Beim dritten Teil der Reihe „Zukunft der Mobilität“ benannte der DVWG-Vorsitzende Dr. Thomas Siefer Fortschritte, aber in seltener Offenheit auch Versäumnisse und Hemmnisse – zur Begeisterung der Zuhörer.
„Aber den reservierten PKW-Parkplatz für den Chef des Klima-Instituts hätten wir schon noch gerne.“ Mit diesem Bonmot über die Befindlichkeiten selbst von Klimawissenschaftlern, die sich der Mobilitätswende verpflichtet fühlen, führte Dr. Thomas Siefer in den dritten Teil der Reihe „Zukunft der Mobilität“ ein, der sich den Chancen des ÖPNV, genauer gesagt der Rolle des ÖPNV innerhalb der avisierten Verkehrswende, widmete. Siefer ist Vorsitzender der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e. V. (DVWG) und moderierte die Veranstaltung.
Vertreten waren vor allem Verkehrsplaner, Softwarehersteller und wissenschaftliche Begleiter der Verkehrswende, weniger aktive ÖPNVler oder andere auch direkt ökonomisch mit dem Thema verbundene Akteure, was dem Realitätsbezug der Vorträge oder Diskussionen allerdings keinen Abbruch tat.
Unter den drei Begriffen „Automatisierung, Digitalisierung, individualisierte Angebote – der ÖPNV kann mehr“ sollten vor allem die Chancen und Risiken ausgelotet werden, welche Transformationen im ÖPNV die Schere zwischen Ökologie und Ökonomie soweit zusammenführen könnten, dass nun endlich auch sichtbare Fortschritte auf dem Weg zur Verkehrswende erzielt werden könnten. Aktuell würden weltweit immerhin 92 Prozent der fossilen Brennstoffe für den Verkehr aufgewendet und bisher sei auch nur wenig Bewegung in Richtung einer klimafreundlicheren Zukunft zu erkennen.
Seinen Eröffnungsvortrag widmete der niedersächsische Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) der anstehenden Dekarbonisierung des öffentlichen Verkehrs (ÖV). Politisch sei das Ziel des Verbrenneraus für 2035 ja formuliert, er gehe aber davon aus, dass bis dahin auch niemand mehr überhaupt auf die Idee käme, noch mit Verbrennern zu planen, da diese bis dahin als viel zu teuer und viel zu klimaschädlich angesehen würden. In den vergangenen 20 Jahren habe man diskutiert und entwickelt, in den kommenden zehn Jahren werde man nun umsetzen müssen, was man so erarbeitet habe.
Neben den unbestreitbaren ökologischen Vorteilen der anstehenden Dekarbonisierung verwies Lies auch auf die sich parallel ergebenden gesellschaftlichen/sozialen Aspekte. Aktuell seien Lokführer und Busfahrer ein so rares Gut, dass es immer wieder zu Ausfällen einzelner Verbindungen aus Personalmangel komme.
Ein weiterer Faktor, so Lies, seien die immens steigenden Kosten im Wohnungsbau im urbanen Umfeld und der parallel fehlende Platz, dass er zukünftig eine Trendumkehr zum Wohnen auf dem Lande erwarte, weil sich viele die städtischen Mieten dann nicht mehr leisten könnten bzw. einfach kein städtischer Wohnraum mehr verfügbar sei. Gleichzeitig müsse man aber auch davon ausgehen, dass zukünftig nicht mehr in jedem Dorf auch ein Arzt ansässig sei, die Wege zur gesundheitlichen Versorgung so zukünftig wohl länger würden und dafür auch zusätzliche Transportkapazitäten erforderten.
Beim Reizwort Deutschland-Ticket verteidigte Lies das Erfolgsmodell, das das Projekt aus seiner Sicht sei, da es der Bundespolitik hier erstmals gelungen sei, dass alle Beteiligten gemeinsam etwas geschaffen hätten, was den Weg auch aus dem Tarifdschungel heraus weise. Im Ergebnis dürfe man bei den möglichen Lösungen aus dem Verkehrsdilemma heraus nicht immer nur klein in definitiv erreichbaren Schritten denken, man müsse sich auch trauen, größere Ziele anzuvisieren mit dem Risiko, dass diese nicht immer vollständig erreicht werden könnten.
Aber auch aus der Perspektive eines Taxlers konnte Lies Optimismus verbreiten, indem er die On-Demand-Verkehre als wichtiges Element der Individualisierung erkennt. Er bezeichnete Uber dabei als den falschen Weg und stellte klar, dass niemand, dem auch die Würde der Arbeitnehmer wichtig sein, dieses kapitalorientierte Verkehrsmodell wollen könne. Lies bekannte sich zum Taxi als sinnvoller Partner für solche On-Demand-Verkehre. Er favorisierte aber parallel auch eine mögliche Förderung von Bürgerbusprojekten als politisches Ziel, obwohl es nicht sein dürfe, dass ehrenamtlich Aktive zum Kernelement der Verkehrswende würden. Die Auflösung dieses Spagatversuchs blieb allerdings offen.
