Der gesetzliche Mindestlohn steigt zum Jahreswechsel auf 12,82 Euro. Gleichzeitig wird die Höchstgrenze für Minijobber von 538 Euro auf 556 Euro angepasst. Weniger bekannt ist, dass ohne vertragliche Stundenvereinbarung für den Minijob im Streitfall böse Nachzahlungsforderungen drohen.
Wer in der Dienstleistung mit Taxi oder Mietwagen aktiv ist, dem wird bewusst sein, dass zum Jahreswechsel wieder der Mindestlohn ansteigt – auf 12,82 Euro. Wer Minijobber beschäftigt, für den ist die Obergrenze von zukünftig 556 Euro im Monat relevant (vormals 538 Euro). Bei einem höheren Einkommen wird die Tätigkeit sozialversicherungspflichtig. Somit dürfen Minijobber maximal 43,3 Stunden monatlich zum Mindestlohn arbeiten, umgerechnet also durchschnittlich 10 Stunden die Woche. Das war nicht immer so, denn in der Vergangenheit hatten Mindestlohnerhöhungen immer Auswirkungen auf die Arbeitszeit von Minijobbern, da diese im Monat zunächst nie mehr als 450 Euro verdienen durften.
So musste dann bei einer Mindestlohnerhöhung gegebenenfalls die Arbeitszeit verringert werden, denn andernfalls konnte durch die Anhebung des Stundenlohns aus dem sozialversicherungsfreien Minijob schnell ein sozialversicherungspflichtiger Job werden. In dieser Zeit achteten viele Unternehmen vor allem in Niedriglohnbranchen darauf, dass sie eben keine feste Stundenvereinbarung mit ihren Minijobbern trafen. Sie wollten so vermeiden, dass die Minijobber bei einer Mindestlohnerhöhung versehentlich in eine Festanstellung katapultiert werden.
Diese Vorgehensweise kann sich jetzt jedoch in einen Bumerang verwandeln. Im Oktober 2022 hatte der Gesetzgeber eine dynamische Minijobgrenze eingeführt, mit der parallel zu einer Erhöhung des Mindestlohns automatisch auch die Minijobgrenze ansteigt. Damit konnte sich die Minijobgrenze an einer festen Wochenarbeitszeit von 10 Stunden orientieren (z. B. 10 Stunden mal 12,41 Euro mal 4,33 Wochen ergibt die aktuelle Höchstgrenze von 538 Euro). Verdient der Beschäftigte mehr als den Mindestlohn pro Stunde, verringert sich die maximal mögliche Arbeitszeit entsprechend. Spätestens ab diesem Zeitpunkt liegen Stundenvereinbarungen für die Unternehmen wieder nahe.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (AZ 12 Sa 321/24) machte jetzt klar, dass solche Vereinbarungen nicht nur praktisch, sondern im Zweifel sogar auch essenziell sein können. Ein Pizzabote hatte dort eine Nachzahlung für ungenutzte Abrufzeiten gefordert. Er hatte argumentiert, dass er seinen Minijob gern vollständig ausgefüllt hätte, nur habe der Arbeitgeber dieses Angebot nicht in Anspruch genommen. Nur mit viel Glück entging der Arbeitgeber einer deftigen Nachzahlung.
Der fragliche Arbeitsvertrag beinhaltete keine festgelegte Arbeitszeit, denn der Arbeitsanfall sollte bedarfsgerecht „abgerufen“ werden. Die besondere Crux an der Sache war, dass keine Höchstarbeitszeit vereinbart war. So konnte sich der findige Minijobber auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz berufen. Und dort ist, wenn eine anderslautende schriftliche Festlegung fehlt, eine Wochenarbeitszeit von 20 Stunden für Teilzeittätigkeiten festgelegt, also einfach die Hälfte einer Vollzeittätigkeit. Die Minijobgrenze von 10 Stunden findet dort dagegen keinerlei Erwähnung. Da der Pizzabote in den meisten Wochen deutlich weniger Stunden geleistet hatte, konnte er nach den Regelungen dieses Gesetzes eine Nachzahlung für 316,6 „fehlende“ Stunden verlangen.
In diesem Fall entschied das Gericht zwar, dass der Arbeitgeber nicht nachzahlen musste. Der Minijobber habe aufgrund der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche objektiv nicht die geforderte Leistung erbringen können, da er parallel noch einer Vollzeittätigkeit nachging. Das Urteil hob aber hervor, dass die Praxis von „Abrufverträgen“ ohne klare schriftliche Regelung zur wöchentlichen Arbeitszeit zumindest ein erhebliches Risiko für Arbeitgeber birgt. Minijobber können demnach nach einer Kündigung auf Verzugslohn klagen und Nachzahlungen fordern.
Ein früheres Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 10.8.2022 – 5 AZR 154/22) bestätigte diese Sichtweise schon indirekt, denn auch dort führte eine unklare Anweisung zu Annahmeverzug und zur Zahlungspflicht des Arbeitgebers. Das BAG entschied, dass ein Arbeitgeber Annahmeverzug riskiert, wenn er selbst eine faktische Arbeitsverhinderung herbeiführt, beispielsweise durch unklare oder unbillige Weisungen.
In der Praxis gibt es viele solcher ungekündigten „Abrufverträge“ für Minijobber ohne schriftliche Festlegung zur wöchentlichen Arbeitszeit. Genau dort könnte die Annahme von 20 Wochenstunden als „fiktive Vereinbarung“ in voller Wucht zum Tragen kommen, wenn keine klare Regelung getroffen wird, denn Mindestlohnnachforderungen können nach dem Mindestlohngesetz (MiLog) für drei Jahre rückwirkend beansprucht werden.
Besonders in Branchen wie der Gastronomie oder eben beim Taxi oder Mietwagen kann solch ein Arbeitsrechtsstreit dann schnell existenzbedrohend werden, vor allem, wenn das Arbeitsverhältnis grundsätzlich lange bestand, selten oder nie genutzt wurde und der vermeintliche Minijobber daneben eben keiner Vollzeit-, sondern beispielsweise nur einer Teilzeittätigkeit nachgeht. Arbeitgeber sind daher gut beraten, wenn sie gerade auch ihre Minijobverträge immer wieder einmal prüfen und auf einen aktuellen Rechtsstand bringen. rw
Bild: Remmer Witte