Taxi-Branche weiter in der Krise, Eine Branche am Ende, Das Taxi-Sterben hat schon begonnen – derzeit erfährt die Öffentlichkeit von der schlechten Situation des Taxigewerbes.
Mehrere Zeitungen und Fernsehsender haben sich des Themas angenommen: Die Taxibranche befindet sich in existenziellen Schwierigkeiten. Der „Focus“ schreibt, die Corona-Pandemie habe kaum einem Bereich derart zugesetzt wie den Taxi- und Mietwagenbetreibern. „Viele wissen nicht, wie es langfristig weitergehen soll.“ Längst seien es nicht mehr nur die „historisch hohen Kraftstoffkosten“, die der Branche zusetzen.
Auch der Ausfall großer Events wie etwa das Münchner Oktoberfest sowie der Wandel von Konferenzen zu Online-Events sorgten für 40 Prozent Umsatzrückgang. Der „Focus“ zitiert Michael Oppermann, den Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM), in Hamburg und Berlin seien die Konzessionszahlen so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht, und Oppermann befürchte bis Jahresende einen Rückgang um ein Drittel im Vergleich zu vor der Corona-Krise. Weitere Faktoren seien hohe Preise für Kraftstoff und Strom, Konkurrenz durch Uber & Co., und dass das Taxigewerbe im Zuge der Verkehrswende zusammen mit dem privaten Autoverkehr auf das „Abstellgleis“ gerate.
Die „Bild“-Zeitung, um plakative Formulierungen selten verlegen, spricht von einem „Taxi-Sterben“, das begonnen hat, „nicht nur wegen, aber meistens mit Corona“, denn in erster Linie gehe es nicht um kranke Fahrer, sondern um die „Begleiterscheinungen der Pandemie“ wie sinkende Fahrgastzahlen, explodierende Spritpreise, hohe Werkstattkosten in Verbindung mit durch die Decke schießenden Neuwagenpreisen sowie den steigenden Mindestlohn. Für Kunden ergebe das in Folge längere Wartezeiten und Preiserhöhungen, was eine weitere Runde in einem „Teufelskreis“ aus höheren Kosten und Verzicht auf das Taxi bedeute.
Auch „ntv“ beruft sich auf Michael Oppermann: Im Taxigewerbe tätige Unternehmen hätten Corona-Hilfen nur unzureichend wahrnehmen können, da Fahrzeuge in der Branche üblicherweise gekauft und nicht geleast werden. Diese Finanzierungsform kann aber laut Oppermann nicht für Corona-Hilfen geltend gemacht werden. Der BVTM rechne zwar damit, dass sich die Situation mit einem Rückführen der Corona-Maßnahmen verbessere, doch das alleine werde die Branche nicht retten, „weil wir nicht glauben, dass der Markt wieder so sein wird, wie er vor Corona war“, wird der Geschäftsführer zitiert.
Der Hessische Rundfunk brachte letzten Donnerstag in der „Hessenschau“ eine Kurzreportage, in der Fahrer, Zentralen-Mitarbeiter und ein Gewerbevertreter zu Wort kommen. Von bis zu 230-minütigen Wartezeiten an Halteplätzen und weggefallenen Fahrten zum Frisör, ins Fußballstadion oder vom Kino nach Hause sprechen die Fahrer. Selbst bei regelmäßigem Einkommen von angestellten Fahrern fehle das Trinkgeld in der Tasche. Die Liebe zum Beruf, das gute Verhältnis zum Chef und das Einkommen der berufstätigen Ehefrau ermuntern einen der Kollegen zum Durchhalten.
Harry Schweitzer von der Offenbacher Funkzentrale „Die Fledermäuse“ berichtet, man habe niemanden entlassen müssen, doch hätten viele Fahrer sich aufgrund der fehlenden Perspektive umorientiert. Gerettet hätte einen die Stammkundschaft, etwa durch Kranken- oder Schülerfahrten. Auch städtisch finanzierte Fahrten zu Impfzentren seien förderlich gewesen. Auch hier ist von 40 Prozent weniger Fahrten die Rede – allerdings nur am Tag. In der Nacht liege der Rückgang sogar bei 80 Prozent.
