Die Selbstzerfleischung der SPD und die vernichtende, aber journalistisch unsaubere Kritik am Taxigewerbe in einem Zeitungsbeitrag der FAZ zeigen, dass die Taxibranche nicht müde werden darf, die Diskussion wieder und wieder zu führen.
Im Kampf des Taxigewerbes um die Erhaltung seiner Existenz greift man aktuell vermehrt auf Vergleiche mit der Tierwelt zurück. Die Taxi-Mahnwachen der letzten Wochen wurden nach dem Hase-und-Igel-Prinzip durchgeführt. Wo auch immer eine Partei tagte oder sich zu Kundgebungen traf, sollte das Taxigewerbe schon vorher da sein. So wie in der Fabel der Igel immer schneller am Zielpunkt war als der sich abhetzende Hase. Das funktionierte ganz hervorragend in Schönefeld, Potsdam oder Heidelberg, mit Abstrichen auch in Düsseldorf, Freiburg und München.
Für die aktuelle Situation erweist sich ein weiterer Tiervergleich als passend – der des Hamsters, der im gleichnamigen Rad nicht so recht vorwärtskommt. Er rennt im Kreis und könnte am Ende doch wieder am Anfang stehen. So muss sich die Taxibranche aktuell fühlen, wenn sie das Theater innerhalb der SPD verfolgt. Ausgerechnet jene Partei zerfleischt sich aktuell selbst, die wie keine andere die Argumente der Taxibranche nicht nur verstanden, sondern sie sogar bis in die Parteispitze angenommen hat.
Bestes Beispiel war die Taxi-Mahnwache in Heidelberg, als sich die dortigen Taxivertreter im Vorfeld mit Frau Nahles treffen konnten und klare Unterstützung zugesagt bekam. Das war noch vor der Europawahl und Nahles war damals sowohl Partei- als auch Fraktionsvorsitzende der SPD.
Keine zwei Wochen später ist Frau Nahles politisch gesehen „weg vom Fenster“ und mit ihrem Ämterrücktritt auch die Diskussion neu entflammt, ob die Partei nicht auch die GroKo verlassen und damit die Regierungsverantwortung wieder abgeben sollte.
Für die bevorstehende Änderung des PBefG würde dies bedeuten, dass die Taxibranche einen wichtigen Verfechter seiner Interessen verlieren würde. Wenn stattdessen doch noch eine Ampelkoalition entstehen würde, würden über das künftige PBefG die CDU mit den Grünen und der FDP entscheiden. Vielleicht würde das Verkehrsministerium dann sogar von einem FDP-Minister geführt werden. Was bedeutet das für das Taxigewerbe?
Die CDU/CSU-Fraktion scheint vereinzelt auf der Taxiseite zu stehen, verschanzt sich mehrheitlich jedoch hinter den Allgemeinplätzen, dass man Taxi als Daseinsvorsorge erhalten wolle, glaubt aber als von der Automobilindustrie beeinflusste Partei nach wie vor, dass dies mit einer Zugangserleichterung für Moia, CleverShuttle, Berlkönig & Co. vereinbar sei. Rationelle Überlegungen scheinen da keinen Platz zu haben. Solche wären beispielsweise vom PBefG-Experten Michael Donth zu erwarten, doch der CDU-Mann hält sich seit Wochen öffentlich zurück.
Die Grünen, deren eindeutiges Umweltprofil bei der Europawahl zum Tragen kam, scheinen beim Thema PBefG eher eine Profilneurose zu haben. Eine klare Parteiposition ist nicht zu erkennen, die mit der Thematik befassten Politiker äußern sich allzu oft sehr ausweichend.
Bleibt noch die FDP, doch die ist gegenüber der Taxi-Argumentation völlig beratungsresistent, was exemplarisch für die ganze Partei die Äußerungen von Daniela Kluckert belegen. Von einer Partei, aus deren Reihen der aktuelle Chef-Lobbyist von Uber stammt, ist wohl auch nichts anderes zu erwarten.
Umso wichtiger ist es, neben der Politik auch die Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen – und als deren Meinungsbildner die Journalisten. Die komplexe Thematik der Rückkehrpflicht wird medial inzwischen mehrheitlich sachlich korrekt wiedergegeben. Nur mäßig erfolgreich waren hingegen bisher die Aufklärungsversuche, dass eine Liberalisierung zwar der Taxibranche schadet, ein Zusammenbruch des regulierten Taxiverkehrs aber vor allen eines bewirkt: Ein wichtiger Stützpfeiler der bezahlbaren und verlässlichen 24/7-Mobilitätsversorgung würde damit mittelfristig wegfallen.
