Eines der größten Taxiunternehmen im Südwesten, das 50 Jahre lang auf die Marke Mercedes-Benz setzte, hat sein letztes Fahrzeug aus Stuttgart verkauft. Heute gehen die Aufträge an Tesla.
Nach 50 Jahren endet für die Holl AG mit Hauptsitz in Gaggenau eine Ära: Das Familienunternehmen verabschiedet sich von seiner letzten Mercedes-E-Klasse. „Die Entscheidung der Mercedes-Benz Group AG als Haus- und Hoflieferant des deutschen Taxigewerbes keine Taxis mehr zu bauen, hat die Taxibranche kalt erwischt“, so Vorstand Dirk Holl.
Das Unternehmen blickt auf eine lange Geschichte zurück: 1972 gründete Edeltraud Holl, damals noch im elterlichen Betrieb, der Emil Ball OHG, das erste Taxiunternehmen in Gaggenau. 1976 wurde der Taxibetrieb ausgegliedert und die Taxi-Holl Edeltraud Holl in Gaggenau gegründet, aus der 2018 die Holl AG entstanden ist. Aus dem kleinen Taxiunternehmen ist mittlerweile ein mittelständischer Mobilitätsanbieter geworden, der unter anderem auch im Limousinen- und Reisebusgeschäft vertreten ist. Die Holl AG beschäftigt derzeit 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an sechs Standorten, darunter Karlsruhe und Baden-Baden. Es sind über 60 Fahrzeuge im Bestand, wobei bereits die Hälfte der Fahrzeuge vollelektrisch betrieben wird. So tanken heute nur noch 14 Fahrzeuge (Rollstuhl- und Sonderfahrzeuge) Diesel.
Als die Firmengründerin Edeltraud Holl am 12. November 1973 in ihr erstes Mercedes-Taxi stieg, rechnete sie wohl nicht damit, das Mercedes-Benz 50 Jahre später keine Taxis mehr bauen und verkaufen und dem mobilen Gewerbe den Rücken kehren würde. Der erste Mercedes von Taxi-Holl war ein 200 D / 8, Baujahr 1972. Der gebraucht als Jahreswagen erworbene und nachträglich als Taxi umgebaute Wagen verrichtete einige Jahre zuverlässig seinen Dienst als Taxi in Gaggenau.
„Der damals übliche nachträgliche Umbau eines Serienfahrzeuges zu einem Taxi ist seit 2015 mit der Reform des Eichgesetzes in Deutschland nicht mehr möglich“, bedauert Dirk Holl. Heute verlange die neu geschaffene Konformitätsbewertungsstelle 0103 des zuständigen Regierungspräsidiums Tübingen, Abteilung 10 – Eich- und Beschusswesen Baden-Württemberg, eine Bestätigung des Fahrzeugherstellers, dass dieser mit der Nachrüstung der Taxameter-Komponenten einverstanden ist. „Diese Bestätigung wird Mercedes-Benz ab 2024, auch bei den Vans, nicht mehr erteilen und zieht sich zum Bedauern vieler Taxiunternehmerinnen und Taxiunternehmer vollständig vom Taxi- und Mietwagenmarkt zurück.“
In den 50 Jahren seit dem ersten „Strich-Achter“-Taxi waren insgesamt 139 Fahrzeuge von Mercedes-Benz bei Taxi-Holl im Einsatz, beginnend mit dem „/8“ über die legendären Baureihe W123 bis zuletzt der E-Klasse des Type W213. Dabei kamen neben insgesamt 85 E-Klassen auch Exoten zum Einsatz, etwa in den 1980er-Jahren vier W123 mit langem Radstand als Pullmann, welche später durch zwei Großraumtaxis des Typs MB100 ersetzt wurden. Nach diesen folgten unzählige Mercedes-Sprinter und Vitos.
Aber auch bei Fahrzeugen mit alternativen Antrieben setzte Taxi-Holl auf den Stern. Unter dem Werbeslogan „Ich tanke vegetarisch“ verkaufte die damalige Daimler-Benz AG Ende der 90iger-Jahre ihre Taxis mit speziellen Motoren für den Biodieselbetrieb (Rapsmethylester) an das Gaggenauer Taxiunternehmen. 2004 kamen zusätzlich zwei E 200 NGT Taxis hinzu. Diese fuhren mit Erdgas und wurden an der Erdgastankstelle der Stadtwerke Gaggenau betankt. 1997 wurde der Geschäftsbereich Limousinenservice eröffnet und es wurde die erste Mercedes S-Klasse angeschafft.
Auch bei der Rollstuhlbeförderung setzte Taxi Holl ab 2002 zwei Mercedes Vaneo (W414) mit Spezialumbau für Rollstuhlfahrer ein, bis dieser Fahrzeugtyp 2005 nicht mehr gebaut wurde. Seit 2010 ergänzen Minibusse mit 16 Fahrgastplätze auf Basis des Mercedes-Sprinters den Fuhrpark.
Mit Einführung der EQ-Modelle von Mercedes-Benz wurde im Nachhinein klar, dass sich der damalige Daimler-Konzern langsam vom Taxigewerbe verabschieden würde. Diese Modelle waren von Anfang an nicht als Taxi bestellbar, obwohl die Daimler-konzerneigene Versuchsabteilung ein Testfahrzeug vom Typ EQC im Enzkreis im Testbetrieb hatte.