Eine Klarstellung bot Lies noch mit seiner Feststellung zu autonomen Fahrzeugen, die definitiv den Verkehr auch in Zukunft nicht völlig unfallfrei gestalten würden. Es werde auch in Zukunft Verkehrstote geben, aber es werden noch einmal viel weniger sein als heute.
Anschließend stellten Dr. Raphael Hofstädter von Alstom und Dr. Christian Kollenberg vom Projekt Albus den Forschungsstand beim Thema selbstfahrende Züge und autonomer Busverkehr mit elektrischem Antrieb vor. Aus den Impulsvorträgen ging hervor, dass die Ladevorgänge für beide Verkehrsmittel auch zukünftig vor allem auf den Betriebshöfen stattfinden werden, denn unterwegs Laden ist langfristig wohl zu teuer. Und beide räumten auf Zuschauerfragen hin mit der Theorie auf, dass autonome Fahrzeuge gar kein Personal mehr benötigten. Beispielsweise sei allein eine autonome Fahrzeugbereitstellung auf den Betriebshöfen eine enorme Hilfe, auch wenn der eigentliche Linienbetrieb dann nach wie vor zumindest von Fahrzeugführern begleitet werde. Insofern solle sich niemand aus Angst um seine Zukunft davon abschrecken lassen, sich zum Lokführer oder Busfahrer ausbilden zu lassen, diese würden auch in Zukunft benötigt und hätten so nach wie vor einen sicheren Job.
Im anschließenden Teil um die Mobilität im Tourismus wurde bemängelt, dass immer noch jede Region ihr eigenes Süppchen kocht und Verbindungen darüber hinaus Mangelware sind. Außerdem wurde klar, dass es kaum valide Zahlen zu den potentiellen Nutzern der verschiedenen Verkehrsmittel gibt, da es bisher keine klaren Strukturvorgaben zur Datenerhebung gibt. Ohne solche Zahlen aber kann es auch keine sinnvolle Verkehrsplanung geben, und insofern ist deren Fehlen nach so langen Jahren der Mobilitätsdiskussion schockierend. Funfact am Rande: Die anwesenden Touristiker forderten neue Fahrradtransportkapazitäten auch bei der Bahn, da vor allem das E-Bike inzwischen ein sehr wichtiges Urlaubstransportmittel darstellt – andere Verkehrsform, aber gleiche Bedürfnisse heute auch in den Bergen.
Wirklich spannend wurde es aus Taxler-Sicht im dritten Teil der Veranstaltung zum Thema der On-Demand-Verkehre, denn hier war festzustellen, dass die anwesenden Fachleute offensichtlich inzwischen samt und sonders realisiert haben, dass zum einen aufgesetzte Verkehre mit schönen bunten Sonderflotten irre teuer und kaum nachhaltig zu betreiben sind, und zum anderen, dass das Taxi ja schon da ist. Insbesondere Frithjof Eckard vom Softwareanbieter ESM/Ansat, aber auch Dr. Holger Kloth als ehemaliger VDV-Vorsitzender wussten zu berichten, dass in der Vergangenheit die Taxler oft sogar verprellt wurden und jetzt erst mühselig zurückgewonnen werden müssten. Zusätzlich sei ein besser frequentierter On-Demand-Verkehr zwar auch teurer als ein schlecht frequentier, diese Mehrkosten seien aber doch eigentlich wünschenswert.
Das ist Musik in Taxlerohren. Hier scheint es wirklich Perspektiven für die Taxibranche zu geben. Daher ist es natürlich wünschenswert, dass zukünftig auch nicht nur ein einsamer Taxi-Times-Schreiberling, sondern auch Verbandsvertreter an solchen Veranstaltungen teilnehmen, denn diese Verkehre sind wohl die beste Chance, die sich der Branche seit langem offeriert hat. rw
Bilder: Remmer Witte
„Daher ist es natürlich wünschenswert, dass zukünftig auch nicht nur ein einsamer Taxi-Times-Schreiberling, sondern auch Verbandsvertreter an solchen Veranstaltungen teilnehmen,…“. Damit ist Alles gesagt, woran es in den Verbänden krankt. @Remmer Witte: Danke dafür!!!!
Die Zeiten ändern sich, die Maßnahmen dafür auch … – doch manchmal kann jeder Einzelne einfach nicht mehr Schritt halten#! Zieht Bilanz und verlasst Euch auf sich selber und auf die guten Dinge für Eure eigene kleine heile Welt. Das sollte schon immer helfen – denkt mehr an Eure stabilen Lebensgrundlagen!