Nach dem Willen der Regierung soll der gesetzliche Mindestlohn zum ersten Oktober dieses Jahres auf zwölf Euro ansteigen. Ist das Zeitfenster zwischen dem anstehenden Beschluss und dessen Umsetzung noch groß genug, um darauf mit den im Taxigewerbe nötigen Tarifanpassungen reagieren zu können?
„Wenn ich Bundeskanzler werde, wird der Mindestlohn noch im ersten Jahr nach Amtsantritt auf zwölf Euro steigen“ – so lautete das Wahlkampfversprechen von Olaf Scholz. Nun steht der Zeitplan, wann das Versprechen eingelöst wird. Am vergangenen Freitag wurde der erste Oktober für die Umsetzung angesetzt.
Wenn man bedenkt, dass zu Zeiten der Koalitionsverhandlungen noch Gerüchte um Februar oder März 2022 als mögliches Umsetzungsdatum kursierten und damals viele aus dem Gewerbe zumindest den Juli 2022 bereits als durchaus positives Resultat betrachtet haben, könnte man mit dem Start 1. Oktober durchaus zufrieden sein.
Der Taxi- und Mietwagenverband TMV jedenfalls zeigt sich in einer ersten Stellungnahme „ausgesprochen froh, dass alle unsere Gespräche gefruchtet haben und der Mindestlohn nicht im 1. oder 2. Quartal kommt, sondern jetzt die Möglichkeit besteht, diese Erhöhung in die kommunalen und regionalen Tarifverhandlungen mitaufzunehmen.“
Dass bei einer Stundenlohn-Erhöhung von aktuell 9,82 Euro auf bald zwölf Euro kein einziger der über 800 bundesweiten Taxitarife beibehalten werden kann, liegt klar auf der Hand. Es ist die unrühmliche Konsequenz aus der Tatsache, dass Taxitarife auf Einschätzung von Gutachten berechnet werden. Diese Gutachten wiederum legen für die üblichen fünfzig bis sechzig Prozent Lohnkosten genau den Mindestlohn als Berechnungsgrundlage fest.
Ein fataler Fehler im System, der die Taxiunternehmer unter das Joch stellt, (fast immer) nur den Mindestlohn bezahlen zu können und der nun die Konsequenz hat, dass bei nahezu allen 800 Genehmigungsbehörden in Deutschland Anträge auf Tariferhöhungen gestellt werden.
Bei aller Erleichterung darüber, dass die Möglichkeit zum Reagieren nun bis Oktober verlängert wurde: Man sollte nicht vergessen, dass seit der Bundestagswahl schon wieder einige Zeit ins Land gegangen ist. Insofern wird es wohl trotz dieser Verschiebung sehr eng mit den notwendigen Tarifanpassungen.
Sicherlich gibt es engagierte Verwaltungen, die notwendige Tarifanpassungen tatsächlich in nur sechs Monaten durchpeitschen können und wollen, so dass die dortigen Unternehmen noch auf eine halbwegs zeitgerechte Tarifanpassung hoffen dürfen. In der Regel dauert dieser Verwaltungsakt aber minimal zehn Monate oder auch noch viel länger. Selbst wenn also alle Beteiligten engagiert dabei sind, mit den üblichen Anhörungen vor und nach solch einem Beschluss geht da schnell auch einiges mehr als ein Jahr ins Land, bevor die notwendigen Einnahmen den Lohnausgaben angepasst werden können.
Mit Schrecken werden sich viele Taxler noch an die Einführung des Mindestlohnes auf damals 8,50 Euro erinnern. Auch 2014 dauerte es bis zu einem verbindlichen Parlamentsbeschluss zu lange. In der Folge blieb dann eigentlich gar keine Zeit mehr, um in allen Kommunen angepasste Tarife umzusetzen.
So wunderlich es also klingt, das Gewerbe muss nun entgegen der ersten sicherlich verständlichen emotionalen Reaktion von der Koalition ein schnelles Tempo bei der Umsetzung ihres Gesetzesvorhabens fordern. Denn erst, wenn der Gesetzesentwurf zu einem rechtsgültigen Gesetz gereift ist, können die zuständigen Genehmigungsbehörden aktiv werden und ausloten, welche Tarifanpassung für ihre Taxis vor Ort die Folge sein muss.