Diesen Aspekt haben viele noch nicht erkannt, leider auch nicht der Journalist Rainer Hank, der vergangene Woche in der Frankfurter Allgemeinen (FAZ) eine vernichtende, aber journalistisch leider auch fragwürdigen Kolumne zum Taxigewerbe verfasst hat. Hank berichtet darin von seinem ersten Fahrerlebnis mit Uber. Ahmed hieß sein Fahrer, und obwohl bei dieser Fahrt lange nicht alles passte, sieht er Uber als sein Personenbeförderungsmittel der Zukunft und Ahmed als seinen neuen Stammfahrer. Und warum? Weil Hank, wie er schreibt, auf das herkömmliche Beförderungsgewerbe derzeit nicht gut zu sprechen sei: „Jüngst in Berlin hat ein sogenannter Taxistreik von über 800 gelben Wagen nebst Hup-Korso mich in erheblichen Stress versetzt: Von Chaos nicht nur am Flughafen Tegel, sondern in der ganzen Stadt schrieb tags darauf die ‚Berliner Morgenpost‘. Ich kann es bestätigen.“ Auch in Frankfurt am Main sei es ihm am 23. Mai so ergangen, weshalb er zu der Schlussfolgerung komme: „Wenn Taxifahrer mich gewinnen wollen, indem sie mich als Kunden bestreiken und dann auch noch die Stadt so verstopfen, dass andere Beförderungsmöglichkeiten erschwert werden, dann haben sie mich verloren.“
Nun, Herr Hank dürfte im Leben nicht mehr weit kommen, wenn er alles generalboykottiert, worüber er sich irgendwann einmal ärgern musste. Ob er auch Lufthansa und den Öffis den Rücken gekehrt hat, als dort gestreikt wurde? Ob er bestimmte Fahrzeughersteller wegen Schummelsoftware links liegen lässt? Viele Mobilitätsvarianten bleiben bei dieser Geisteshaltung nicht mehr übrig.
Schade, dass Rainer Hank nicht verstanden hat, dass zehntausende Taxifahrer und Unternehmer nicht nur um ihrer selbst willen, sondern auch für den Journalisten und gelegentlichen Taxinutzer Hank an diesem Tag demonstriert haben. Damit er eben die wenigen Male, an denen er ein Taxi braucht, auch tatsächlich noch eines bekommt. Ein Taxi, das auch eine kurze Strecke fährt, eines, das auch im ländlichen Bereich verfügbar ist und dessen Preis nicht nach oben durchbricht, wenn dummerweise zum Zeitpunkt der Bestellung gerade Messe oder Silvester ist, oder es auch einfach nur mal stark regnet, was bei Hank der Moment ist, bei dem er laut eigener Aussage sein Fahrrad stehen lässt.
Die Gewerbevertreter betonen dies immer wieder, auch bei öffentlichen Auftritten und deshalb auch bei Taxi Times nachzulesen. Und trotzdem lässt es sich nicht vermeiden, dass ein recherchefauler Journalist davon nichts mitbekommt. Also muss man es immer wieder erwähnen, wie ein Hamster im Rad: Ein Taxiunternehmer, dessen Fahrzeug inklusive Fahrpersonal aufgrund seiner Betriebspflicht auch zu wenig lukrativen Zeiten zur Verfügung steht (zum immer gleichen Preis), muss dies dadurch kompensieren können, dass es zu Stoßzeiten genügend Fahrten durchführt. Wenn aber genau dann andere Wettbewerber am Markt am Kuchen mitessen, dann geht diese Mischkalkulation nicht mehr auf und es gibt keine Taxis mehr. So einfach ist das und muss trotzdem immer wieder betont werden.
Weiteres Beispiel gefällig? Die Rückkehrpflicht! Herr Hank hat sich dazu schlau gemacht, befindet sich allerdings auf einem sehr zurückgebliebenen Wissensstand. „Solche gesetzlich verpflichtenden Leerfahrten sind nämlich nicht nur teuer, sondern auch ziemlicher ökologischer Unfug“, schreibt Hank. „Eine Aufhebung der Rückkehrpflicht würde Emissionen von jährlich mindestens 30.000 Tonnen CO2 einsparen, hat das Prognos-Institut errechnet.“ Dass diese Argumentation immer wieder auftaucht, bringt mit dem täglich grüßenden Murmeltier ein weiteres Wesen aus der Tierwelt ins Spiel. Also muss das Taxigewerbe auch hier weiterhin am Hamsterrad drehen und zum gefühlt dreitausendvierhundertzweiundachzigsten mal aufklären.