Von einem Hamsterrad, das sich nicht mehr bewegt, spricht Hans-Peter Kratz, der Vorsitzende des Landesverbandes Hessen für das Personenbeförderungsgewerbe e. V. und der Taxi-Vereinigung Frankfurt am Main e. V. Die bisher geringe Zahl von Insolvenzen beruhe auf der Selbstausbeutung des Gewerbes. Unternehmer seien zum Teil „für drei, vier Euro in der Stunde“ unterwegs, weil sie das dürften. Das Gewerbe hänge aber am Tropf der öffentlichen Hand in Form von Überbrückungshilfen und Grundsicherung. Auch hohe Spritpreise und „die neuen Konkurrenten wie Uber & Co.“ machen dem Gewerbe zu schaffen, weiß die Reporterin, berichtet aber auch von Taxifahrern, die nicht aufgeben, unter anderem, weil ihre „netten Kunden“ sie „im Job halten“. Einer der interviewten Fahrer erzählt, Fahrgäste, die ihm aus Mitgefühl höhere Trinkgelder geben, helfen nicht nur finanziell, sondern auch moralisch.
„RTL News“ nennt die wirtschaftliche Lage der Taxibranche „besorgniserregend“. Das Nachrichtenportal sprach mit dem Taxiruf Köln. Dieser kritisiert, dass die Corona-Hilfen „nicht branchenspezifisch angepasst wurden“, so dass die meisten Taxiunternehmer einige Kostenpunkte gar nicht hätten geltend machen können, etwa bei der Finanzierung der Autos selbst, die meist über Kredite abbezahlt würde – „diese konnten aber, anders als Leasingraten, nicht als Kosten geltend gemacht werden.“ Auch hier werden fehlende Fahrgäste, stark gestiegene Krafftstoffpreise und Hohe Werkstattkosten angeführt.
Die Taxi-Genossenschaft Köln fordere deshalb den Staat zunächst zu einem Verzicht auf Rückforderungen der geleisteten Hilfe zumindest in den existenzbedrohten Branchen auf. „Des Weiteren solle die Politik das neue Personenbeförderungsgesetz umsetzen, um das Taxi als Teil des ÖPNV finanziell zu unterstützen. So könnten Taxis beispielsweise für jeden gefahrenen Kilometer eine Subvention erhalten.“ Andernfalls drohe die Übernahme durch ausländische Investoren, zitiert RTL den Taxi Ruf Köln.
Dem bayerischen Radiosender Allgäuhit aus Kempten ist in Gesprächen mit Taxiunternehmern aus der Region deutlich geworden, dass die Pandemie ihre Spuren hinterlassen habe. Das Abend- und Nachtgeschäft habe sich laut einem Memminger Unternehmen aufgrund der Schließung von Clubs und Diskotheken noch nicht so sehr erholt wie das Tagesgeschäft, wenngleich die Aufhebung der Sperrstunde „gut getan“ habe. Auch hier werden Werkstattkosten, Mindestlohn sowie Versicherungskosten als Last empfunden. Darauf müsse man nach Ansicht des Unternehmers eigentlich reagieren, was aber beim Tarif nicht sofort möglich sei.
Es sei daher nötig, zeitnah eine Lösung zu finden, sprich Tariferhöhung, die man bereits beantragt habe. Den goldenen Weg sieht ein befragter Unternehmer darin aber auch nicht, da man auch hier als Reaktion auf höhere Preise einen weiteren Fahrgastschwund fürchtet. ar
Beitragsbild: Hans-Peter-Kratz in der „Hessenschau“ vom 17.2.2022, © Hessischer Rundfunk