Im Landkreis nordöstlich von Berlin lehnen Taxigewerbe und Fahrgäste eine Anhebung der Fahrpreise auf Rekordniveau ab. Das Taxigewerbe hat sich erfolgreich mit Politikern aller Fraktionen vernetzt.
„Der Landrat hat es ganz bestimmt gut gemeint“, ist sich Taxiunternehmer Bernd Bachmann aus dem Landkreis Barnim sicher. Er ist Einwagenunternehmer im 40.000-Einwohner-Städtchen Bernau bei Berlin, an dessen Rand die DDR-Machthaber einst in Saus’ und Braus’ lebten. Im Landkreis Barnim, der im Südwesten an Berlin und im Osten an die polnische Woiwodschaft Westpommern grenzt, wollte Landrat Daniel Kurth (SPD) ohne Antrag aus dem Gewerbe, einfach um der Verpflichtung der Verwaltung nachzukommen, den Taxitarif anpassen. 2023 hatte das Landratsamt für 21.453 Euro ein Gutachten zur Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes in Auftrag gegeben, nachdem der Tarif zuletzt am 1. November 2022 angepasst worden war.
Von einem solchen verantwortungsbewussten Behördenverhalten aus eigenem Antrieb heraus kann das Gewerbe mancherorts nur träumen. Die Gutachter vom Ingenieur-Büro ISOP aus Dresden führten eine „umfangreiche Analyse und Bewertung der aktuellen wirtschaftlichen Lage sowie der Angebots- und Nachfragesituation und der objektiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Taxen- und Mietwagenverkehr im Landkreis Barnim unter Beteiligung aller konzessionierten Taxi- und Mietwagenunternehmen“ im Zeitraum Oktober 2023 bis März 2024 durch. Sie empfahlen, den Grundpreis tagsüber um 20 Cent und nachts/sonntags um 10 Cent und die Kilometerpreise für die ersten sechs Kilometer um 30 Cent und für die restliche Strecke sogar um 40 Cent zu erhöhen. Sie konnten „eine Bedrohung der Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes nicht ausschließen“. Der Empfehlung des Gutachtens wollte das Landratsamt nachkommen.
Vergleicht man die heutigen Fahrpreise für Zehn-Kilometer-Fahrten in den brandenburgischen Landkreisen und kreisfreien Städten, so liegen Cottbus (ältester Tarif Brandenburgs vom Juni 2021), Ostprignitz-Ruppin und Oberhavel mit knapp 25 Euro am unteren Ende der Skala. Knapp darüber liegt die Landeshauptstadt Potsdam. In der Mitte mit Preisen zwischen 27 und 28 Euro liegen die Landkreise Uckermark und Spree-Neiße und der Flughafen BER. An der Spitze des Bundeslandes liegen die Stadt Brandenburg an der Havel mit 30,70 Euro und der Landkreis Elbe-Elster mit 31,70 Euro. In Berlin (in der Grafik orange) kostet die Fahrt 29,40 Euro, also im Vergleich schon recht hoch.

Der Landkreis Barnim (blau) liegt mit 28,50 Euro im oberen Drittel. Wäre der Kreistag dem Gutachten gefolgt und hätte den Plan des Landrats umgesetzt, hätte der Landkreis Barnim jetzt den höchsten Tarif von ganz Brandenburg (hellblau) mit 32,10 Euro für die Zehn-Kilometer-Tour.
Wie Bachmann berichtet, lag der Barnimer Tarif früher deutlich unter dem Berliner Tarif. Heute liegt er darüber: Zum 1.11.2022 erhöhte das Landratsamt in Eberswalde den Grundpreis tagsüber von 4,00 auf 4,50 Euro und nachts/sonntags von 5,00 Euro auf 5,50 Euro und die Kilometerpreise um 20 bis 40 Cent. Das geschah zum einen aufgrund des Sprungs beim Mindestlohn von 10,45 Euro auf 12,00 Euro zum 1.10.2022, erst recht aber sicherlich unter dem Eindruck der vorangegangenen Preisexplosion bei Kraftstoffen: Innerhalb von zwei Jahren war der Dieselpreis von unter 1,20 Euro auf über 1,90 Euro pro Liter gestiegen und lag sogar zeitweise über dem Preis für Super. Viele Landkreise führten zu jener Zeit temporäre Spritzuschläge in den Taxitarifen ein.
Kaum war der neue Tarif im Landkreis Barnim in Kraft, begannen die Kraftstoffpreise langsam zu sinken – eine Entwicklung, die bis heute anhält und die Mehrheit der Taxiunternehmen im Landkreis Barnim zu der Einschätzung gebracht hat, dass trotz anderer steigender Betriebsausgaben eine Tariferhöhung in dem vom Landrat vorgesehenen Maße die Kundschaft zu sehr abschrecken würde.
Widerspruch aus der Bevölkerung waren die Politiker, wie Bachmann erzählt, nicht gewohnt, doch da hatten sie die Rechnung ohne das Taxigewerbe gemacht. Das Problem: Die Gutachter hatten die Taxibetriebe sehr wohl in ihre Erhebungen einbezogen, doch ihre empfohlene Erhöhung hätte den Tarif auf ein Spitzenniveau im Land Brandenburg getrieben.
