Vor sechs Jahren waren Taxi-Apps noch „Gelbe Seiten“ auf dem Smartphone. Seitdem hat sich die Technik in Schallgeschwindigkeit weiterentwickelt. Das weckte neue Kundenbedürfnisse und lockte externe Anbieter mit einfachen Ideen und wirtschaftsliberalen Ideologien auf den Markt. Eine Zeitreise.
Praktisch über Nacht sind die Taxi-Branche oder vielmehr die Smartphone-Apps für Taxifahrer und Taxinutzer zum Lieblingsthema der Medien avanciert. The Economist, Businessweek, New York Times – es vergeht kaum ein Monat ohne eine groß aufgemachte Story. Entweder geht es um die sehr großzügige Finanzierung neuer Apps oder um den Widerstand, den sie in der manchmal doch recht verschnarchten Taxi-Branche hervorruft, die ihr Geschäft betreibt wie seit eh und je: nach ihren eigenen Bedingungen und lokal. Mit der neuesten App-Generation weitet sich der Konkurrenzkampf international aus. Und das eher lokale Taxi-Gewerbe rauft sich die Haare und weiß nicht, wie der Entwicklung zu begegnen ist.
Eine neue App-Generation, die auch einen Preisvergleich ermöglicht, käme der Branche durchaus gelegen, wenn der Kunde nur erkennen würde, dass ein gerufenes oder via App bestelltes Taxi oder Mietwagen im Hinblick auf Preis und Qualität keine schlechte Wahl wäre. Taxi-Apps 1.0 Allein in den letzten zwei Jahren ist die Anzahl der Taxi-Apps gigantisch in die Höhe geschnellt. Die ersten Taxi-Apps standen technologisch nie an der Spitze. Ihre langsame Entwicklung vollzog sich im Fahrwasser vieler anderer Apps; ihre Auswirkung war jedoch enorm.
Die neusten Apps erschüttern die Branche in ihren Grundfesten – und nicht nur deshalb, weil sie die Möglichkeit eines halblegalen billigen Car-Sharings bieten, sondern auch auf vollkommen legalem Weg, indem sie den Ruf- oder Bestellvorgang neu erfinden. Innerhalb eines Zeitraums von sechs Jahren haben die Apps die Taxi-Landschaft völlig neu gestaltet. Diese Anstöße kamen sowohl von außerhalb der Branche als auch aus der Branche selbst, da viele der frühen Apps von Einzelpersonen oder Gesellschaften entwickelt wurden, die der Branche nahestanden. Hailo, MyTaxi, GetTaxi und TaxiMagic (seit 2007) sind gute Beispiele für solche frühen Pionierleistungen. Die nachfolgenden Hunderte von Apps, White-Label-Produkte, wollten zwar mitmischen, boten aber nicht immer dieselbe zuverlässige Qualität wie die Marken-Apps (wie Lyft und Uber).
Technologie und Ideologie
Eine Chronologie der Taxi-Apps ist gar nicht so leicht zu erstellen. Vor ungefähr sechs Jahren sind die ersten Taxi-Apps aufgekommen, mitsamt den Smartphones. Verglichen mit den schlanken Versionen von heute waren die damaligen Apps sperrig und enthielten in der Regel nicht mehr als ein Verzeichnis der Taxiunternehmen in einer Art von Gelbe-Seiten-Format. Man konnte alle Unternehmen anrufen oder mit ihnen verbunden werden.
Diese Phase (Taxi-Apps 1.0) währte nur kurz. Taxi -Apps 2.0 und mehr TAXI Juni / 2014 11 Zeitreise Schon bald gab es eine App, die den Nutzer mit einem bestimmten Taxiunternehmen verband, und wenig später war „tap to hail“ der große Hit: Mit der App konnte man ein Taxi rufen, das man entweder aus der gesamten verfügbaren Flotte oder (mit einer Unternehmens- oder Branchen-App) aus einer sorgfältig zusammengestellten Gruppe (verbundene Unternehmen) auswählte. So funktionierte TaxiMagic, ein Frühentwickler in diesem Bereich, dessen Wachstum auf „friendly fleets“ gestützt war. Es kamen nicht nur allgemeine Unternehmens-Apps auf den Markt, die den Kunden per Funk mit dem Taxi oder mit einem Unternehmen verbanden. Die Taxi-Apps MyTaxi und Hailo brüsteten sich damit, dass sie den Kunden mit dem Fahrer verbinden würden, womit sie in vielen Ländern die Lunte an die Funkstruktur legten.
Fahrer zahlen in der Regel 10 % der Fahrt an das App- Unternehmen. In Nullkommanichts waren 60 % der Londoner „Black Cab“-Fahrer bei Hailo angemeldet. Ursprünglich proklamierte sich Hailo zum Freund der Black Cabs, der Kunden dem Mietwagenmarkt entzog und sie den Black Cabs zuführte. Und es ist noch gar nicht so lange her, dass Hailo verkündete, auch Mietfahrer einstellen zu wollen.
