Während der diesjährigen Internationalen Filmfestspiele in Berlin, die ernuet von Uber gesponsert werden, veranstaltet ein Berliner Taxifahrer sein eigenes Festival: In einem Taxi kann ein kleines Publikum Taxi-Filme sehen.
Diese Meldung ist am 14.2.2024 aktualisiert worden. Siehe unten.
„Die Berlinale gibt Taxis keinen Raum. Also veranstalten wir unser eigenes Festival.“ Das ist die Grundaussage zum Taxi-Film-Festival von Klaus Meier. Den Uber-Sponsorengeld-seligen Veranstaltern der Berliner Filmfestspiele geht das Taxigewerbe offenkundig am Allerwertesten vorbei. Für Meier beruht das auf Gegenseitigkeit. Der Fahrer, der sich als „Berliner Taxi-Soziallotse“ beim Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise e. V. (BALZ) neu erfunden hat sich unter anderem für soziale Gerechtigkeit einsetzt und Fahrer zu sozial- und arbeitsrechtliche Beratungs- und Hilfsangeboten berät, hat für sich beschlossen: Wenn Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Berlinale-Chefin Mariëtte Rissenbeek nicht davon zu überzeugen sind, dass ein Konzern, der für Ausbeutung und systematische Rechtsverstöße steht, kein so gut geeigneter Berlinale-Partner ist, dann muss man dem großen Festival etwas entgegensetzen.
Das war schon bei der Berlinale im letzten Jahr so: Meier hielt gemeinsam mit Gewerkschaftskollegen eine kleine Kundgebung ab, indem er in der Nähe des roten Teppichs gegen die Partnerschaft mit Uber demonstrierte – und die Gewerkschaftskollegen gegen fragwürdige Arbeitsbedingungen in der Film- und Kinobranche. „Uber tötet Taxifahrer“ und „Uber finanziert schlechte Filme“ stand – dem internationalen Publikum zuliebe auf englisch – unter anderem auf seinen Plakaten.
Schon vor der Berlinale 2023 hatten Vertreter des Taxigewerbes mit der Geschäftsführung der Berliner Filmfestspiele gesprochen und erklärt, warum die Zusammenarbeit mit einem Konzern wie Uber der Stadt nicht gut zu Gesicht steht. Auch Taxi Times schickte unter anderem dem Kulturstaatsministerium ein längeres Schreiben mit zahlreichen Links, aus denen hervorgeht, dass man sich mit einem solchen Partner alles andere als ein gutes Image beschert. Das gleiche bekräftigten auch Vertreter der Berliner Taxi-„Innung“ und des Taxi- und Mietwagenverbands Deutschland e. V. (TMV) bei einem Gespräch im November noch einmal. Ergebnis: Da Uber 600.000 Euro spendiert, nimmt man den Konzern mit Kusshand wieder als Sponsor und Partner und bietet ihm eine Kulisse, vor der er weltweit glänzen kann.
Nachdem Meier 2023 mit seiner Kundgebung erwartungsgemäß nicht besonders große Beachtung beim Berlinale-Publikum gefunden hatte, überlegte er sich für die kommenden Festspiele, die am kommenden Donnerstag beginnen, etwas Neues: Auf dem „Boulevard der Stars“ nahe dem Potsdamer Platz und dem Marlene-Dietrich-Platz, in dessen Umgebung sich die Veranstaltung schwerpunktmäßig abspielt, wird ein eigenes kleines Filmfestival veranstaltet, indem den Zuschauern in einem beheizten Großraumtaxi Filme gezeigt werden, die jeweils etwas mit dem Thema Taxi zu tun haben. Damit wolle man auch, wie Meier selbstbewusst schreibt, Filmfans, Schauspieler, Regisseure und Produzenten aus aller Welt, die nicht wegen des Taxi-Filmfestivals nach Berlin kommen würden, darauf aufmerksam machen, dass das Taxi ein wichtiger Teil der Kultur in der ganzen Welt sei.