Bernd Bachmann, 63, hat seine Wurzeln im Barnim und ist ein alter Hase im Taxigewerbe, auch was Gewerbepolitik betrifft. Seinen ersten Taxibetrieb gründete er 1987 im damaligen Landkreis Eberswalde. Schon damals war er gewerbepolitisch aktiv – als stellvertretender Vorsitzender der Berufsgruppe der privaten Taxiunternehmer im Landkreis. 1990, im Jahr der Wiedervereinigung, eröffnete er eine Niederlassung in Berlin-Karow und war damit nach eigenen Angaben der einzige Taxiunternehmer, der seinen Hauptwohnsitz in Brandenburg mit einem Taxibetrieb in Berlin hatte.
Wegen der Goldgräberstimmung in Berlin schloss er 1991 seinen Stammbetrieb im Barnim, um sich ganz auf das Berliner Geschäft zu konzentrieren, wenngleich er seinen Wohnsitz im Umland behielt. Da er den legendären West-Berliner „Innungs“-Vorsitzenden Heinz Peter bewunderte, der es nicht nur an die bundesdeutsche, sondern sogar an die internationale Spitze der Gewerbevertretungen gebracht hatte, trat Bachmann 1992 in die Taxi-„Innung“ ein, in der er bis heute Mitglied ist.
2021, als von der Goldgräberstimmung schon lange nichts mehr übrig war, beschloss Bachmann eine Rückkehr zu den Wurzeln, eröffnete eine Niederlassung in Bernau und schloss 2022 seinen Berliner Laden. Obwohl die „Innung“ eigentlich ein reiner Berliner Verband ist, nur noch einen Bruchteil ihrer einstigen politischen Bedeutung hat und für Brandenburg der Taxiverband Berlin, Brandenburg e. V. (TVB) die offizielle Gewerbevertretung ist, blieb Bachmann auch mit seinem heutigen Einwagenbetrieb „Innungs“-Mitglied, denn er hatte keine Lust, auf seine alten Tage seine „gewerbepolitische Heimat“ zu verlassen.
Mit der beabsichtigten Tariferhöhung im Landkreis Barnim waren viele Taxiunternehmer im Landkreis nicht einverstanden, und so wurde Bachmann, der durch seine langjährige Verbandsmitgliedschaft etwas von Gewerbepolitik versteht, zum Aktivisten. Wie er gegenüber Taxi Times berichtet, brachte er als Gewerbevertreter für Funktaxi Bernau in kurzer Zeit acht der neun Unternehmer aus Bernau und weitere im Landkreis hinter sich. Er suchte auch das Gespräch mit den Kreistagspolitikern – und stieß auf offene Ohren. Im Herbst 2024 sprach er mit zahlreichen Abgeordneten sämtlicher Fraktionen, die ihn schließlich mehrheitlich unterstützten. Auch die Behörden seien in der Regel kooperativ.
Die Gespräche nutzte Bachmann gleichzeitig, um die Politiker für das Problem Uber zu sensibilisieren. In Bernau bei Berlin und den umliegenden Gemeinden sind die Mietwagen präsent und treiben zunehmend auch vom Umland aus ihr Unwesen in der Hauptstadt, nachdem die dortige Genehmigungsbehörde seit 2024 Mietwagenbetriebe in Absprache mit der Berliner Behörde besser kontrolliert. „Jeder sollte wissen, dass das Geschäftsmodell Uber nur durch Ausbeutung, Schwarzarbeit und Verstöße gegen das PBefG funktioniert“, so Bachmann. Doch auch die Kreisverwaltung, die in den letzten Jahren Mietwagenunternehmern bereitwillig Genehmigungen für fünf Jahre erteilt hatte, erteilt seit Kurzem nur noch Konzessionen für zwei Jahre. Ende 2024 waren im Landkreis Barnim 108 Mietwagen von Uber-Partnern konzessioniert.
Bachmann hätte es begrüßt, wenn Landrat Daniel Kurth (SPD) und seine sechsköpfige Fraktion (die gegen eine Mehrheit von 14 Sitzen der AfD regiert) mehr auf die Betroffenen gehört hätten. „Schade, dass die Genehmigungsbehörde das Gespräch nicht gesucht hat. Es ist sehr wichtig, dass man im Kontakt steht und nicht nach Gutsherrenart regiert.“ Er räumt allerdings ein, dass die Mitwirkung des Gewerbes in der Phase des Gutachtens sich in Grenzen gehalten habe. Als sich letzten Herbst eine Mehrheit gegen die Tarifanpassung abzeichnete, zog der Landrat den Entwurf am 27.11.2024 vorerst zurück und verschob das Problem auf März 2025.
