Mit über 600 Taxis haben heute in München Unternehmer*Innen auf ihre desaströse Lage aufmerksam gemacht. Es ist eine letzte Mahnung an die bayerische Politik, die das Gewerbe bisher völlig ignoriert.
München – Theresienwiese: Dort, wo sich einmal pro Jahr Millionen Menschen in Bierzelten berauschen oder in waghalsigen Fahrgeschäften „Kopf stehen“, versammelten sich heute über 600 Taxis aus München und Bayern. Es war der Abschluss einer Sternfahrt, bei der die Taxis aus vier Himmelsrichtungen im Konvoi durch die Stadt gefahren sind. Ihre Hauptforderung: Politische Solidarität mit einer Branche, die ihre gesellschaftliche Aufgabe der Daseinsvorsorge täglich erfüllt, aufgrund des Lockdowns in Dauerschleife allerdings seit Monaten existenzielle Umsatzeinbußen hinnehmen muss.
„Rund 900 Taxikonzessionen wurden alleine seitens der Münchener Taxiunternehmen in den vergangenen Monaten gezwungenermaßen stillgestellt oder zurückgegeben“, berichteten die Vertreter des Landesverbands Bayern, des Taxiverband München sowie der beiden Taxizentralen IsarFunk und Taxi-München eG in einer gemeinsamen virtuellen Pressekonferenz am Vormittag. 900 Taxis sind rund ein Drittel aller Münchner Taxis. Die noch verbleibenden Fahrer und Unternehmen sprechen von einem Umsatzeinbruch von annähernd 85 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren.
„Das Taxi stirbt in der Pandemie“, sagt Florian Bachmann, Vorstand des Taxiverband München e. V. Er kritisiert die Politik, der es am konkreten Willen zur Unterstützung mangele. Für ausbleibende Fahrgäste erhalten Taxiunternehmen keinerlei Ausgleich, obwohl die Inhaber einer Taxikonzession zu einem funktionierenden Service rund um die Uhr verpflichtet sind. Auch wenn Businessfahrten oder Restaurantgäste ausbleiben, beanspruchen Betagte oder Behinderte den Service Taxi, müssen Krankenfahrten und Schülerfahrten stattfinden. „Der Service ist einerseits gesellschaftlich gewollt, anderseits fehlt jeglicher Ausgleich“, bemängelt Florian Bachmann.
Für die Taxibranche ist nur schwer nachvollziehbar, warum manche Branchen massive finanzielle Unterstützung erhalten und andere nahezu leer ausgehen. „Überbrückungshilfen, vergleichbar mit Ladenmieten für geschlossene Geschäfte, Hotels oder Gastronomie, gibt es für’s Taxi nicht.“ Eine staatlich verordnet geschlossene oder reduzierte Gastronomie und Hotellerie sowie geschlossene Messehallen nehmen dem Taxigewerbe einen Großteil seines notwendigen Einkommens, und zwar ohne jegliche Ausgleichszahlungen, stellen die bayerischen Taxler fest. „Der Taxiservice verschwindet leise, einfach als Kollateralschaden in der Pandemie. Wir alle verlieren scheinbar selbstverständliche Services, die wir als Daseinsfürsorge gewohnt sind,“ verdeutlicht Thomas Kroker, Vorstand der Taxi-München e.G.
Während also Lufthansa und andere Großkonzerne finanzielle Hilfen in Milliardenhöhe erhalten, die Gastro- und Hotelbranche zumindest größtenteils ihre Umsatzeinbußen erstattet bekommen, rutschen Taxiunternehmer durch das Hilfe-Raster. In der Pressekonferenz erläuterten die Taxiverantwortlichen, warum das so ist: „Taxifahrer sind häufig Kleinstunternehmer, der Betriebspflicht folgend oft mit ein oder zwei Angestellten. Zwar können Teile der Betriebe vorübergehend stillgelegt werden, wer aber an der Servicepflicht rund um die Uhr festhält, dem steht die Idee von Kurzarbeit entgegen. Dabei gilt grundsätzlich: Die Personalkosten werden nur zu zwanzig Prozent als Betriebsausgaben anerkannt.“
Daraus ergibt sich dann ein Teufelskreis: „Sind die Mitarbeiter in Kurzarbeit, fährt nur noch der Chef selbst, um Behinderten-, Schüler- und Krankenfahrten aufrecht zu erhalten. Dabei ist das Fahrzeug der stärkste Kostenfaktor im Gewerbe. Da ein Taxi nur wirtschaftlich ist, so das Fahrzeug rund um die Uhr Erlöse einfährt, geben mehr und mehr Taxiunternehmer auf.“
All dies wurde der Politik in den zurückliegenden Monaten in zahlreichen Gesprächen verdeutlicht. Es wurden Vorschläge für direkte und indirekte Hilfen unterbreitet, Konzepte für die Durchführung und Abrechnung von Taxifahrten zu Impfzentren vorgelegt etc. Zu konkreten Maßnahmen führten diese Gespräche nicht. „Zwar befürworten alle politischen Gesprächspartner die vorgelegten Konzepte als gut und sinnvoll, doch für sozial solidarische Leistungen fehlt der politische Wille. In den Gesprächen skizziere stattdessen jeder die Verantwortung bei anderen: die Kommunen beim Bund, der Bund bei der Landesregierung und diese bei Kommunen“, so das traurige Fazit und der mit großem Kopfschütteln verbundene Vorwurf an die politisch Verantwortlichen.
Münchens und Bayerns Taxler wurden bisher politisch nicht gehört und wenden daher nun andere Maßnahmen an, um sich Gehör zu verschaffen. Die heutige Sternfahrt könnte erst der Anfang gewesen sein. Die hohe Anzahl an teilnehmenden Taxis nicht nur aus München, sondern aus vielen Teilen Bayerns, zeigt, dass es die Taxiunternehmer*Innen ernst meinen mit ihrem Hilferuf. „Ministerpräsident Söder sollte die Angelegenheit zur Chefsache machen, denn seine Minister*Innen haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt“, appelliert ein Teilnehmer der Sternfahrt.
Konkret fordern die Verbände unter anderem einen Unternehmerlohn (finanzielle Hilfen für Unternehmer) für das Gewerbe in Form einer Ausgleichszahlung pro Konzession in Höhe von 3.000 Euro, die Übernahme der Fahrzeugfinanzierungskosten zu mehr als 50 Prozent, die Übernahme der Personalkosten, die durch die Betriebspflichten entstehen sowie ein Gutscheinsystem für vulnerable Gruppen zur Nutzung des Taxis auf dem Weg zur Arbeit und für Fahrten auf dem Weg zu den Test- und Impfzentren.
„Unser Gewerbe hat über Monate selbstlos gehandelt, als es galt, mit Freifahrten systemrelevante Berufsgruppen wie Ärzte und Ärztinnen, Krankenschwestern und Pfleger zu entlasten und zu unterstützen. Diese Solidarität würden wir uns seitens der Politik auch wünschen“, sagt Christian Hess, Geschäftsführer der IsarFunk-Taxizentrale. Gregor Beiner vom Taxiverband München ergänzt: „Die Konzepte sind einfach: Wir erbringen eine bezahlte Leistung, die dem Allgemeinwohl zugute kommt und den Weg aus der Pandemie beschleunigt. Das spart sogar langfristig Kosten. Würde man solidarisch denken, könnte unser Gewerbe zum Nutzen vieler die Pandemie überstehen.“ jh
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Fotos: Taxi Times