Im Osten Österreichs wird der Linienverkehr neu organisiert – mit flächendeckenden, bedarfsgerechten Angeboten. Die wenigen ansässigen Taxibetriebe sind dabei willkommene Kooperationspartner.
„Der ÖV wird erstmals vollkommen integriert gedacht, von Planung über Auskunft bis Ticketing, egal ob Linienverkehr oder flexible Angebote.“ So heißt es in der Kurzfassung der aktuellen Gesamtverkehrsstrategie des Burgenlandes.
Die Landesverwaltung des östlichsten Bundeslandes Österreichs ist – aufgrund seiner sehr ländlichen Prägung – bei der Organisation des Linienverkehrs in besonderem Maße mit der Kombination aus Mobilitätsbedürfnis einerseits und hohen Kosten pro Bevölkerung andererseits konfrontiert. 2014 wurde eine Gesamtverkehrsstrategie erarbeitet und seitdem eine Vielzahl an Projekten und Maßnahmen umgesetzt. 2021 konnte man durch den erreichten Standard eine neue Stufe oben draufsetzen, bei der auch aktuelle Herausforderungen wie Klimaschutz und Ökologisierung eine zentrale Rolle spielen, weshalb das Land nun verstärkt auf Elektromobilität und Fahrradverkehr setzt – und auf öffentlichen statt privaten Kraftverkehr.
Die neue Gesamtverkehrsstrategie, genannt GVS21, „bringt daher eine Neuaufstellung des Verkehrssystems im Burgenland mit sich“, wie es auf der Internetseite des Landes heißt. Klare Entscheidungen für die zukünftige Mobilität seien getroffen worden, wofür umfangreiche Mittel bereitgestellt würden. Der Fokus liegt auf Hauptverkehrsachsen und „schnellen und direkten Wegen ins Zentrum“, mit denen der ÖPNV zur „attraktiven Wahl“ werden soll, außerdem auf multimodalen Knoten, die durch eine Erschließung der Fläche „über neue Angebote und reibungslose Verknüpfung aller Verkehrsmittel in neuen Drehscheiben“ eine gute „Anbindung für alle“ schaffen sollen. Ein „Mobilitätsmanagement, das Hürden abbaut“ soll die neuen Mobilitätsangebote zudem in das Bewusstsein der Bevölkerung bringen.
Zu den konkreten Maßnahmen gehören ein Ausbaupaket Bahninfrastruktur, das unter anderem die Fahrzeit für die 60 Kilometer zwischen der Landeshauptstadt Eisenstadt und der Bundeshauptstadt Wien deutlich verkürzen soll, ein einheitliches Tarif- und Taktsystem bei Linienbussen und ein „integrierter öffentlicher Verkehr“.
Hier kommt das Taxigewerbe ins Spiel. Geplant sind „neue Anruftaxis“, die ab kommendem September zunächst im Mittel- und Südburgenland „Passagiere zu den Hauptverkehrsverbindungen“ bringen sollen, integriert in das Nahverkehrs-Tarifsystem. Innerhalb des Landes mit seiner Nord-Süd-Ausdehnung von rund 160 Kilometern gibt es nochmals ein wirtschaftliches Nord-Süd-Gefälle, d. h., der Norden mit der Landeshauptstadt Eisenstadt ist infrastrukturstärker als der mittlere und der südliche Bereich.
Verkehrslandesrat Heinrich Dorner hat angekündigt, im Mittel- und Südburgenland 1.742 virtuelle Haltepunkte für das AST zu definieren, so dass mittelfristig jeder Bewohner des Bundeslandes einen dieser Haltepunkte zu Fuß erreichen könne. Zusammen mit zentralen Buslinien, die täglich zwischen 5 Uhr und 20 Uhr nach einem Fahrplan mit festen Taktzeiten verkehren, soll sich so eine deutlich verbesserte Mobilität zumindest von morgens bis zum frühen Abend ergeben.
Wie die Landesregierung gegenüber Taxi Times mitteilt, gibt es allerdings in den Regionen, in denen das neue bedarfsgesteuerte Angebot unter dem Namen ‚BAST – Burgenländisches Anruf-Sammeltaxi’ initial implementiert werden soll (Bezirke Jennersodrf, Güssing, Oberwart und Oberpullendorf) „kaum noch Taxibetriebe“. Diese sollen aber, sofern sie es wünschen, als „Partnerbetriebe“ mittels Subaufträgen „sehr wohl eingebunden und beauftragt werden, wo und wenn es sich anbietet und möglich ist“. An Details dieser Einbindung werde „derzeit noch gearbeitet bzw. werden diese Details mit den Partnern noch verhandelt“.
Mit der Umsetzung des Konzepts dürfte das Burgenland zu einem Vorreiter für moderne Mobilität in ländlichen Regionen werden, zumal die Voraussetzungen denkbar ungünstig waren. Im bevölkerungsmäßig kleinsten Bundesland Österreichs, das bis 1921 zu Ungarn gehörte und vergleichsweise infrastruktur- und wirtschaftsschwach ist, laufen seit den 1990er-Jahren verstärkte Bemühungen zur wirtschaftlichen Entwicklung. Wichtige Einnahmequellen sind von jeher der Weinanbau und neuerdings die Windkraft. Von den knapp 300.000 Einwohnern pendeln 23.000 täglich oder wöchentlich zur Arbeit nach Wien – immerhin 30 bis 150 Kilometer.
Eine Schwierigkeit bei der verkehrlichen Erschließung ergibt sich nicht nur aus der erwähnten, außergewöhnlich stark ausgeprägten ländlichen Struktur des Landes – größte Stadt ist die Landeshauptstadt Eisenstadt mit 15.200 Einwohnern, alle anderen Gemeinden haben unter 9.000 – sondern auch aus dem Zuschnitt der Landesfläche, die auf der Karte wie eine Aneinanderkettung der neun Regionen in Nord-Süd-Richtung entlang der slowakisch-ungarisch-slowenischen Grenze aussieht.
Die Finanzierung des neuen Bündels an Verkehrsangeboten kommt vollständig aus dem Landeshaushalt. Für die Koordination und Umsetzung ist vor gut zwei Jahren die Verkehrsbetriebe Burgenland GmbH (VBB) als Landesunternehmen gegründet worden, die bereits neu eingeführte Buslinien zwischen dem südlichen Burgenland und Graz, der Landeshauptstadt des westlichen Nachbarbundeslandes Steiermark, betreibt. ar
Beitragsbild: Eisenstadt; Foto: C.Stadler/Bwag; CC-BY-SA-4.0