Bündnis 90/Grüne und AfD wollten dann sogar den Taxitarif im Landkreis aufspalten: Der nördliche Teil des Landkreises um die Kreisstadt Eberswalde, die über eine eigene Genehmigungsbehörde verfügt, sollte den höheren Tarif auch dann bekommen, wenn er für das südliche Kreisgebiet abgelehnt werden sollte. Zwei ortsansässige Unternehmerinnen hätten das laut Bachmann befürwortet. Der Antrag fand allerdings keine Mehrheit.
Der Landrat habe die Unternehmen mit der Ankündigung unter Druck gesetzt, im Falle einer Ablehnung der Tarifanpassung für die nächsten Jahre auf dem jetzigen Tarif sitzen zu bleiben. Doch die Mehrheit der Unternehmer einschließlich dem ebenfalls in Eberswalde ansässigen größten Gelegenheitsverkehrsunternehmer des Landkreises, Andreas Wutskowsky mit 14 Taxis und mehreren Bussen, blieben bei ihrer Ablehnung, und selbst innerhalb der SPD-Fraktion wuchsen die Gegenstimmen. Am Ende einer mehrstündigen Landratssitzung mit heftigen Debatten am 12. März wurde der Antrag schließlich abgelehnt – mit einer Mehrheit, die aus allen anwesenden Kreistagsangehörigen mit Ausnahme des Landrates bestand. ar
Beitragsfoto: Bernd Bachmann mit seinem Taxi (Foto: privat)
Solange die Pseudotaxis namens Mietwagen mit ihren kriminellen Dumpingpreisen beim Kunden immer noch den Eindruck erwecken, daß Taxis zu teuer sind, kann sogar das ein richtiger Schritt sein!
Trotzdem halte ich es für richtig, das Wirtschaftlichkeitsgutachten nicht zu verwerfen. Ich halte diese Aktion für eine sinnvolle Notwehrmassnahme im Überlebenskampf gegen unsere illegale Konkurrenz. Was aber nur befristet hilft. Nur Wirtschaftlichkeit auf mittlere und lange Sicht trägt.
Ein gut gemeintes Gutachten berücksichtigt leider nicht den Willen der Bevölkerung, ein Taxi zu nutzen oder aufgrund zu hoher Preise eben eher nicht. Taxibetriebe gehen in der Regel nicht an den schon recht hohen Bernauer Taxitarifen pleite sondern weil zu wenig Leute ein Taxi nutzen.
Die Genehmigungsbehörde und Landrat hätten auch gut daran getan, sich mit den mittlerweile über 100 Mietwagen zu beschäftigen statt diese einfach zuzulassen um in Bernau aber eben auch hauptsächlich in Berlin ihr Unwesen treiben zu lassen. Über einhundert Mietwagen stehen in keinem Verhältnis zu der Anzahl der Bernauer Taxen und den Berliner Taxifahrern schadet es immens wenn die Behörden aus dem gesamten Umland unkontrolliert MW zulässt und damit die mittlerweile gute Arbeit des Labo in Berlin sabotiert.
Es schon interessant wie Landrat Daniel Kurth Mitglied der SPD ist dem Taxigewerbe in Barnim in den Rücken fallen wollte, in dem er die Preise der Taxifahrten in die Höhe treibt wollte um dadurch ob beabsichtigt oder nicht dem App-basierenden Mietwagen eine leichtere Einkommensquelle zu ermöglichen wo wohl einige schon in Berlin gesichtet wurden mit BAR Kennzeichnen. Warum werden im Barnim App-basierende Mietwagen überhaupt noch zugelassen die dann nicht Landkreis ihrem Gewerbe nachgehen und auch nicht die Absicht haben ? Im eigentlichen sollte ihm schon zu Ohren gekommen sein sollte wie dieses sich App-basierenden Mietwagen Gewerbe verhält zum Teil höchst kriminell was Arbeitszeit und gesetzliche Bestimmungen wie Rückkehrpflicht, Mindestlohn, Steuerehrlichkeit usw. sehr flexibel und kreativ auslegen.
Das ist aber schon alles schon bekannt die durch Herrn Tino Schopf mit SPD Parteibuch hinreichend belegt ist, es wäre nun doch eine gute Möglichkeit mal über das Thema zu unterhalten zumal Daniel Kurth und Tino Schopf der gleiche Partei angehören.
Der Landrat im Landkreis Barnim muss, wenn er so großzügig Mietwagenkonzessionen rausgibt, auch seinen Pflichten nachkommen. Laut Paragraf 49 des Pbfg , muss ein Mietwagen nach Beendigung seines Fahrauftrages direkt zum Betriebssitz zurückkehren, es sei denn er hat direkt einen schriftlichen Folgeauftrag. Das nennt sich Rückkehrpflicht!!! Diese lässt sich dank der der Digitalisierung ganz einfach überprüfen. Die Mietwagen aus den Brandenburger Landkreisen, die für Uber, Bolt oder andere Vermittler fahren, sind überwiegend in Berlin unterwegs und warten nach jeder Fahrt irgendwo in der Stadt. Das ist jedesmal ein Verstoß gegen das Personbeförderungsgesetz !!!!
Liebe Behörden, wachen Sie auf und machen Ihre Arbeit!!