Zweite Runde des öffentlichen Protests: Die AG Hauptbahnhof hat am Europaplatz erneut die Wiedereinrichtung des Halteplatzes gefordert, diesmal mit einem Fahrzeugkorso.
Nach der Demo mit Kundgebung am 7. November (Taxi Times berichtete) hat die AG Hauptbahnhof, eine Gruppe Taxiunternehmer um Danielo Baltrusch, Sonja von Rein und Michael Klewer, erneut dagegen protestiert, dass das Bezirksamt Mitte im Zuge der Neugestaltung des Europaplatzes den Taxihalteplatz vor dem Hauptportal des Berliner Hauptbahnhofs beseitigt hat.
Letzte Woche Donnerstag trafen sich die Teilnehmer gegen 11 Uhr unter der Brücke an der Clara-Jaschke-Straße, wo die Taxis beklebt wurden. Da man nicht wie in der Vergangenheit lediglich als hupende Taxikolonne öffentlich in Erscheinung treten wollte, waren zur Information der Öffentlichkeit aussagekräftige Plakate vorbereitet worden: „Hauptbahnhof Berlin besser mit Taxis“ war auf einigen zu lesen, „Taxis an jedem Ausgang!“ auf anderen.
Nach dem Bekleben der Fahrzeuge setzte sich die Kolonne in Bewegung und drehte Runden unter anderem in der Invalidenstraße vor dem Hauptbahnhof, wo für die Zeit des Taxikorsos von der Polizei nur noch Busse, Straßenbahnen und Fußgänger durchgelassen wurden.
Die Organisatoren zeigten sich enttäuscht von der Teilnehmerzahl, die hinter den Erwartungen zurückblieb. Man vermisse die Bereitschaft vieler Kollegen, auch nur eine halbe Stunde für das Vertreten von Interessen des Gewerbes aufzubringen.
Parallel zum öffentlichen Protest steht die AG Hauptbahnhof seit Längerem im Kontakt zur oppositionellen CDU-Fraktion im Bezirksamt Berlin-Mitte, das für die Umbaumaßnahmen verantwortlich ist – wobei die Umgestaltung des bisher unorganisierten Bahnhofsvorplatzes in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG und den vorherigen Senatsverkehrsverwaltungen unter den Senatorinnen Regine Günther und Bettina Jarasch geplant worden war.
Am selben Tag der Demo nahmen Danialo Baltrusch, Michael Klewer und Timuçin Çampınar an einer Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) teil, wo sie zu dem Thema referieren durften. Das Anliegen der Taxler wurde gewürdigt und flankierte einen schon länger vorbereiteten Antrag der CDU-Fraktion, vertreten durch Sebastian Pieper, Gabriele Cocozza, Martin Leuschner, Mandy Losse und die übrigen Mitglieder der Fraktion. Unter dem Motto „Europaplatz-Provisorium wiederherstellen“ wurde gefordert, die Taxis kurzfristig wieder vor dem Nordportal des Bahnhofs halten zu lassen.
„Das Bezirksamt wird sich dafür einsetzen, das Provisorium mit Taxihaltepunkt am Europaplatz wiederherzustellen, bis es ein Gesamtverkehrskonzept für den Europlatz Nord und Süd, den Washingtonplatz und für die anliegenden Straßen gibt“, heißt es in dem Antrag der CDU-Bezirksverordneten.
Als Begründung wird angeführt, um den Hauptbahnhof als Funktionsgebäude und als Visitenkarte für Berlin zu etablieren, sei ein Gesamtverkehrskonzept von Nöten, das es bis heute nicht gebe. „Der Washingtonplatz ist genauso wie der Europaplatz Nord ein Provisorium, ohne die Bedarfe und Anforderungen zu erfüllen.“ Die S-Bahn-Baustelle stelle derzeit ein weiteres Hindernis für eine gut durchdachte Anbindung dar.
Mit der Verdrängung der Taxis vom Europaplatz würden chaotische Zustände produziert, „die selbst rudimentäre Anforderungen an einen Hauptbahnhof in einer Metropole nicht erfüllen.“ Vielmehr würden Gefahren- und Unsicherheitssituationen geschaffen, die Polizei und Ordnungsamt binden, die an anderen Stellen fehlen.