Ist der Zeitraum bis zur Umsetzung zu kurz, müssen die Unternehmen mit ihren Rücklagen für den Überbrückungszeitraum bis zur entsprechenden Tarifanpassung einspringen. Dummerweise sind diese aber pandemiebedingt fast überall aufgebraucht. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Form des unternehmerischen Vorab-Investments ohne jede Chance auf ein Return-of-Investment (ROI) ist. Gerade zum möglichen Ende der Pandemie wäre eine solche Hängepartie für viele Unternehmen, die Corona gerade so überlebt haben, dann wohl das endgültige Aus.
Das Taxigewerbe muss über seine Verbände jetzt also nicht nur darauf pochen, dass zum 12-Euro-Mindestlohn auch zeitgleich die Mini-Job-Grenze erhöht wird (Der TMV mahnt dies in seiner Stellungnahme an), sondern die Politik auch auf das zwingend notwendige Zeitfenster aufmerksam machen, welches zumindest das Taxigewerbe zwischen Beschluss und der Umsetzung eines deutlich erhöhten Mindestlohnes benötigt.
Diskussionen um das Für und Wider einer solchen Mindestlohnanpassung würden dementgegen wohl eher kontraproduktiv wirken, da sie vielleicht den endgültigen Beschluss verzögern könnten und sich somit zwangsläufig auch die Umsetzung nach hinten verschiebt. Das wäre dann ein klassischer Pyrrhussieg, bei dem der Gewinner letztendlich eigentlich der Verlierer ist. rw
Beitragsfoto (Montage): Witte
Im Taxengewerbe muss zwingend der Aufschub des Mindestlohn geschehen. Oder die Genehmigungsbehörden müssen die Tariferhöhung im Eilverfahren genehmigen um eine Pleitewelle, verbunden mit Fahrerentlassungen zu verhindern. Gleichzeitig müssen die Krankenkassenvertreter die Erhöhung der Fahrentgelte dringend anpassen. Der KTW,der bei Sitzendtransporten nichts anderes macht wie die Taxen, bekommt ein wesentlich höheres Endgeld !Mit welcher Berechtigung eigentlich ? Ja, das Fahrzeug kostet einiges mehr, doch manch ein Fahrgast könnte auch mit der Taxe befördert werden !!
Wie hoch – geschätzter Herr Witte – soll eigentlich der neue Taxitarif geschraubt werden, damit Taxiunternehmer, die Fahrer beschäftigt haben, legal arbeiten können und dabei noch einen Gewinn haben? Ich habe mir am 1. Jan 2020 eingestehen müssen, daß das nicht mehr geht. Den häßlichen Schritt, den Fahrern zu kündigen, hat mir dann Corona abgenommen. Nächster Schritt: sich auf ein Taxi reduzieren. Mit viel Zahlenakrobatik könnte man dann vielleicht einen Fahrer einstellen. Eigentlich kann das aber nur als Hobby bezeichnet werden. Wer die Möglichkeit hat, wechselt die Branche.
Redaktion weiß ganz genau, dass eine Tariferhöhung nicht unsere Probleme lösen wird, weil mit der Tariferhöhung parallel Taxikonzessionen zu nehmen wird. Redaktion weiß auch ganz genau, dass unser Problem beim Zoll liegt, weil Zoll oder die Behörden Schwarzarbeit nicht bekämpft. Habe ich irgendwann mal davon im Taxitimes gelesen? Nein, weil das Taxitimes auch zu gute kommt, denn Taxitimes wird von der Funkzentrale finanziert. Klaro?
Lieber Leser „sw73“, danke für Ihren Kommentar, nur finden wir, dass jemand, der uns solche Vorwürfe macht, auch den Mut haben sollte, seinen ganzen Namen zu nennen und nicht nur ein Buchstabenkürzel. Taxi Times berichtet seit Jahren über Schwarzarbeit und die Maßnahmen dagegen – immer dann, wenn sich in diesem Bereich etwas tut. Geben Sie mal die Stichworte Zoll oder auch Schwarzarbeit in unserem Suchregister ein.
