In Sachsen-Anhalt herrscht Verstimmung zwischen Taxigewerbe und einigen Behörden. Verbände werfen ihnen vor, bei Tarifanpassungen das Gewerbe zu übergehen, eine Aufsichtsbehörde kontert und unterstellt dem Gewerbe flächendeckende Schwarzarbeit. Jetzt hat man sich Hilfe von höchster Stelle geholt.
Das Taxi- und Mietwagengewerbe in Sachsen-Anhalt fordert wegen seiner existenzbedrohenden Situation Unterstützung vom Staat. Martin Kammer, Vorsitzender der Fachvereinigung Personenverkehr Sachsen-Anhalt im Landesverband Thüringen des Verkehrsgewerbes e. V. (LTV), war kürzlich zu einem Gespräch mit der Landesministerin für Infrastruktur und Digitales, Dr. Lydia Hüskens (FDP), zu einem Gespräch zusammengetroffen. Die Ministerin und stellvertretende sachsen-anhaltinische Ministerpräsidentin sagte dem Taxi- und Mietwagengewerbe ihre Unterstützung im Ringen um kostendeckende Tarife zu. „Wir haben ein gutes Gespräch gehabt, nach dem die Ministerin sich nun die Arbeit der Genehmigungsbehörden für die Taxitarife genauer anschauen will“, so Kammer . „Es gibt in Sachsen-Anhalt einige Genehmigungsbehörden, die kommen ihrer Aufsichtspflicht nicht nach bzw. nehmen die Taxiunternehmer nicht ernst.“
Kammer betonte, dass es keine Mobilität im ländlichen Raum mehr geben wird, wenn auch kleine Taxiunternehmer nicht kostendeckend arbeiten können – was aber laut LTV in vielen Landkreisen in Sachsen-Anhalt der Fall ist. Hüskens sagte dem Verband ihre Unterstützung als übergeordnete Aufsichtsbehörde der Genehmigungsbehörden für den Fall zu, dass gegen rechtliche Vorgaben verstoßen werde.
Ein Fall, in dem dieses Angebot Relevanz erlangen könnte, ist der Konflikt zwischen dem Gewerbe und der Aufsichts- und Genehmigungsbehörde im Salzlandkreis im Zentrum Sachsen-Anhalts mit der Kreisstadt Bernburg (Saale). Hier können Taxi-Unternehmen ihre laufenden Kosten laut LTV nicht mehr decken. „Diese Entwicklung ist für das Taxigewerbe sehr bitter. Die Bundes-SPD setzt sich seit 2013 für Mindestlöhne ein und beschließt diese mit ihren Koalitionspartnern, und in der SPD des Salzlandkreises werden die Taxiunternehmer beim Taxitarif so gedrückt, dass schon die Zahlung des aktuellen Mindestlohnes sehr schwierig wird. Der SPD-Landrat predigt Wasser und trinkt offenbar selbst Wein“, kritisiert Kammer.
Im November 2021 hatten die Unternehmer des Landkreises bereits Alarm geschlagen, da zu den gültigen Taxitarifen keine auskömmliche Beförderung mehr möglich sei. Nun hat die Aufsichts- und Genehmigungsbehörde laut LTV gegen die Interessen der Unternehmen gehandelt und Beförderungsentgelte festgesetzt. Die Prüfung nach Paragraph 39 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), ob unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmers eine ausreichende Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals und der notwendigen technischen Entwicklung angemessen sind, sei dabei offenbar entfallen, betont Kammer: „Das Ziel der Behörde und des Landrates war es, sich im Vergleich zu anderen Landkreisen in Sachsen-Anhalt beim Taxitarif nicht zu stark zu bewegen.“ Behördenvertreter hätten die in Kammers Augen unzureichenden Tariferhöhungen ganz offen damit begründet, „die alte Oma“ müsse sich das Taxifahren auch noch leisten können. Zudem hätten sie behauptet, die Taxiunternehmen würden „doch sowieso alle schwarz“ arbeiten.
Der Verband rechnet vor, seit der letzten Tarifanpassung 2017 seien die Kosten der Unternehmer im Salzlandkreis bis Januar 2022 um 20 Prozent gestiegen. Ohne Berücksichtigung der Kostensteigerungen durch den Ukraine-Krieg, aber mit der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro müssten die Unternehmen am Ende des Jahres 2022 insgesamt 35 Prozent höhere Kosten bewältigen. Die jetzt von Landrat Markus Bauer (SPD) unterschriebenen Beförderungsentgelte in der Taxitarifordnung sehen durchschnittliche Erhöhungen von nur 12 Prozent vor. Kammer: „Keine Institution, die zum Thema vom Landrat angehört wurde, hatte die Kosten der Unternehmer ausführlich analysiert und auf Plausibilität und Kostendeckung geprüft. Wir haben den Landrat darauf hingewiesen, dass das Taxigewerbe und damit die Daseinsvorsorge im Salzlandkreis gefährdet sind, sollten die Beförderungsentgelte im Taxitarif nicht wenigstens auf das beantragte Niveau steigen. Auch wichtige inhaltliche Änderungen, die von den Taxiunternehmern vorgeschlagen wurden und gesetzlichen Hintergründen entsprungen sind, sind in keiner Weise berücksichtigt wurden.“
Kammers bitteres Fazit: Zu den derzeitigen Bedingungen werden immer mehr Unternehmen aufgeben bzw. keine Nachfolger finden. Dann wird die „Oma“ auch kein Taxi mehr bekommen – ob für die private Fahrt oder die Dialyse-Behandlung, bei der die Fahrten durch die Krankenkassen getragen werden. „Die Bürger haben im September mehrheitlich hohe Mindestlöhne und mehr Klimaschutz gewählt, also müssen die Bürger nun auch bereit sein, für jegliche Dienstleistungen mehr zu bezahlen“, so Kammer.
Der Verband hofft nun, dass Infrastrukturministerin Hüskens ihre Zusage zur Unterstützung, die sie Kammer gegeben hat, einhält. Ein weiteres Thema bei dem Gespräch war die einjährige Befristung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, wenn diese verlängert wird. In Sachsen-Anhalt gibt es einige Führerscheinstellen, die bei Besitzstand dennoch die Fachkunde anordnen. Dies bezeichnet der Verband als „in der Regel so nicht richtig“. Auch in dieser Sache versprach die Ministerin, das Gewerbe zu unterstützen. ar
Beitragsfoto: Dr. Lydia Hüskens und Martin Kammer. Foto: LTV