In der Auseinandersetzung des Taxigewerbes mit dem Raubtierkapitalismus der plattformbasierten Mietwagen geraten zunehmend die Landkreise rund um die Metropolen wie München in den Fokus. Der bayrischen Landesverband LV Bayern will ihnen mit aktualisierten Taxitarifordnungen ein geeignetes Werkzeug verfügbar machen, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Taxis zeitgemäß aufzustellen.
„Jede Reise beginnt mit einem einzelnen Schritt“ – dieses Zitat wird dem chinesischen Weisen Laotse zugeschrieben. Nachdem das Mindestbeförderungsentgelt MBE für die bayrische Landeshauptstadt München von der Überholspur auf die lange Bank geschoben wurde, versucht der bayrische Landesverband nun einen Neustart im Kampf gegen Uber & Co. und will die Langstrecke in solchen ersten Schritten überwinden. Ein kleiner, aber wichtiger Schritt ist dafür eine aktualisierte Taxitarifordnung (TTO) für den schwäbischen Kreis Aichbach-Friedberg im weiteren Umfeld der Landeshauptstadt, die als Vorbild für viele weitere Landkreise der Region dienen könnte.
Jahrzehntelang war das Taxigewerbe ein eher stiller und verlässlicher Teil im Gesellschaftsleben vieler eher ländlich geprägter Landkreise in Bayern. Dies ändert sich zumindest im weiteren Dunstkreis der Metropole München, da es – ähnlich wie um Berlin – immer mehr plattformbasierte Mietwagenunternehmer in solche Landkreise zieht, um ihre Fahrzeuge hier konzessionieren zu lassen. So können sie weiterhin in den Metropolen wildern, sind aber nur noch der Kontrolle dieser Landkreise unterworfen, wo vielfach einzelne Verwaltungsmitarbeiter das Thema Taxi und Mietwagen bisher so nebenbei mit bearbeitet haben und jetzt mit dieser neuen Entwicklung völlig überfordert sind.
Gleichzeitig aber sollten die Taxler nicht außer Acht lassen, dass Uber und Co. durchaus langfristig den gesamten Fahrgastbeförderungsmarkt im Visier haben, die Metropolen sind hier nur der Anfang. Daher macht es viel Sinn, auch in der Fläche das Gewerbe stark zu machen und vor der Infiltration durch die Plattformer zu schützen.
Die Überforderung vieler Landkreise ist dabei nicht zuletzt auch darin begründet, dass den örtlichen Taxi-Tarif-Ordnungen (TTOs) bis auf die regelmäßig notwendigen Tarifanpassungen jahrzehntelang kaum Aufmerksamkeit zuteilwurde und diese so hoffnungslos veraltet sind. Gleichzeitig fehlt auch die Verpflichtung, Taxis und Mietwagen mit individuell eindeutig zuweisbaren Ordnungs-Nummern kenntlich zu machen, insbesondere durch eine Ortskennzeichnung. Damit aber fehlt den örtlichen Verwaltungsteams oftmals schlichtweg das notwendige Handwerkszeug, um die neuen Mietwagenkonzessionäre gemeinsam mit den Verwaltungen in den Metropolen zu bändigen.
Der Landesverband Bayrischer Taxi- und Mietwagenunternehmen e.V. (LV-Bayern) hat diese Schwachstelle nun erkannt und will die Landkreise dabei unterstützen, sich fit für die Kontrolle der überbordenden Mietwagenschwemme aus München oder auch Stuttgart und andere eher regionale Oberzentren zu machen, die nun ebenfalls in den Fokus von Uber & Co. geraten sind.
Christian Linz als Geschäftsführer des LV-Bayern berichtet, dass es als ersten Schritt gelungen sei, die etwas in „die Jahre gekommene“ TTO des Landkreises Aichbach-Friedberg zu aktualisieren. In einem längeren Prozess ist jetzt eine moderne und vorzeigbare TTO entstanden, mustergültig für jeden bayrischen Landkreis. Diese TTO ist am 30. Juli im Amtsblatt erschienen. Der LV-Bayern habe den kompletten Prozess sachverständig begleitet und konnte eine ganze Reihe von Verbesserungen einbringen, beispielsweise einen Tarifkorridor mit null/plus 25, eine verpflichtende Kartenakzeptanz sowie weitere Aktualisierungen.
Gerade beim Thema Tarifkorridor gibt es zwar auch innerhalb des Gewerbes immer noch Stimmen, die die Option, für Bestellfahrten Festpreise innerhalb eines Tarifkorridors zu vereinbaren, für nicht notwendig erachten. Letztlich ist es aber wohl gerade dieses neue „Werkzeug“ aus dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG), welches die Branche auch in Konkurrenz zu den Plattformanbietern endlich auf ein zeitgemäßes Niveau holt und diesbezüglich eine Konkurrenzfähigkeit herstellt.
Natürlich beinhaltet die neue TTO dabei inklusive einer heute notwendigen Wartezeitberechnung von 40 Euro/Stunde auch einen zeitgemäßen Taxitarif, der unter anderem die anstehenden Mindestlohnsteigerungen auffangen soll. Mag auch ein geeigneter Taxitarif für Spontanfahrten im ländlichen Raum eher seltener zur Anwendung kommen, als Basis für Krankfahrtabrechnungen ist dessen regelmäßige Aktualisierung aber zwingend notwendig. Aus Sicht eines Fachverbandes ist so eine vorbildliche TTO entstanden, die interessierten Taxi Times-Lesern hier zum Studium zur Verfügung steht und so vielleicht sogar nicht nur in Bayern als Kopiervorlage dienen mag.
Parallel hat der Landkreis für die Verkehrsform Mietwagen das Ortszugehörigkeitsmerkmal „AIC“ über eine Allgemeinverfügung für die Ordnungsnummer eingeführt. „Ein nicht unerheblicher Teil der in München tätigen Mietwagen stammt bekanntermaßen aus den umliegenden Landkreisen, darunter auch Aichach-Friedberg. Bislang war die Kennzeichnung mit AIC nicht vorhanden“ berichtet Linz. „Wir haben inzwischen eine Muster-Allgemeinverfügung zur 43/1-Ausnahme erstellt, die wir als Fachverband den interessierten LK und grundsätzlich allen Kommunen als Vorlage (in der Form eines Merkblattes) zur Verfügung stellen“.
Auch wenn also die Umsetzung eines Mindestbeförderungsentgelt (MBE) vor allem in den größeren Städten oder sogar übergreifend in den Metropolregionen sicherlich das große Besteck im anstehenden Überlebenskampf des bundesdeutschen Taxigewerbes ist, ist es parallel unbedingt notwendig, dass man auch in der Fläche seine Hausaufgaben macht und die Branche dort auf Höhe der Zeit aufstellt. Hier beschreitet der LVBTM also einen mühsamen, aber wichtigen Weg, ohne den das Gewerbe allerdings alsbald völlig aus der Zeit fallen würde. rw
Beitragsfoto: Symbolbild Remmer Witte








