Der virtuelle Stammtisch der Interessengemeinschaft (IG) Ortenau hatte spannende Themen: Nicht beantwortete Briefe des Sozialministers, eine „Wahlempfehlung“ für die anstehende Landtagswahl, ein Überblick über die PBefG-Novelle, die Positionierung zur gespaltenen Verbandslandschaft sowie eine Andeutung zu den AOK-Verhandlungen mit den Krankenkassen.
Taxi- und Mietwagenunternehmer*Innen aus dem Ortenaukreis im Schwarzwald bzw. am südlichen Oberrhein sind seit den 2000-er Jahren unter dem Motto „Einigkeit macht stark“ zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Sie treffen sich regelmäßig zum Austausch. Viele von ihnen sind auch Mitglied im Verband des Verkehrsgewerbes Baden e.V., ein Mitglied bekleidet dort sogar ein Vorstandsamt.
Nicht zuletzt deshalb war beim gestrigen Treffen, das erstmals virtuell per Videokonferenz abgehalten wurde und an dem rund 20 Mitglieder und Gäste teilnahmen, auch der Verbandsgeschäftsführer Tobias Lang zugeschalten. Er berichtete zunächst über die Bemühungen rund um das Thema „Impfen“, bei dem man aber auf der Landesebene politisch nichts erreichen konnte.
In mehreren Briefen an den Baden-Württembergischen Sozialminister Manne Lucha habe man Vorschläge zur Unterstützung bei der Abwicklung der Fahrten zu den Impfzentren unterbreitet sowie um eine höhere Impf-Priorisierung für die Taxifahrer geworben. Man habe aber nicht einmal eine Antwort auf die Briefe erhalten, zeigte sich Lang sehr enttäuscht. „Das macht man nicht“, kritisierte der Geschäftsführer die Ignoranz des Ministers gegenüber dem Taxigewerbe.
Man habe daraufhin zur selben Thematik auch sämtliche Landräte angeschrieben, aber auch dort kaum Feedback bekommen – und falls doch, war es der Hinweis, dass entsprechende Maßnahmen Sache des Landesministeriums seien. Auch Schreiben an die Oberbürgermeister der badischen Städte blieben unbeantwortet. Einzig in Pforzheim konnte man eine Gutschein-Aktion starten (Taxi Times hat darüber in seiner deutschlandweiten Übersicht zu Impftaxis berichtet).
Das Thema Impfen und andere Corona-Schutzmaßnahmen wurde anschließend unter den Teilnehmern diskutiert. Ein Mitglied konnte berichten, dass ein Teil seiner Fahrer bereits geimpft wurde, weil diese nachweislich bei Schülerfahrten zum Einsatz kamen.
Kritisiert wurden vereinzelte Polizei-Interpretationen der Zulässigkeit von Trennschutzvorrichtungen. Ein Fahrer habe ein Anhörungsverfahren am Laufen, weil sein Trennschutz angeblich nicht „luftdicht“ gewesen sei. Ein Teilnehmer verwies in diesem Zusammenhang auf eine aktuelle Handlungsempfehlung des Verkehrsministeriums von Baden-Württemberg an die Genehmigungsbehörden vom 25. Februar 2021. Darin wird unter anderem der „Einbau von rechtlich zugelassenen Spuckschutz-Vorrichtungen“ empfohlen.
Im Anschluss an diese Thematik berichtete Bärbel von Teuffel, Vorsitzende der Fachvereinigung Taxi / Mietwagen und IG-Mitglied von den wichtigsten Änderungen der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), die vom Bundestag am 5.3.21 beschlossen worden war. Sie enthalte viele „Kann- aber wenig „Mussbestimmungen“ und überlasse viele Maßnahmen verstärkt den Kommunen. An der bisher gültigen Freistellungsverordnung gäbe es nahezu keine Änderungen, berichtete Frau von Teuffel.
Die große Wundertüte am reformierten Gesetz wird die Umsetzung der dort formulierten Datenbereitstellung sein. Konkrete Fragen von den Teilnehmern dazu musste Frau von Teuffel unbeantwortet lassen, dazu könne auch der Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. (BVTM) noch keine Aussagen machen.
In jenem BVTM ist auch der Verband des Verkehrsgewerbes Baden Mitglied. Der Austritt von vier Landesverbänden zum Jahreswechsel führe zu einer Schwächung des Bundesverbands und zu einer weiteren Stimmenverschiebung innerhalb des Verbandes in Richtung Taxizentralen, kritisierte ein Teilnehmer und konfrontierte Tobias Lang deshalb mit der Frage, ob er seinen Verband Baden dort noch gut aufgehoben sehe.
Lang beantwortete diese Frage mit einem klaren „Ja“. Speziell nach der Aufspaltung sei verstärkt zu beobachten, dass der BVTM sowohl die Themen der Großstädte als auch der ländlichen Regionen ausgewogen vertrete. Sein Verband fühle sich dort deshalb sehr gut aufgehoben.
Nach all den gewerbepolitischen Themen beschäftigten sich die Teilnehmer noch mit dem neuen Rahmenvertrag mit der AOK und der Landwirtschaftlichen Krankenkasse LKK. Man habe diesen in harten, aber fairen digitalen Gesprächen ausgehandelt und am Schluss ein Ergebnis erzielt, mit dem alle Seiten zufrieden sein könnten. Konkrete Zahlen durften Teuffel und Lang noch nicht nennen. Der Vertrag soll ab 1. Mai 2021 in Kraft treten.
Ausdrücklich gewarnt wurde innerhalb der Runde vor einer Zusammenarbeit mit der DAK als „Premium-Partner“. Die Krankenkasse sei aus dem Verband der Ersatzkassen ausgetreten und fühle sich deshalb auch nicht mehr an die Rahmenvertragsbedingungen gebunden. Stattdessen baue man aktuell ein Netz mit Premium-Partnern auf, die dann wiederum zu Konditionen fahren, die sich auf Dauer nicht rechnen können, warnte ein Teilnehmer. Die unlukrativen Fahrten würde man dann zu den Konditionen des VdeK-Rahmenvertrags den übrigen Taxi- und Mietwagenbetrieben überlassen.
Im Hinblick auf die anstehende Landtagswahl in Baden-Württemberg am kommenden Sonntag gab es von einem Teilnehmer eine kleine, leicht verklausulierte „Wahlempfehlung“. Man möge aus Taxisicht beachten, dass die gelbe wie auch die schwarze Partei in ihren Ansichten zur PBefG-Novelle weniger für Kontrolle als vielmehr für einen freien Markt plädiert hätten. jh
Beitragsfoto: Remmer Witte