Ein engagierter Vertreter eines kleinstädtischen Gewerbeverbandes im Umland Berlins unterstützt und berät mit eindringlichen Forderungen den Landkreis Barnim gegen kriminelle Mietwagenunternehmer und für MBE. Die Kreisbehörden gehen bereits aktiv gegen die Uber-Partner vor.
Erneut hat Taxiunternehmer Bernd Bachmann, der lange Zeit in Berlin tätig war und wohl das einzige brandenburgische Mitgliedsunternehmen der Berliner Taxi-„Innung“ ist, in einer flammenden Rede in der Fragestunde des Kreistages sowohl den amtierenden Landrat, Daniel Kurth (SPD), als auch dessen Herausforderer Daniel Sauer von der CDU bei der nächsten Kreistagswahl im kommenden Frühjahr und die anderen Abgeordneten für die Probleme des Taxigewerbes sensibilisiert.
Im Vorfeld hatte Bachmann sich mehrfach mit Vertretern aller Fraktionen des Kreistages zu Gesprächen getroffen und ihnen die Problematik der Plattform-Mietwagen erläutert. Dabei hatte er auf die Notwendigkeit von Mindestbeförderungsentgelten für Mietwagen (MBE) hingewiesen, um die Existenz des Taxigewerbes zu retten.
Der Landkreis Barnim, der an den Nordosten Berlins grenzt, ist einer der drei Landkreise, die am stärksten von der „Stadtflucht“ der kriminellen Mietwagenunternehmer aus Berlin betroffen sind. Taxiunternehmer Bernd Bachmann, der aus der Region stammt und lange Jahre einen Mehrwagenbetrieb in Berlin führte, ist heute Einwagenunternehmer in der 46.000-Einwohnerstadt Bernau bei Berlin. Der ganze Landkreis Barnim mit seinen knapp 200.000 Einwohnern hat keine 40 Taxikonzessionen. Genau 20 sind es in Bernau – in Bachmanns Augen ein „gesundes Verhältnis“. Weniger gesund ist dagegen die – immerhin bereits leicht gesunkene – Anzahl von 224 Mietwagen, die im Landkreis für Plattformverkehr konzessioniert sind. Derzeit liegen der Behörde zudem noch über 209 weitere Anträge von neun Unternehmern vor.
Auch, wenn die meisten dieser Mietwagen ihren illegalen taxigleichen Verkehr in Berlin durchführen, nehmen sie auch in Bernau und dem restlichen Kreisgebiet dem Taxigewerbe einen Teil des Geschäfts weg. „Diese Kriminellen treiben aber nicht nur in Berlin massenhaft Taxiunternehmen in die Insolvenz. Auch bei uns im Landkreis sind die Umsätze des Taxigewerbes in den letzten anderthalb Jahren massiv eingebrochen“, so Bachmann. Gerne erzählt er die Anekdote, wie er im Juli letzten Jahres im Plenarsaal des Landkreises den Landrat und die Abgeordneten vor der Mietwagen-Invasion warnte und vom Sachgebietsleiter die sinngemäße Antwort erhielt, er bräuchte keine Sorgen vor der Konkurrenz zu haben, da die mehreren hundert Mietwagen, deren Konzessionsanträge die Straßenverkehrsbehörde auf dem Tisch hätte, ohnehin alle in Berlin fahren würden.
Diese Aussage bestätigt nicht nur das Bild auf den Straßen Berlins, wo Mietwagen mit dem Kennzeichen „BAR“ für den Landkreis Barnim (oder den ebenfalls zum Landkreis gehörenden Kennzeichen „EW“ für Eberswalde oder „BER“ für Bernau bei Berlin) zum Alltag gehören. Eine Beobachtung eines Taxi-Times-Lesers belegt, dass Wagen samt ihrer Unternehmen, die letztes Jahr noch in Berlin gemeldet waren, jetzt nach Bernau umgezogen sind: Obwohl der Fahrdienst Uber von der Liste der Partner bzw. Sponsoren der Berliner Filmfestspiele (Berlinale) verschwunden ist, sind neuerdings Mietwagen mit Barnimer Konzession und Berlinale-Türreklame unterwegs. Diese enthält keine Jahreszahl, so dass nicht auszuschließen ist, dass es noch der Werbeaufkleber vom letzten Jahr ist. Für den Taxi-Times-Leser Erhan Güzel, der uns dieses Foto hat zukommen lassen, ist deshalb klar: Schon die Kombination aus einer Konzession des Landkreises Barnim und einer Türreklame für ein Event in Berlin spricht für systematischen Rechtsbruch in Form von einkalkulierter Missachtung der Rückkehrpflicht.

