Das Büro Linne+Krause sieht die Funktionsfähigkeit des Kölner Taxigewerbes „in weite Ferne gerückt“ und gibt mehrere Handlungsempfehlungen. Die Stadt fokussiert sich einzig auf einen Konzessionsabbau bei Taxis.
Nachdem die Stadt Köln bereits in den Jahren 2005 und 2015 Gutachten vom Hamburger Büro Linne+Krause hatte erstellen lassen, liegt nun das Ergebnis des aktuellen Folgeauftrags vor.
Im Zuge der Auftragsvergabe hatte die Stadtverwaltung eine Vorgabe geäußert, die Zweifel an einem ergebnisoffenen Gutachten hervorruft: Wie Oberbürgermeisterin Henriette Reker am letzten Montag, dem 15. April, den Ausschüssen für Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen, für Wirtschaft und für Verkehr unverhohlen erläuterte, bestand der Hauptzweck des Gutachtens in der Schaffung einer gerichtsfesten Grundlage für die Versagung von zusätzlichen Taxikonzessionen. „Gemäß früherer PBefG-Kommentierungen spricht man von einer Existenzbedrohung des gesamten Gewerbes, wenn 10 % oder mehr der Gewerbetreibenden mit der beabsichtigten Vermehrung der Zulassungen ihre Existenzgrundlage verlieren werden. Bei dem derzeit anhaltenden Nachfrageeinbruch in der Größenordnung von rund einem Drittel der Touren seien fast alle, das heißt wesentlich mehr als 10 % der Taxibetriebe, in ihrer Existenz gefährdet, auch ohne, dass es dazu einer ‚Vermehrung von Zulassungen’ bedarf“.
Das ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit. Gutachter Thomas Krause kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine akute Gefährdung der Funktions- und Existenzfähigkeit des Kölner Taxigewerbes vorliegt, und macht dafür mehrere verschiedene Ursachen aus, darunter die Corona-Krise (die Köln härter getroffen habe als andere Städte), die Vielzahl schwarzer Schafe im eigenen Gewerbe (die er als „langjähriges Grundübel“ bezeichnet) sowie die unlautere Konkurrenz durch App-vermittelte Mietwagen.
Daraus folgend gibt er mehrere Handlungsempfehlungen: Obwohl das Problem der „semiprofessionellen Taxibetriebe“ Krauses Einschätzung nach nicht durch eine Verringerung der Konzessionszahl zu beheben ist, empfiehlt er, die Zahl zu deckeln und mittelfristig durch die Verwehrung neuer Genehmigungen zu senken. Zum Problem der „irregulären Mietwagenanbieter“, deren Geschäftsmodell als Subunternehmer von Uber oder Bolt „betriebswirtschaftlich nicht legal zu betreiben ist“, empfiehlt er, die Hamburger Praxis bei der (Wieder-)Erteilung von Genehmigungen mit betriebswirtschaftlicher Prüfung der subjektiven Zulassungskriterien, die auch in München, Stuttgart oder Wiesbaden übernommen worden sei und die „den gewerberechtlichen Aspekt der Gefahrenabwehr in den Vordergrund“ stelle, auch in Köln anzuwenden. Er ergänzt: „Die Instrumente der Prüfungspraxis lassen sich auch auf appvermittelte Mietwagenbetriebe übertragen.“
Im Absatz „Subjektive Zulassungskriterien“ gibt Krause der Verwaltung quasi eine Steilvorlage zur Lösung des Mietwagenproblems: „Die systembedingten Vorgaben (Preisdumping / Provisionen) zwingen die Betriebe in die Schwarzarbeit und Umsatzverkürzung. Verstöße gegen Schwarzarbeits- und Mindestlohngesetz sind auch mit den Mitteln einer Genehmigungsbehörde relativ einfach zu erkennen. Entscheidend ist der Abgleich der von den Plattformen geführten detaillierten Vermittlungsaufzeichnungen mit den bei den Krankenkassen („Einzugsstellen“) gemeldeten Arbeitszeiten der Fahrer. Mit diesem konsequent verfolgten Ansatz hält z. B. Hamburg die Zahl der bei appvermittelten Mietwagen niedrig.“
Die Stadtverwaltung gab ebenfalls am letzten Montag eine Erklärung auf ihrem Online-Portal ab, in der einzig die Zahl der Taxikonzessionen thematisiert wird. Die anderen Ursachen und Krauses Vorschläge zu ihrer Behandlung fallen unter den Tisch. Unter der Überschrift „Lizenzen sollten langfristig verringert werden, um Gewerbe zu stabilisieren“ stellt die Stadtverwaltung die Frage in den Raum, wie sich das geänderte Mobilitätsverhalten der Bevölkerung auf das Taxigewerbe auswirkt: „Können Betriebe noch von ihrem Gewerbe leben, wenn immer mehr Menschen Busse und Bahnen, Fahrräder und E-Scooter benutzen oder ihre Fahrten per App buchen? Braucht es in Zukunft mehr oder vielleicht weniger Lizenzen, damit die Betriebe von ihrem Gewerbe leben können?“ Um dies herauszufinden, habe die Verwaltung das renommierte Hamburger Büro mit der Erstellung eines Gutachtens zur Funktionsfähigkeit des Kölner Taxigewerbes beauftragt.