„Wir hofften immer auf ein Elektro-Taxi im PKW-Bereich von Mercedes-Benz, was aber nie angeboten wurde“, so Fuhrparkleiter Sebastian Holl. „Einzig im Transporter-Bereich konnten wir vollelektrische Taxis bei Mercedes erwerben, so dass wir heute sechs EQV und eVitos im Einsatz haben.“
Nachdem sich die Mercedes-Benz Group AG in der Taxi-Fachpresse dahingehend geäußert hatte, dass mit der Modellpflege im Jahr 2024 auch keine EQV und eVitos als Taxis gebaut und verkauft werden, bestellte Dirk Holl noch schnell sechs neue eVitos als Taxi.
Letzte Woche verkaufte die Holl AG nach 50 Jahren die letzte Mercedes-Benz-E-Klasse. Der 2019 als Neuwagen beschaffte E 220 d Kombi wurde mit über 274.000 Kilometern auf dem Zähler an den Gebrauchtwagenspezialisten Ralf Kiefer von der Automobil Marketing Kiefer GmbH aus Bühl übergeben. Die Firma hat sich auf den An- und Verkauf von gewerblichen Gebrauchtfahrzeugen spezialisiert, und so finden viele Gebrauchtfahrzeuge wie Taxis durch den Bühler Gebrauchtwagenspezialisten neue Besitzer und ein „zweites Arbeitsleben“.
Aufgrund der dunkelblauen Lackierung der Holl-Taxis könne es demnach gut passieren, dass man etwa im nächsten Griechenlandurlaub in eines der Taxis aus dem Murgtal wieder einsteigt und sich zum Flughafen bringen lässt, so Inhaber Dirk Holl.
Nachdem die letzte Mercedes-E-Klasse vom Typ E 220 d T Sondermodell „Das Taxi“ (W213) aus dem Taxiverkehr gezogen und verkauft wurde, setzt Taxi-Holl heute Taxis der Marke Tesla Model Y ein. Diese werden vom Hersteller Tesla in Kooperation mit dem Umrüster INTAX als Taxi angeboten und dürfen gemäß aktuellem Eichrecht auch als solche umgebaut und eingesetzt werden. Bislang hat Taxi Holl zwölf Wagen bei Tesla gekauft. Dabei war das erste Fahrzeug 2015 ein Tesla Model S und es folgten zwei Model 3 und bis heute 9 Tesla Model Y.
„Anfangs war es natürlich eine schwierige Umstellung für unser Fahrpersonal“, erklärt Sebastian Holl lächelnd. Wer viele Schalter und Hebel und das intuitive Bedienkonzept eines Mercedes gewöhnt sei, der sitze zunächst ratlos in einem Tesla ohne Schalter und Hebel, nur mit einem großen Tablet ausgestattet.
Das Fahrpersonal wurde aber entsprechend geschult und möchte laut Holl heute kein anderes Taxi mehr fahren. „Das liegt sicher auch daran, dass die Heizung bzw. Klimaanlage auch im Stand geräuschlos funktioniert und das Fahren durch das sogenannte One-Pedal-Driving gerade im Stadtverkehr eine erhebliche Erleichterung darstellt.“ Als One-Pedal-Driving bezeichnet man ein Konzept der Geschwindigkeitsbeeinflussung, bei dem mit einem einzigen Pedal das Fahrzeug sowohl beschleunigt als auch aktiv gebremst wird.
Ob Taxis mit dem Stern jemals ein Comeback in Gaggenau erleben werden, hängt laut Dirk Holl allein von der zukünftigen Entscheidung der Mercedes-Benz Group AG und deren Vorstandsvorsitzendem Ola Källenius ab. ar
Beitragsbild: Dirk Holl übergibt seinen letzten Mercedes an Ralf Kiefer. Foto: Holl AG
So ist das halt mit den Veränderungen.
Früher war ein heißer Sommer auch ein guter Sommer. Insofern geht mir die Nostalgie ab, zumal ich 2007 zuletzt in einem Dieseltaxi mit klassischen Gängen fuhr. Alles danach war mit Elektromotor und stufenlos. Wer einmal Hybrid oder rein elektrisch gefahren ist, wird klassische Gänge nie wieder erleben wollen.
Interessant an dem Artikel ist, dass immer mehr Betriebe ans Licht kommen, die bereits sehr frühzeitig ein Tesla Model S eingesetzt hatten – und dies nicht nur in der Großstadt. Das sind die wahren Pioniere. Das hätte ich mich 2015 noch nicht getraut.
Gute Sommer sind nun solche ohne zu viel Sonne und ohne Monsun und die Taxiwelt wird Mercedes schnell vergessen.
Seit 1.3.23 habe ich auch einen Tesla Model Y
Taxi, die Fahrgäste sind begeistert, ich auch.
Der Umstieg vom Mercedes war garnicht schwer, das einzige ist die Umstellung vom Tanken zum Laden, aber auch das ist lösbar.
Auch wenn Mercedes wieder Taxis anbietet würde ich keinen mehr kaufen.