Güzel sieht in solchen Werbeaufklebern auch Wettbewerbswidrigkeit sowie „Mutmaßliche Beihilfe zu Ordnungswidrigkeiten“, wie er erläutert: „Indem Uber die dauerhafte Präsenz dieser Fahrzeuge in Berlin durch standortbezogene Werbung fördert, könnte dies als unterstützende Handlung im Sinne des § 130 OWiG (Beihilfe) gewertet werden.“ In dem Paragraphen heißt es, dass ein Unternehmer zu Aufsichtsmaßnahmen verpflichtet ist, „die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist“. Pikant ist hierbei die Höhe der angedrohten Sanktionen: „Die Ordnungswidrigkeit kann, wenn die Pflichtverletzung mit Strafe bedroht ist, mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden. […] Ist die Pflichtverletzung mit Geldbuße bedroht, so bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße wegen der Aufsichtspflichtverletzung nach dem für die Pflichtverletzung angedrohten Höchstmaß der Geldbuße.“
Das Landratsamt Barnim ist sich des Problems der illegal agierenden Mietwagen durchaus bewusst und hat die Maßnahmen bereits im Frühjahr im Rahmen seiner personellen Möglichkeiten verstärkt. Konzessionsanträge von Mietwagenunternehmern abzulehnen ist nur möglich, wenn klare Mängel wie das Fehlen von Stellplätzen oder eine Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers auszumachen sind. Gegenüber Taxi Times erklärte die Behörde, auch bereits Anträge abgelehnt zu haben, doch sei die Mehrzahl korrekt, so dass die Antragsteller den Rechtsanspruch auf eine Genehmigung nach spätestens drei Monaten hätten.
Der Landrat des Barnims, Daniel Kurth (SPD), hatte sich auf eine Presseanfrage von Taxi Times sehr umfassend geäußert und die Aktivitäten der Kreisbehörden dargelegt: Man sehe sich seit der zweiten Hälfte des Jahres 2023 mit einer stetig wachsenden Anzahl von Anfragen und Anträgen von Mietwagenunternehmen konfrontiert. Die Unternehmen sowie alle in der Geschäftsführung tätigen Personen würden im direkten Austausch mit dem Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) geprüft. So sei bekannt, dass eines der drei genannten Unternehmen in der Vergangenheit in Berlin einen Antrag gestellt habe, der aufgrund unzureichender finanzieller Leistungsfähigkeit versagt worden sei. Zum Zeitpunkt der Antragsprüfung beim Landkreis Barnim habe sich dieser Umstand aber nicht mehr bestätigt.
Zudem seien die Anforderungen an Antragsteller ausgeweitet worden. Im Zuge der Antragsprüfung arbeite die Behörde eng mit dem Finanzamt, den Gewerbeämtern, der Berufsgenossenschaft Verkehr, dem Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) und dem Hauptzollamt zusammen. Auch würden bei den Antragstellern planungs- und baurechtliche Aspekte wie Nutzung und Stellplätze, Büroausstattung, Aufenthalts- und Sanitärräume sowie jedes einzelne Fahrzeug einschließlich Eichsiegel und Abgleich der Seriennummern der Wegstreckenzähler geprüft. Jeder Betriebssitz werde vor Erteilung behördlich abgenommen. Bereits nach sechs Monaten werde die erste Betriebsprüfung angeordnet. „Insbesondere die Überprüfung der Rückkehrpflicht, der Fahrtbeginn am Betriebssitz, die Einhaltung der Pausen- und Arbeitszeiten und die Annahme der Beförderungsaufträge am Betriebssitz stehen hierbei mit einem hohen Kontrollaufwand Im Fokus. Sofern Verstöße gegen die gesetzlichen Pflichten festgestellt werden, werden diese als Ordnungswidrigkeiten geahndet und schriftliche Abmahnungen erteilt. Zudem sind erste Anhörungen zum Widerruf der erteilten Genehmigungen verschickt.“
Auch die Straßenverkehrsbehörde ist laut dem Schreiben des Landratsamtes aktiv: Deren Außendienstmitarbeiter nehmen regelmäßig unangekündigte Stichprobenkontrollen vor, um Unregelmäßigkeiten zu dokumentieren. Nach gemeinsamen Kontrollen mit dem Hauptzollamt in der zweiten Mai-Woche seien drei Ordnungswidrigkeltenverfahren und zwei Widerrufsverfahren eröffnet worden.
„Die Vielzahl von Antragsdokumenten, die Abnahme der Betriebssitze, die Betriebsprüfungen und der damit einhergehende Kontrollaufwand erhöht das Bearbeitungsvolumen massiv. Trotzdem wird seitens des Landkreises Barnim von der vertieften Antragsprüfung nicht abgewichen. Hierdurch konnten Antragstellende punktuell zu einer Antragsrücknahme bewegt werden. Zudem wurden einzelne Anträge bereits abgelehnt“, so der Landrat. Er weist zugleich darauf hin, dass das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) keine Regelung zur Versagung einer Konzession vorsieht, wenn die öffentlichen Verkehrsinteressen durch die Bedrohung der Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes gefährdet sind. „Der Gesetzgeber hat hierbei nur den Genehmigungsbehörden in Ballungsgebieten ein Steuerungselement an die Hand gegeben. Für einen Flächenlandkreis wie den Barnim gibt es keine Grundlage zur Versagung.“ Es sei zu beobachten, dass sich „eben genau diese Unternehmer“ ausschließlich in unmittelbarer Nähe zur Berliner Landesgrenze ansiedeln.