Wenn vorher mehr als die Hälfte der Taxis die Fahrgäste auf dem Europaplatz aufgenommen und gebracht hätten, so sei dem Rechnung zu tragen. Um ein geplantes Provisorium wieder herzustellen, sei ein pragmatisches Konzept notwendig. Dabei wies die CDU darauf hin, dass Taxis Teil des ÖPNV sind und als Gewerbe durch Behörden reguliert werden. „Sie können nur dann ihre gesellschaftliche Aufgabe erfüllen, wenn sowohl Absetzungs- als auch Aufnahme-/Wartestandort definiert ist und den tatsächlichen Bedarfen entspricht.“
Zudem wird auf Gegebenheiten hingewiesen, die die Tiefgarage des Hauptbahnhofs als Ort zum Absetzen und Aufnehmen von Fahrgästen ausschließen: Die maximale Durchfahrthöhe von 2,0 Metern macht die Zubringung von Großraumtaxis (unter anderem für Behinderte) unmöglich. Die Beschilderung zur Tiefgarage im Hauptbahnhof sei derzeit rudimentär. Damit auch der Individualverkehr die Tiefgarage findet, müsse das Leitsystem unbedingt verbessert werden.
Ein weiteres Ausschlusskriterium sieht man im Nichtfunktionieren der Kartenzahlung in der Tiefgarage aufgrund mangelnden Empfangs, was als „unhaltbar“ bezeichnet wird.
Als dringend gebotene Maßnahme mahnt die CDU eine Analyse des Fußwegverkehrs auf den Europlatz Süd an und fordert eine sichere Gestaltung, etwa durch Markierungen und Poller.
Schließlich wird gefordert, Taxi- und Verkehrsverbände (wie „Innung“, VCD, ADAC u. a.) in alle Planungen von Anfang an einzubeziehen, statt alle mit fertigen Ergebnissen zu konfrontierten.
Der Antrag von CDU und Linke kam noch in derselben BVV-Sitzung zur Abstimmung und wurde mehrheitlich angenommen. Das ist insofern überraschend, als Grüne und SPD in der BVV zusammen exakt einen Sitz mehr haben als CDU, Linke, FDP und AfD zusammen. Allerdings erfuhr die AG Hauptbahnhof nach der Abstimmung von einem Grünen-Vertreter, seine Partei habe für den Antrag gestimmt. Das muss wiederum nicht zwingend an einer innerfraktionären Oppositionshaltung gegenüber der Stadträtin Almut Neumann liegen, da diese mehr oder weniger Beschlüsse der beiden letzten Verkehrssenatorinnen umsetzen soll. Dem Beschluss der BVV folgt somit eine Forderung an den Senat, den provisorischen Zustand von vor der Sperrung wieder herzustellen.
Mit dem Anliegen hat sich auf Landesebene wiederum der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Tino Schopf, solidarisiert. Die AG Hauptbahnhof sieht allerdings kein allzu großes Interesse beim Senat, die Fehler der Vorgänger-Senate auszubügeln, da vermutlich längst Aufträge vergeben seien und eine grundlegende Änderung wieder alles um Jahre zurückwerfen würde.
Die aktuelle Situation wird im Taxigewerbe allerdings als unhaltbar empfunden: Bei der Anfahrt von Norden müsste das Gebäude nun theoretisch umständlich umfahren werden, um Fahrgäste legal am Europaplatz abzusetzen. Die Realität sieht so aus, dass sowohl Taxi- als auch Mietwagenfahrer am Europaplatz weiterhin sowohl Personen absetzen als auch sich bereithalten – und damit illegal die Busspur blockieren, was regelmäßig zu Konflikten mit Hupkonzerten und Verkehrsbehinderungen führt.
Bei der regulären Aufnahme von Fahrgästen am Washingtonplatz wiederum fehlt aufgrund der bereits seit Jahren bestehenden Sperrung des Friedrich-List-Ufers die Möglichkeit, direkt den Tunnel Tiergarten–Spreebogen anzufahren. Bei Abfahrt nach Süden muss daher die umständliche Zickzack-Route durch das Regierungsviertel und womöglich über die Straße des 17. Juni genommen werden, die wiederum aus jedem mehr oder weniger wichtigen Anlass unzählige Tage im Jahr gesperrt wird.
Ob und wie schnell der Senat also den Beschluss aus dem Bezirksamt Mitte prüfen wird, bleibt abzuwarten. ar
Beitragsbild: Foto: Axel Rühle