Für die Notwendigkeit der Rückkehrpflicht für Ahmeds Uber-Mietwagen gibt es eine einfache und eine komplexe Erklärung. Zuerst die Einfache: Ahmed ist nur dann in seinem Mietwagen zur Rückkehr an den Firmensitz seines Unternehmers verpflichtet, wenn er keinen weiteren Auftrag nach Abschluss seiner Fahrt hat. Denn wenn er nicht zur Rückkehr verpflichtet wäre, müsste er trotzdem irgendwohin fahren. Taxis fahren in diesem Fall nur wenige Meter zum nächstgelegenen behördlich zugewiesenen Halteplatz. Ahmed hingegen kreist solange durch die Straßen, bis ihm seine Uber-App wieder eine Abholadresse für den nächsten Fahrgast zuweist.
Und selbst wenn Ahmed nicht kreist, sondern irgendwo einen Parkplatz ansteuert, dann blockiert er einen Parkplatz für einen Privatfahrer, der dann seinerseits – kräftig CO2-ausstoßend – noch dreimal um den Block fahren muss. Beide Phänomene verursachen also Staus und viel CO2-Ausstoß, vor allem in den Innenstädten, was zahlreiche – diesmal allerdings unabhängige Studien – schon lange beweisen. Die bekannteste davon ist die Schaller-Studie. Schade, dass Herr Hank davon noch nichts mitbekommen hat.
Die Branche wird also weiterhin am Hamsterrad drehen müssen und sollte dabei auch die komplexe Erklärung zur Rückkehrpflicht nicht scheuen. Wenn Ahmed in seinem Uber-Mietwagen nicht mehr zurückkehren muss, bleibt er möglichst in den Gebieten stehen, wo er bald die nächste Kundenbestellung erwartet. Er ist dann in 2-3 Minuten verfügbar, was besagten Kunden natürlich freut. Und wenn Ahmed weiter weg ist, steht dafür Murat, Horst, Dimitri, Pavel oder Erol gleich um die Ecke. Als „Mietwagen on demand“ betreibt Ahmed somit taxiähnlichen Verkehr – er unterscheidet sich von einem Taxi aber weiterhin durch seine freie Preisgestaltung und auch darin, dass er nicht wie Taxis zur Beförderung verpflichtet ist. Um diese Ungleichheit auszugleichen, hat der Gesetzgeber neben anderen Regelungen auch die Rückkehrpflicht eingeführt.
Sie ist nur ein Baustein im Gesamtkonstrukt des PBefG, aber sie ist eine tragende Säule. Nimmt man sie weg, stürzen auch andere Säulen ein. Die Tarifpflicht, die Beförderungspflicht, die Betriebspflicht. Alles Merkmale, ohne die es kein klassisches Taxi mehr gäbe. Die Alternative wären shareholdergestützte Mietwagendienste, die nur dann und nur dort fahren, wo es sich finanziell lohnt. Oma Erna fällt dann durch das Raster, weil ihre Fahrt zum Arzt zu kurz ist und weil sie weder per Smartphone bestellen noch per hinterlegter Kreditkarte bezahlen kann. Für Oma Ernas Mobilität muss dann letztlich der Staat kostspielig sorgen. Ist das gewollt?
So einfach diese Argumentationskette auch aufgebaut ist, so eindeutig macht sie auch klar, dass die Frage der Rückkehrpflicht zwangsläufig in eine gesellschaftliche Grundsatzdiskussion mündet. Das Taxigewerbe steckt mittendrin in der Diskussion. Die SPD (und auch die Linke) haben die Grundthesen schon verstanden, bei Rainer Hank wird es noch dauern. Das Hamsterrad wird sich noch oft drehen müssen. Trotzdem darf man die Mühe nicht scheuen, sonst kann es passieren, dass ein weiteres, letztes Tier die Situation des Taxigewerbes beschreiben muss: der Dinosaurier. jh
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Bin begeistert von der schlüssigen, humorvollen und (tier-)fabelhaften Argumentation des Artikels und werde ihn massenhaft teilen!