Taxi Times ist als Newsportal das Sprachrohr der Taxibranche. Wir refinanzieren uns über die Werbeerlöse der Taxi-Partner und über die Abonnementerlöse der Leser, dazu zählen Taxiunternehmer ebenso wie Taxizentralen und Verbände.
Lieber Herr oder Frau „sw73“, sind Sie auch Abonnent der Taxi Times? Falls nicht, eine kurze Gegenfrage: Wie würden Sie reagieren, wenn Sie einen Fahrgast befördern, der Ihnen unterstellt, Ihr Taxi sei von Mercedes oder Toyota gesponsert und der deshalb den Fahrpreis nicht bezahlt und ihnen hinterher auch noch den Vorwurf macht, Sie seien einen Umweg gefahren?
12 € Mindestlohn, für den Minjobber Brutto gleich Netto. Da muss der Festfahrer doch 15 € bekommen, bedeutet einen Umsatz von 60 € die Stunde. Unmöglich bei uns auf dem Land. Da wird es am Wochenende und in den Schwachlastzeiten kein Taxi mehr geben. Nur noch auf 3 Tage Vorbestellung.
Zweck ist meiner Meinung nach nicht, dass die geringverdienenden besser dastehen, das werden Sie definitiv nicht da alles teurer wird, sondern die erwarteten hohen Einnahmen der SV und Rentenkasse. Und durch die höheren Preise werden auch die Einnahmen der Mehrwertsteuer extrem steigen. Die BR reibt sich jetzt schon die Hände…
Naja, so ein Tarifantrag ist nun auch kein Hexenwerk. Der Zeitrahmen ist abgesteckt und man muss bspw die Sommerpause der politischen Gremien berücksichtigen. Zumal jede gut arbeitende Gewerbvertretung nach der Wahl die Zahlenwerte der Excel-Tabelle auf 12€ gesetzt und schon mal rumgerechnet hat, welcher Tarif gebraucht wird. Und selbst Verwaltungen lassen die Fünf auch mal gerade sein, wenn noch nicht alle Stellungnahmen der anzuhörenden Institutionen vorliegen – die werden dann nachgereicht. Wird also schon passen. Was nicht passt, ist das Lamentieren, dass die Taxiunternehmen unter dem Joch des Mindestlohns stehen durch entsprechend basierte Taxitarife: Man könne deshalb nicht mehr als eben diesen Mindestlohn zahlen. Diese Argumentation ist nicht konstruktiv – vielmehr leider kontraproduktiv, denn welches Bild vermittelt man den politischen Entscheidern und seinen Angestellten, wenn man sich als quasi „versklavt“ und in Ketten liegend bezeichnet? Kein gutes! Außerdem: Würde man seinen Fahrer*innen mehr zahlen, wenn die Kommunalpolitiker*innen sagen würden:“Wisst ihr was?! Wir erlauben euch sogar einen noch größeren Schluck aus der Pulle! Aber im Interesse der Nutzer*innen knüpfen wir das an Bedingungen!“ Wäre das Taxigewerbe also bereit, sich in seine vielerorts verkrusteten, „semiprofessionellen“ Strukturen im Sinne einer effizienteren Unternehmensführung und der ökologisch/ökonomischen Verkehrswende rein reden und kontrollieren zu lassen? In der kleinen Großstadt, in der ich tätig bin, wäre es ein Großreinemachen. Und es gäbe viele gute Ideen, was zu tun wäre.
Das Beste wäre, wir erhöhen alle drei Monate den Taxitarif. Sowohl wenn der Dieselpreis um 10 Cent steigt, als auch wenn die Krankenkassen um 1% erhöhen und nicht zuletzt , wenn der Mindestlohn um einen Euro steigt. Dann haben wenigstens die Taxameterwekstätten und Eichämter Vollauslastung. Ich frage mich täglich, auf welches geistige Niveau das Taxigewerbe gesunken ist.
Weiter nach unten ist wohl nicht mehr möglich !
Die Forderung nach Tariferhöhungen basiert auf fundierten betriebswirtschaftlichen Kalkulationen. Dies als geistigen Verfall zu titulieren, ist eine interessante These. Damit beleidigen Sie einen Großteil unserer Leser, weshalb wir um Verständnis bitten, dass wir solche Kommentare künftig nicht mehr veröffentlichen werden.