Niedersachsens Taxivertretung hat sich in dieser Woche vehement gegen die Anwendung des so genannten Tarifkorridors ausgesprochen und drastische Konsequenzen dargestellt. Doch ist dieses Szenario tatsächlich realistisch?
Ein Kommentar von Remmer Witte
Viel dürfte davon abhängig sein, wie die einzelnen Behörden die Option eines Tarifkorridors interpretieren wollen, denn es sind ja genau diese Behörden, die gemäß PBefG verpflichtet sind, stets auskömmliche Taxitarife festzulegen. Unter diese Regelung fallen dann auch die genannten Fest- oder Mindest- und Höchstpreise. Insofern ist der vorgegebene Spielraum mehr als eng, solange das örtliche Gewerbe sich zumindest halbwegs einig ist. Wenn nach wie vor Gutachten seitens der Behörden in Auftrag gegeben werden, die eben diese Auskömmlichkeit prüfen bzw. festlegen sollen, wäre jeder Korridor, der diese Werte maßgeblich unterschreitet, nicht gerichtsfest, auch wenn solch ein Gutachten vielleicht nur für die Nachbargemeinde existiert. Die Gutachten aber orientieren sich meist am finanziellen Minimalbedarf und lassen gerade deshalb keine Mischkalkulation zu.
Der Appell der Verbände richtet sich somit wohl vor allem an die eigenen Mitglieder, die nicht der Versuchung erliegen sollten, einen Wettbewerb um ihre regionalen Kunden zu ermöglichen. Wenn über 90 Prozent der Kosten für ein Unternehmen durch Mindestlohn, Treibstoffpreise oder Fahrzeugkosten mehr oder weniger unveränderbar sind, kann jeder Preiswettbewerb eine Branche nur zusätzlich beschädigen oder zurück in die Grauzone treiben. Dies ist vielen Genehmigungsbehörden vielleicht sogar viel klarer als dem Gewerbe selbst.
Verwunderlich bleibt jedoch, dass die Branche die Chance, die in dieser Neuregelung steckt, nicht zu ergreifen scheint. Sowohl Großkunden als auch benannte Omas und Opas irritiert oder nervt beim Taxi doch vor allem, dass im Voraus stets nur ein ungefährer Fahrpreis benannt werden kann. Beide gestehen der Branche dabei durchaus zu, dass eine Taxifahrt selten wie ein Schnäppchen wirkt und haben auch wenig Interesse, die genaue Fahrpreisermittlung wirklich nachvollziehen zu können. Sie wünschen sich einfach nur, dass sie schon bei der Taxi-Bestellung einen Fahrpreis erfahren, ohne im Taxi selbst dann mit bangem Blick den ratternden Taxameter beobachten oder auch die Ortskenntnis des Fahrpersonals kontrollieren zu müssen.
Wenn eine bestimmte Fahrstrecke immer zwischen achtzehn und zwanzig Euro kostet, wollen die Kunden davor gefeit sein, dass sie mit einem Mal fünfundzwanzig Euro dafür berappen müssen, nur weil Umwege gemäß Fahrzeit oder -strecke realisiert wurden. Ergibt also ein behördlich vorgegebener Algorithmus 19,70 Euro für diese Fahrstrecke zu dieser Tageszeit, so akzeptieren die Kunden diesen Fahrpreis gern als Festpreis, auch wenn die tatsächliche Fahrt gemäß Taxameter vielleicht sogar etwas günstiger geworden wäre.
Diese Möglichkeit birgt den eigentlichen Charme des neuen Tarifkorridors, denn hier ermöglicht er Wettbewerbsfähigkeit mit den Mitbewerbern, die genau diese Verlässlichkeit nutzen und kollidiert auch nicht mit der Auskömmlichkeit der Tarife.
Gibt ein Tarif also eine Zeit- und eine Streckenkomponente vor und legt zusätzlich fest, dass die zu berechnende Fahrstrecke und Fahrzeit sowohl über den Taxameter im Fahrzeug als auch – ausschließlich bei Bestellfahrten – tageszeitgemäß von Google-Maps festgelegt werden darf, dann gibt er so einen Tarifkorridor vor und verhindert gleichzeitig, dass der Fahrpreis im Fahrzeug zwischen Fahrgast und Fahrpersonal ausgehandelt werden kann, da dieser Korridor nur bei Vorbestellungen zur Anwendung kommen kann. Die Kunden werden begeistert sein. rw