Eigenmarke
Viele Unternehmen ließen es sich nicht nehmen, eigene Apps auf den Markt zu bringen, die aber an die marktbeherrschenden Apps nicht heranreichten. IT-Startups wie Uber, Lyft und Sidecar – die ihren Ursprung in den USA und insbesondere im Umland von San Francisco haben und starken Rückhalt durch Venture-Kapitalgeber genießen – haben seit 2009 der Entwicklung eine neue Richtung verliehen: Sie bezeichneten sich selbst als „disruptiv“ (was sich durchaus mit „zerstörerisch“ übersetzen lässt) und trachteten danach, die Taxi- und Mietwagenbranche aus ihren regulatorischen Angeln zu heben.
Nicht nur, dass ihre Apps und Aktivitäten anfänglich auf die Mietwagenunternehmen zielten (zum Beispiel UberBlack in der „Black Car“-Branche), vielmehr lancierten sie sogar ein privates Mitfahrsystem, das sich eindeutig im regulatorischen Graubereich befand. Ihr Anspruch war simpel: „Es gibt einen Bedarf an IT-gestütztem Transport, der nicht in den regulatorischen Rahmen hineinpasst. Also muss man das System ändern.“
An diesem Punkt gaben sich Technologie und Ideologie ein Stelldichein, denn die IT-Startups sind zweifellos dem wirtschaftlich liberalen Denken verhaftet. Das führte zu heftigsten Konfrontationen mit den von ihnen als obsolet angesehen Branchen: das Taxi- und die Mietwagengewerbe. Und ein ausgeprägtes Gewinnstreben war natürlich auch im Spiel.
Kooperation
Die Taxi-Branche hat indes nicht die Hände in den Schoß gelegt. Nach dem Vorbild von G7, dem größten Taxi-Unternehmen in Paris, wurde E-cab gegründet, ein in Dublin ansässiges und nunmehr eigenständiges Unternehmen.
E-cab ist eine der ersten internationalen Taxi-Apps, die aus der Branche hervorgegangen sind und ihre Stärkung auf internationaler Ebene bezwecken sollen. Taxi.eu bietet dieselbe Plattform, ist aber, anders als Ecab, an die technologische Plattform des FMS-Systems gebunden, mit Software und Hardware in mehr als 110 europäischen Städten. Immer mehr Taxi-Unternehmen und Funksysteme mit den ihnen angeschlossenen Fahrern sind bei diesen Systemen angemeldet. Dabei werden eigene lokalen Marken und Apps vermarktet.
Technologie
Um sich als Dienstleister zu diversifizieren, nehmen verschiedene App-Unternehmen wie MyTaxi und Uber Lieferdienste hinzu. Über kurz oder lang werden App-Unternehmen ihre umfassenden Datenbanken anzapfen, um andere (Transport-)Dienstleistungen auf den Weg zu bringen. Auf Grund der hohen Datenmenge, die von den Apps generiert wird, können die App-Unternehmen eine gute Qualität bieten und die Erbringung einwandfreier Leistungen überwachen. Doch wir wollen die rein technologische Seite nicht außer Betracht lassen: Wie sieht eine App der jüngsten Generation aus?
– Ein effektives GPS-Tool mit geeigneten Algorithmen ist erforderlich, um die genaue Position des Kunden im Verhältnis zur Position des Taxis oder der Taxen zu berechnen.
– Live Tracking auf einer Karte ist längst keine Spielerei mehr. Der Kunde möchte die Anfahrt seines Taxis verfolgen können.
– Es besteht die Möglichkeit der Vorabbuchung, der Mehrfachbestellung und der Bestellung von Taxen spezieller Art.
– Es gibt eine Art Taxi-Radar: ein Überblick über die in der Nähe verfügbaren Taxen.
– Detailinformationen zum Fahrer: Foto, Name, Telefonnummer (für Anfragen) und seine durchschnittliche Beurteilung.
– Qualitätsbeurteilung: Sobald die Fahrt beendet ist, kann der Fahrgast den Fahrer anhand eines Sternesystems beurteilen. Bevorzugte Fahrer können gespeichert werden.
– Ein zuverlässiges Zahlungssystem via App: mit Karte oder durch Überweisung und in einigen Fällen in Verbindung mit Bonus- Flugmeilen.
– Einige Apps können – Cloud-basiert – zur Entsendung anderer Taxis verwendet werden.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die von den IT-Unternehmen selbst ersonnenen Verbesserungen (wie zum Beispiel das Surge Pricing von Uber, bei dem sich die Preise nach dem Wetter und nach dem prognostizierten Taxenangebot richten) der einer App einen Vorteil gegenüber einer anderen verleihen können. Angesichts der internationalen Verbreitung von Taxi-Apps stellt sich die Frage, ob es einer App (mit Android oder iOS-Betriebssystemen) jemals gelingen wird, eine globale Dominanz zu erlangen.
Es dürfte auch interessant sein zu verfolgen, ob zum Beispiel chinesische Apps demnächst mitmischen werden. Die meisten Taxi- Regulierer und Branchenexperten erwarten eine Periode intensiven Wettbewerbs, bevor sich möglicherweise ein gewisses Gleichgewicht einpendeln wird. Die Frage ist nur, ob die Taxi-Branche je wieder Oberwasser erlangen wird.