Der TT-Artikel trifft den Nagel auf den Kopf. Zum Artikel des Herrn Hank wäre noch zu sagen, dass in den Leserkommentaren zu ca. 90% die Leserschaft auf der Seite des Taxigewerbes war. Besonders die von dem Journalisten kritisierte Demonstration wurde vielfach beanstandet, denn auch Taxifahrer haben ein Recht darauf, auf Missstände und Probleme mit Demos oder Streiks zu reagieren.
Ohne Taxis wird es keine Garantie mehr geben, das Jeder rechtzeitig zu seinem Arzt oder Krankengymnasten etc. kommt. Das muss man immer wieder ins Bewußtsein der Leute bringen. Wenn die Deutsche Bahn nur noch die rentablen Strecken bedienen würde, wäre so manche Kleinstadt für viele Menschen nicht mehr erreichbar. Wenn die Mobilfunkanbieter nur noch da ihr Netz auf- bzw ausbauen, wo sie Gewinn erzielen können, ist es das Gleiche. Diese Gegende hätten es extrem schwer neue Gewerbebetriebe zu gewinnen. Auch die Post würde gerne so manche Filiale schliessen weil sie nur noch Verluste macht. Aber die weniger mobilen Menschen hätten das nachsehen.
Der populistische Beitrag von Herrn Hank ist auch ein Ausdruck unserer medialen Freiheit. Die nimmt er als Journalist auch selbstverständlich in Anspruch. Ein wichtiger Bestandteil unserer Demokratie. Genau wie dass Recht auf freie Meinungsäußerung mittels eines Streiks. Gerade auch für die Demokratie muss ständig gerungen werden. Wie im Hamsterrad…
Ich grüße Sie ganz herzlich,ein herrlicher Artikel. Das sind die Lobbyisten fürs habgier Kapitalisten,deren Aufgabe ist Mittelschicht kaputt zu machen. Immer mehr Gewinnmaximierung, immer mehr Sklaven ,daß sie für die für einen Apfel und Ei arbeiten. Danke Metin Caglar Düsseldorf
Liebes TT Team bitte schickt doch den Honk, äh Pardon Hank eine Kopie Eures Berichtes. Das wäre ein tolles Geschenk zum Ramadan für mich und sicher auch für viele andere Kollegen. Danke und LG an Euch und den Herrn Honk, äh Pardon wie hieß der Nochmal?
Das haben wohl schon viele Leser erledigt. Freut uns, wenns gefällt
Die Stadt Planer müssen sich endlich Gedanken machen. Das ist schon sowie so 5 vor 12 , ob es nicht sinnvoller währe im Innenstadt Bereich mehr auf Sozialwohnungsbau und erschwingliche Eigentumswohnungen für Berufstätige grade im Innenstadt Bereich zur setzen. Statesen setzen Sie beim frei geworden Fläche lieber auf tolle Hotels und Firmen (Konzern) Häuser. Solche Lösungen wie Moia, clever Shuttle, Berlkönig ,Alligator, Ioki , Uber und wie sie alle noch heißen werden die Situation in Innenstädten verschärfen . Kein Wunder warum solche Entscheidungen so geschehen wenn die verantwortliche Personen das aus dem Schreibtisch raus entscheiden und leider von der Realität keine Ahnung haben. Die Lobbyisten tuen auch leider einiges und es bleibt jetzt abzuwarten bis irgendwann diese Labor im Innenstädten platzt. Tolle neue Welt Bravo weiter so Liebe Stadtplaner und Politiker ach und Konzerne
So, wie jeder Häuslebauer einen Parkplatz nachweisen muss, sollte auch jede Firma über Mitarbeiterwohnungen verfügen, möglichst nah am Arbeitsplatz (Postsiedlung, Eisenbahnersiedlung, Siemensstadt).
Firmenansiedlungen bringen den Gemeinden zwar Geld, erhöhen jedoch auch den Pendlerstrom und bringen uns dem Verkehrskollaps näher.
Sehr guter Artikel!
Solange der BZP nicht das Gewerbe sondern nur die Belange einzelner Grosszentralen vertritt, wird dieses Konstrukt für den Niedergang der Branche hauptverantwortlich sein. Generationenwechsel, Richtungswechsel, Jetzt!
Besser könnte man nicht antworten. super. Hashemi