Letzte Woche hat die Politik eine vierstufige Erhöhung des Mindestlohns auf schlussendlich 10,45 Euro beschlossen. Kann das Taxigewerbe diese fast zwölf Prozent stemmen, wenn gleichzeitig eine Tarifpflicht fallen soll und ehrliche Betriebe gegen kreative Rechenkünstler antreten müssen?
Die Daumenschrauben werden angezogen, die Mindestlohnkommission empfiehlt eine jährliche Lohnerhöhung von je 5,7 Prozent für die kommenden zwei Jahre, all das in vier Schritten (siehe Grafik), allerdings – wohl coronabedingt – zumindest mit einem relativ soften Start. Der große Schritt kommt dann erst zum Schluss, und das ist auch gut so, denn das gibt endlich mal etwas mehr Zeit für die Umsetzung und somit zumindest etwas mehr Planungssicherheit für unser Gewerbe. Trotzdem sind 11,44 Prozent Lohnerhöhung innerhalb der kommenden zwei Jahre natürlich ein deftiger Schluck aus der Pulle … und ein Ende ist da wohl noch nicht in Sicht, wenn man den vollmundigen Statements derjenigen trauen darf, die den Mindestlohn nicht selbst finanzieren müssen.
Eine ganz kleine Verschnaufpause nach dem Corona-Schock also, bevor es richtig in die Sachen geht. Parallel zur geplanten PBefG-Novelle und der darin avisierten Aufweichung der Tarifpflicht für Bestellfahrten setzt sich für Taxiunternehmen der Ritt auf Messers Schneide, der mit Einführung des Mindestlohns gestartet ist, so noch einmal verschärft fort. Bisher konnte man die steigenden Mindestlohnkosten immerhin betriebsübergreifend in die regionalen Taxitarife einpreisen, wenn das Gewerbe seine Lokalpolitiker denn erreichen konnte.
Dieser Puffer würden bei aufgeweichter Tarifpflicht in der Zukunft dann allerdings wegfallen und Dumpingpreise werden wohl zur Normalität werden. Damit erreicht der gnadenlose Preiskampf aus den Metropolen nun auch die Provinz, denn die dort noch fehlende Konkurrenz von Uber, Moia & Co. wird so durch einen gewerbeinternen Konkurrenzkampf ersetzt – allein Angebot & Nachfrage bestimmen dann den Preis.
Alles das kann ein seriös wirtschaftendes mittelständische Unternehmen nur stemmen, wenn Gesellschaft, Politik und Verbände nun auch klar auch Position zum Thema der Steuerpflicht beziehen. Wenn es allerdings auch weiterhin mehr oder weniger risikofrei möglich ist, parallel zu diesen Herausforderungen seine Fahrer 90 Minuten pro Stunde arbeiten zu lassen oder Bilanzen mit tagesdurchschnittlich mehr als 50 km pro Arbeitsstunde zu präsentieren, dann sollten sich die seriös/professionellen Unternehmen lieber so schnell wie möglich ein anderes Betätigungsfeld suchen. Die gewerbliche Fahrgastbeförderung muss man wohl den Phantasten der New Economy und den Rechenkünstlern überlassen, deren Euro immer noch 130 Cent oder mehr beinhaltet, denn ökonomisch sinnvoll lässt sich unser Gewerbe dann leider nicht mehr realisieren. rw
Grafiken: Remmer Witte
Eine menschenwürdiger Lohn für gute Arbeit ist sozial gerechtfertigt. Dazu gehört auch der Lohn für die Arbeit als Taxifahrer. Selbstverständlich müssen Tarife und Preise der Situation angepasst werden. Die Verantwortung tragen Gewerbevertreter und Gesetzgeber.
Woher haben Sie das mit der Aufweichung der Tartifpflicht? Könnten Sie dazu eine Quelle angeben?
Das lässt sich aus den Eckpunkten der Findungskommission zur geplanten Novelle des PBefG herauslesen. Eine Interpretation dazu hat beispielsweise der GF des Taxi-Bundesverbands im Interview mit Taxi Times gegeben. https://taxi-times.com/michael-oppermann-die-pbefg-novelle-ist-ohne-klare-vision/