Auf der Internetseite www.taxifilmfest.de heißt es: „Taxis und Film sind Kinder des Fortschritts von Technologie, von Traum und Wirklichkeit. Deshalb gibt es Taxis in so vielen Filmen. Sie sind Ausgangs- und Wendepunkt von Geschichten. In einigen Filme steht das Taxi im Mittelpunkt.“ Das Taxi-Filmfest zeige den menschlichen und kulturellen Reichtum, den die Kollegen „täglich am Steuer schaffen“. Diese Kultur werde weltweit von monopolistischen Plattformen angegriffen, weshalb die am Festival Beteiligten „sich gegen materielle und künstlerische Verarmung“ wehren. Das Festival zeige einen Blick auf eine Welt, in der „alle gut von ihrer Arbeit leben können“, einen „Ort der Begegnung und Kultur“. Man wolle sich „anschauen, wie Kino und TV uns darstellen und gemeinsam eine schöne Zeit haben“ und außerdem „darüber sprechen, wie das Taxi der Zukunft aussieht und funktioniert“.
Da von der Idee bis zum Start des Festivals nur zwei Monate Zeit blieben, verzichtete Meier auf „alles, was Geld kostet und zu viel Arbeit macht“, wie er Taxi Times gegenüber erzählt. Das „TaxiFilmFest“ ist nach dem Vorbild der Loveparade als Kundgebung angemeldet und mit der zuständigen Versammlungsbehörde abgestimmt. Das bedeutet gemäß Paragraph 15 des des Urheberrechtsgesetzes, dass der Kreis der Zuschauer, die im Taxi Filme sehen, sich auf Personen beschränken muss, die mit ihm und seinen Freunden „durch persönliche Beziehungen verbunden“ sind. Für die „Friends of Taxi“, abgekürzt FoT, findet es daher als Privatveranstaltung unter Freunden statt. Nach ist es eine Kundgebung. Feinde des Taxis, „Enemies of Taxi“, abgekürzt EoT, zu denen Meier unter anderem Volltrunkene und Mörder zählt, müssen draußen bleiben.
Auf der Internetseite nimmt Meier auch per Formular Vorschläge für Filme entgegen, die bei dem kleinen Festival gezeigt werden sollen.
Als ehemaliger Mitarbeiter von VideoFest und Transmediale weiß Meier, wie man sich Partner ins Boot holt. Unterstützt wird sein Vorhaben laut seiner Internetseite neben ver.di Berlin-Brandenburg auch von Taxi Deutschland Berlin e. V., der Innung des Berliner Taxigewerbes e. V., dem BALZ, einer AG Taxi „u.v.m.“.
Da die Zielgruppe für Taxi-Filme kleiner ist als die der Berlinale, sieht Meier kein Problem in der begrenzten Zahl an Zuschauerplätzen im „Kino auf vier Rädern“ – auf die das Festival sich gar nicht beschränkt, denn das Taxi-Filmfest sei ein „Festival zum Selbermachen“, zu dem alle Kollegen und Freunde weltweit eingeladen seien: „Wir laden Euch ein, mit uns über die ausgewählten Filme, Eure Arbeit und Euer Leben zu diskutieren, wo auch immer Ihr seid. Wir in Berlin tun es im Taxi, und Ihr sucht Euch den besten Platz selbst aus. Vielleicht ist es bei Euch wärmer als im kalten und nassen Berliner Februar, und Ihr setzt Euch zum Filmegucken an den Strand. Wir laden Euch ein, mit uns per Videokonferenz über Filme und unsere Arbeit, das Taxifahren, zu sprechen.“
Das noch im Aufbau befindliche Programm und die Liste der vorgesehenen Filme sind auf Meiers Internetseite www.taxifilmfest.de zu erfahren. ar
Aktualisierung vom 14.2.2024: Parallel zu Taxi Times hat auch die freie Redakteurin Petra Gute vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) sich mit Klaus Meier und dem Taxi-Film-Festival befasst und einen sehenswerten Beitrag für die „Abendschau“ produziert:
https://www.rbb-online.de/abendschau/videos/20240214_1930.html – Bei Minute 24:28 beginnt die Anmoderation der Reportage.
Beitragsbild: Motiv der Website zum „TaxiFilmFestival“; Hintergrundbild: Taxihalte Europacenter mit Gedächtniskirche, Nacht – Lizenz CC-BY – von Till Krech https://www.flickr.com/photos/extranoise; weitere Fotos: Axel Rühle
Hintergrundbild ist die alte taxihalte KaDeWe! europacenter hatte nie eine rufsäule. Das Sterben der Taxiihalten kommt noch zu uber bolt und freenow dazu. Manche Baustadtträte sind im Leben noch nie mit einem Taxi nachhause gefahren. KaDeWe hatte mal 20 bis 25
Stellplätze! Heute nur noch 4 !! europacenter ist meistens
zugeparkt. Ich wünsche den taxifilmfest viel Erfolg. gerd
Bravo!!!