Lange ging es bei der Frage, ob politische Betätigungen am Arbeitsplatz gestattet sind oder nicht, eher darum, inwieweit man sich für eine von der Mainstreamposition abweichende Meinung stark machen darf. Heute steht durchaus auch die Frage im Raum, ob innerbetrieblich die vermeintliche Mitte der Gesellschaft Farbe zur Demokratie und zu dem in der Bundesrepublik etablierten Gesellschaftssystem bekennen darf oder sogar muss.
Wir leben aktuell in einer Zeit des Umbruchs. Das demokratische Gesellschaftssystem gerät zunehmend in Rechtfertigungszwang, beispielsweise gegenüber rechtspopulistischen Positionen. Auch zu den Kriegen in der Ukraine oder im Gaza-Streifen kann sich kaum jemand wirklich neutral verhalten. Spätestens mit den bundesweiten Großveranstaltungen gegen Rechts stellt sich derzeit für viele Menschen die Frage, wie und wo sie auch im Arbeitsleben ihre Haltung zeigen können und dürfen.
Gerade für das Taxi ist dieses Thema zumindest in der Außenwirkung sehr klar geregelt, denn jede politische oder religiöse Werbung am oder im Taxi ist gemäß Paragraf 26 BOKraft unzulässig. Auch hier gibt es jedoch Grenzen. Im Jahr 1995 entschied ein Amtsgericht in Hamburg, dass eine Aussage nicht als politisch zu werten sei, wenn ihr jeder zu folgen habe, der auf dem Boden der Verfassung stünde. Politische Werbung setze voraus, dass sich der Inhalt der Äußerung von anderen politischen Überzeugungen und Organisationen (die ebenfalls auf dem Boden der Verfassung stünden) unterscheiden lasse. Erfolgreich geklagt hatten zwei Hamburger Unternehmer, die wegen des Führens von politischen Aufklebern gegen Rassismus ein Bußgeld in Höhe von 275 DM zahlen sollten. Wie die TAZ Hamburg berichtet, steht das selbe Taxiunternehmen aktuell wieder im Fokus, da deren Taxis Black Lives Matter Aufkleber führten. Werbung für die Rechte dunkelhäutiger Menschen auf Taxis ist tatsächlich verboten, stellte die Hamburger Verkehrsbehörde dazu fest „obwohl wir natürlich ebenso hinter dem Anliegen von Black Lives Matter stehen“, wie deren Sprecher Dennis Heinert sich dazu zitieren ließ.
Nach außen wirkende Schriftzüge auf Taxis, welche die Aktivitäten der AFD kommentieren, werden daher sicherlich umso mehr klar als „verboten“ wahrgenommen werden. Hier gibt es also wenig Spielraum für politische Statements. Genauso scheinen politische Diskussionen zwischen Dienstleistern und Kunden nie eine gute Idee zu sein, denn gerade im engen Taxi ist der neutrale Burgfriede zwischen den Insassen Grundvoraussetzung für das Gelingen der Dienstleistung. Da Taxichauffeure jedoch diejenigen oft persönlich als Fahrgäste kennen (LGBTQ-Community, Migranten, o.Ä.), die bei anderen Menschen Berührungsängste auslösen, weil sie in deren Lebensumfeld eben kaum vorkommen, können Taxler zumindest etwas aus deren Welt berichten und so etwas Werbung für mehr Toleranz machen. Wobei die hier im Raum stehende Grundannahme, dass Taxler in der Regel eher tolerant unterwegs sind, natürlich bisher durch keine Studie belegt wurde aber nichtsdestotrotz absolut wünschenswert wäre.
