragsbild: Grafik, Remmer Witte
Immer wieder Dirk Ritter. Wenn ein Name unter den bundesweiten Taxenbehörden in Deutschland auffällt, die pragmatisch und sachkundig zur Tat schreitet, handelt es sich um Dirk Ritter und seine Hamburger Taxenbehörde. Fast zwanzig Jahre innovative und wegweisende Pionierarbeit an vorderster Front. Die übrigen Taxenbehörden in Deutschland schauen wie immer zu und bleiben untätig – und unwissend.