In der Zusammenfassung des Gutachtens werden die von Krause genannten Ursachen noch kurz erwähnt, während ein Teil seiner Handlungsempfehlungen verschwiegen wird: „Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass aufgrund einer Gemengelage aus Pandemie-Folgen, semiprofessionellen Taxibetrieben und Mietwagenanbietern, die ihre Fahrten teilweise zu Dumpingpreisen anbieten, eine akute Gefährdung der Funktions- und Existenzfähigkeit des Kölner Taxigewerbes vorliegt. Bei dem derzeit anhaltenden Nachfrageeinbruch in der Größenordnung von rund einem Drittel der Touren seien fast alle Taxibetriebe in ihrer Existenz gefährdet. Eine Erhöhung der Lizenzen würde die Lage für die Betriebe noch einmal verschlechtern.“ Um die Situation der Betriebe zu stabilisieren, empfehle der Gutachter daher, die Zahl der Taxigenehmigungen von derzeit 1.154 nicht zu erhöhen, sondern perspektivisch abzubauen – etwa indem wegfallende Lizenzen nicht ersetzt werden.
Weiter heißt es auf der Internetseite: „Das Gutachten trifft keine qualitative Aussage zum Kölner Taxigewerbe, sondern beantwortet prognostisch die sich aus der objektiven Zulassungsbeschränkung für Taxis gemäß Paragraph 13 Absatz 4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) ergebende Frage, ab welcher Gesamtzahl von Genehmigungen im Kölner Taxigewerbe ein ruinöser Wettbewerb zu erwarten ist, der die Funktionsfähigkeit gefährdet und damit auch die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt. Ebenso wie Busse und Bahnen gehören die Taxen zum Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs und sind gerade für Senior*innen oder nicht App-affine Menschen ein wichtiger Bestandteil des Verkehrsangebotes.“
Es wird eine detaillierte Auswertung des Gutachtens durch die Verwaltung mit Prüfung der Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen angekündigt. Dazu werde das Gutachten den beteiligten Kölner Taxizentralen, der zuständigen Interessenvertretung des Taxiverbandes in NRW sowie der Industrie- und Handelskammer Köln zur Kenntnisnahme gegeben. Zudem werde das Ordnungsamt die Kontrolle von App-vermittelten Mietwagen intensivieren und Lizenzen, die nicht verlängert oder zurückgegeben wurden, nicht erneut erteilen.
In der Presse fallen die Reaktionen unterschiedlich aus. Die „Bild“-Zeitung aus dem Axel-Springer-Verlag, bekannt für seinen Erwerb von Uber-Anteilen, verzerrte die Situation noch stärker als die Stadtverwaltung und brachte am nächsten Tag unter der Ober-Überschrift „Es gibt zu viele von ihnen“ die Schlagzeile „In Köln kann man bald kein Taxifahrer mehr werden“. Darunter ein Großfoto des „Taxi-Ruf“-Vorstandsmitglieds Fikret Sinir, der mit der Aussage zitiert wird, man habe schon lange vor den Gefahren für die Kollegen gewarnt. Dass damit das Uber-Problem gemeint ist, wird verschwiegen. Darauf folgt die fettgedruckte Einleitung: „Zu viele Köche verderben den Brei – und zu viele Taxis das Geschäft.“ Immerhin wird erwähnt, dass der Vorstand des Kölner Taxi-Rufs unter anderem die Einführung von Festpreisen und eine stärkere Überprüfung der Mietwagenfirmen auf Einhaltung des Mindestlohns vorschlägt. Die Verringerung der Taxi-Konzessionszahlen bezeichnet die „Bild“ nicht als Option, die in der Verwaltung nun geprüft wird, sondern bereits als „Konsequenz“ der Aussagen des Gutachtens.
Die „Rundschau“ geht im Unterschied zur Stadtverwaltung und zur „Bild“-Zeitung auch auf die Lösungsmöglichkeiten jenseits der Konzessionszahlbegrenzung ein. Sie zitiert ebenfalls Fikret Sinir – mit der Aussage, die Mitteilung der Stadt komme einem Armutszeugnis gleich. Zur Gewährleistung der Konkurrenzfähigkeit der Taxis seien laut Sinir Festpreise und Tarifkorridore nötig. Dies fordere man bereits seit Langem von der Stadt, „doch die ist dazu nicht bereit“, so Sinir. Es werden die Anti-Uber-Demonstration im letzen Oktober und die Festpreise in München und anderen Städten erwähnt.
Was das Online-Portal der Stadt Köln, die „Bild“-Zeitung und die „Rundschau“ teils zwischen den Zeilen, teils explizit, jedenfalls übereinstimmend transportieren, ist die Aussage, Mietwagen ließen sich per App bestellen und Taxis seien eher für ältere und „nicht App-affine Menschen“ geeignet. Dass Taxis sich per App und auf etliche weitere Arten bestellen lassen, während bei Uber und Bolt nur eine einzige Möglichkeit der Bestellung üblich ist, scheint – wie so viele andere Wahrheiten über den illegalen taxigleichen Verkehr durch Mietwagen – noch lange nicht überall angekommen zu sein. ar
Fotos: Axel Rühle
Vielleicht sind auch einfach die (illegalen) Mietwagen schuld an der bedrohlichen Lage. Jeder Abbau einer Taxi Konzession ist ein Gewinn für UBER und Konsorten.