Natürlich ist das Thema der Meinungsäußerung innerhalb einer Demokratie auch ansonsten Gegenstand rechtlicher Regelungen, die dieses Recht hier jedoch eher schützen. So dürfen Mitarbeiter während der Arbeitszeit grundsätzlich politische Meinungen gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes äußern, auch wenn diese Meinung dem Arbeitgeber nicht schmeckt. Diese Meinungsfreiheit hat erst dort ihre Grenzen, der Straftatbestand der Volksverhetzung erreicht ist. Hier sind dann sogar Kündigungen wegen politischer Hetze am Arbeitsplatz möglich, in Extremfällen auch bei Hetze im privaten Kontext, wenn das Verhalten auf den Arbeitgeber zurückfällt. Vor allem in multinationalen Belegschaften mit unterschiedlichen religiösen Überzeugungen könnte politische Hetze den Betriebsfrieden massiv beeinträchigen. Stören beispielsweise antisemitische Hetze oder Terrorsympathie die Betriebsabläufe, wären Abmahnungen oder Versetzungen, aber auch eine Kündigung des Störenfrieds denkbar.
Sogar Äußerungen auf Social Media können im Übrigen relevant für den Job sein. Diese sind zwar zunächst einmal Privatsache und haben den Arbeitgeber nicht zu interessieren. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, nämlich dann, wenn die Meinungsäußerung einen klaren Bezug zur eigenen beruflichen Tätigkeit hat. Gibt es durch den Post eine direkte Verknüpfung zum Arbeitgeber, kann er durchaus eine arbeitsrechtliche Relevanz besitzen (Taxi Times berichtete). Hier sind also auch Konstellationen denkbar, bei der extremistische politische Statements arbeitsrechtlich relevant werden können, wenn man dabei den eigenen Arbeitgeber benennt.
Dieser Rahmen ist im Übrigen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zunächst gleichermaßen vorgegeben, auch wenn die Konsequenzen bei ausfälligen Arbeitgebern sicherlich schwerer realisierbar sind. Grundsätzlich ist die politische Betätigung nach Paragraf 74 Betriebsverfassungsgesetz für Arbeitgeber und Betriebsrat sogar ausdrücklich erlaubt, wenn es um bestimmte Angelegenheiten geht, die unmittelbar den Betrieb betreffen. Dazu zählen Angelegenheiten aus den Themenfeldern der Tarifpolitik, der Sozialpolitik, der Umweltpolitik oder der Wirtschaftspolitik. Arbeitgebern und Betriebsräten sind dadurch also zusätzlich größere Themenfelder hinsichtlich politischer Betätigung geöffnet. Lediglich die einseitige Werbung für eine Partei ist auch ihnen untersagt.
Im Ergebnis ergibt sich rein rechtlich immer ein Vorteil für diejenigen, die sich in der in unserer Gesellschaft gelebten Demokratie zu Hause fühlen, denn genau diese darf man auch öffentlich verteidigen. Man darf sich also immerhin mit Wort und Bild gegen solche Aktivitäten abgrenzen, die nicht auf dem Boden der Verfassung stehen. Und man darf sich sowohl von Fahrgästen als auch von Kollegen, Mitarbeitern oder Führungskräften jede Äußerung verbitten, die diese Grenze überschreitet. Und selber darf man parallel Werbung für die Demokratie an sich machen, man darf Angriffskriege verurteilen und Wahlberechtigte dazu auffordern, wählen zu gehen.
Fazit: Ganz gleich, ob man ein Unternehmen führt, ein Taxi lenkt oder mit Kollegen ein Bier trinkt, an politischen Themen kommt man nicht immer gut vorbei. Und vielleicht ist es ja auch gerade jetzt an der Zeit, hier in diesen schwierigen Zeiten auch mal wieder etwas mehr Stellung zu beziehen. Wo Halbwahrheiten und Fakenews in der Diskussion oft zur Wahrheit hochstilisiert werden und in ewiger Unzufriedenheit alle, die sich kommunal oder überregional innerhalb des Systems politisch engagieren, als unfähig gebasht werden, sollte es parallel auch wieder möglich sein, diese Systemopposition als solche infrage zu stellen. Diskussionen sind hier sicherlich selten zielführend, aber ein kurzes Bekenntnis zur Demokratie lässt diese vielleicht wieder etwas mehr Sympathisanten gewinnen und diese hat die Demokratie ja offensichtlich dringend nötig. rw
Beitragsfoto: Flagge zeigen Remmer Witte
Bravo Remmer Witte !
Sich für die Demokratie vehement und durchaus häufig einzusetzen, ist angesagt !