Bemerkenswert ist der Schlusssatz des Landrats: „Aus Sicht meiner Fachbehörde sind die Antragsvoraussetzungen an die Antragsteller zu niedrig und erfordern eine gesetzliche Anpassung, wobei sowohl das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg als auch das LABO im Rahmen der letzten gemeinsamen Dienstberatung keine gesetzlichen Änderungen in der aktuellen Legislaturperiode in Aussicht gestellt haben. Daher sehe ich es als Aufgabe meiner Straßenverkehrsbehörde an, im Nachgang der Genehmigung durch umfangreiche Betriebsprüfungen die Unregelmäßigkeiten aufzudecken, Vergehen zu ahnden und illegale Unternehmen vom Markt zu nehmen.“
Unternehmervertreter Bachmann nutzt unterdessen auch den beginnenden Wahlkampf. So stieß er bei der CDU-Fraktion, deren Kandidat den amtierenden Landrat von der SPD herausfordert, auf besonders offene Ohren und übergab seinen Gesprächspartnern einen Ausdruck des Gutachtens der Stadt Heidelberg zur Mietwagenproblematik. Auch bei den anderen Fraktionen leistete er Aufklärungsarbeit.
Prompt äußerten sich in der letzten Kreistagssitzung die ersten beiden Fraktionen zu dem Thema: Die CDU als zweitstärkste Fraktion sowie die AfD, mit gut sieben Prozentpunkten Abstand stärkste Fraktion im Kreistag, sprachen sich deutlich für die Einführung von Mindestbeförderungsentgelten für Mietwagen (MBE) im Landkreis aus.
Bachmann hatte auch für diese Sitzung eine Rede vorbereitet, in der er Landrat Kurth erneut aufforderte, aktiv gegen das Problem der illegalen Mietwagen vorzugehen. Er lobte die Aktivitäten der Behörden, die er zum Teil als Reaktion auf seine klar formulierten Forderungen in der vorangegangenen Sitzung interpretiert: „Nachdem ich die genannten Missstände hier öffentlich angesprochen hatte, wurden Mitarbeiter des Ordnungsamtes des Kreises bereits am nächsten Tag aktiv, was sehr begrüßenswert ist.“
Er will seine Aktivitäten auch keinesfalls als gegen die Kreisbehörden gerichtet verstanden wissen, sondern als fachliche Unterstützung aus der betroffenen Taxibranche. So seien auch seine Gespräche mit Landrat Kurth stets auf Augenhöhe und von gegenseitiger Wertschätzung geprägt, wenngleich er in seinen Reden im Kreistag einen klar fordernden und zum Teil vorwurfsvollen Ton anschlage. Es ist eben noch immer viel zu tun im Kampf gegen die Kriminellen. ar
Beitragsbild: Taxiunternehmer Bernd Bachmann (links) mit Landrat Daniel Kurth; Foto: Landratsamt Barnim









Solch einen engagierten Taxiunternehmer wünsche ich mir für die Innung in Berlin.
Die geschilderten Verhältnisse weisen auf Lücken im PbefG hin:
)Die örtliche Zuständigkeit für die Verfolgung von Rechtsverstößen muss von der Betriebssitzgemeinde losgelöst werden. Dann können konkret hier auch Berliner oder sonstige Behörden gegen Straftaten aus dem Mietwagengewerbe vorgehen. Der Gerichtsort kann auch am Tatort sein. Denn die Betriebssitzgemeinden sind entweder überfordert oder unwillig.
)Bei der Konzessionsvergabe für Mietwagen ist ein Businessplan nötig, der nachweist, dass im Bereich der Betriebssitzgemeinde ein realistisches Geschäftsvolumen besteht. Wenn in einer Region wie oben beschrieben, 40 Taxikonzessionen existieren , aber mehr als fünf mal so viele Mietwagen, kann etwas nicht mit rechten Dingen zu gehen. Denn wie schon beim MBE besteht ein hohes Interesse am vorsorglichen Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen.
)Die Strafbewehrheit für bestimmte Regelverstöße nach PbefG fehlt. Das ist wie eine Aufforderung diese gesetzlichen Vorgaben zu ignorieren und diese Straflosigkeit auszunutzen. Was auch tagtäglich zu beobachten ist.